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Lovecraft’s Untold Stories (Rollenspiel) – Twinstick-Action in Lovecraft-Welt

H.P. Lovecraft (1890 – 1937) inspiriert auch in diesem Jahr mit seinen Großen Alten einige Entwickler: Das russische Team von Blini Games inszeniert in Lovecraft’s Untold Stories düstere Twinstick-Action in prozedural erstellten Kulissen. Dabei geht es nicht um ständiges Dauerfeuer, sondern um eher taktische Schussgefechte sowie Erkundung und Rätsel. Im Test verraten wir, ob das für 14,99 Euro auf dem PC veröffentlichte Abenteuer ebenso gut unterhalten kann wie die Kurzgeschichten des Vorbilds.

© Blini Games / Blini Games

Von Detektiv bis Hexe

Wer Pixel-Artdesign à la Kingdom mag, wird sich trotz der Blutlachen und Knochenhaufen schnell in dieser Lovecraft’schen Welt wohlfühlen: Egal ob Herrenhaus, Hospital oder Friedhof – Interieur und Licht, Apparaturen und Gemälde sorgen für gediegene Atmosphäre und es gibt liebevolle Details wie etwa die Spiegelungen unter dem Helden bei polierten Fliesen. Zu Beginn kann man lediglich mit dem Detektiv durch die spärlich beleuchteten Flure und Hallen stromern, die jedesmal neu erstellt werden. Später kommen mit dem Professor, der Hexe, dem Dieb sowie dem Ghoul vier Charaktere mit exklusiven Fähigkeiten hinzu.

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Man startet mit dem Detektiv… © 4P/Screenshot

Aber der Mann mit dem Hut hat auch schon einiges auf dem Kasten: Während man ihn in der Draufsicht mit dem linken Analogstick bewegt, kann man mit einem Druck auf den rechten Stick die Schrotflinte in diese Richtung abfeuern – die hat zwar zunächst nur zwei Schuss, aber eine breite Streuung sowie eine leichte Mannstoppwirkung. Auf jeden Fall ist sie besser gegen die aus dunklen Ecken herbei huschenden Kultisten geeignet als das alternative Messer.

Außerdem kann man Dynamit & Co werfen, um auch größere Hindernisse zu zerstören oder mit einer Hechtrolle über Fallen springen – aber Vorsicht: Das kostet ebenso Ausdauer wie das Zuschlagen. Zwar sind die Schussgefechte im Vergleich zum stylischen The Hong Kong Massacre oder auch Enter the Gungeon spröder, manchmal etwas unübersichtlich und einige Animationen wirken etwas steif. Aber die Gefechte sorgen durchaus für explosiven Spaß – zumal mit jedem neuen Charakter ein etwas anderer Stil möglich ist. Außerdem gefallen Kreaturen- sowie Artdesign von den Portraits bis in die Menüs. Man trifft einfach den stilistischen Ton, der für diese Welt so wichtig ist.

Run&Gun gibt es reichlich, aber es ist nicht der zentrale Aspekt. Das Besondere am Spielrhythmus sind die Wechsel zwischen Action und

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…aber schaltet weitere Charaktere wie den Professor frei. © 4P/Screenshot

Ruhe: Man wird nicht in jedem Raum angegriffen, sondern kann einige ohne Hektik erkunden. So findet man in Schränken, Tischen & Co neben Schätzen oder Wissen auch wichtige Heilmittel, Puzzleteile oder Schlüssel diverser Art. Dabei ist nicht alles offensichtlich: Manchmal muss man erst etwas zerstören oder freischalten. Manchmal muss man in Nebenräumen mehrere Hebel bedienen, um Verankerungen in einem Saal zu lösen. Sehr gut gefallen hat mir, dass man Händler erst findet, wenn man den Geheimgang an einer Wand entdeckt, indem man es ohne visuelle Hinweise einfach über einen Klick ausprobiert. Weniger gut gefällt, dass es bei einem Dialog bzw. Menüaufenthalt manchmal keine automatische Pause gibt, so dass man weiter angegriffen wird.

Im Angesicht des Wahnsinns

Zwar gibt es keine entwickelbaren Werte wie Stärke, Charisma & Co, aber für etwas Rollenspielflair sorgt neben dem begrenzten Inventar die Ausrüstung von Kopf bis Fuß, meist über Artefakte wie etwas Bown Jenkins‘ Kralle, mit der man den Helden auch permament stärken bzw. gegen bestimmten Schaden besser schützen kann. Auch außerhalb der Kämpfe werden die exklusiven Fähigkeiten spürbar: Nur der Detektiv kann spezielle Artefakte oder z.B. die Asche eines Feuers untersuchen und dabei Hinweise finden. Und die sind wichtig, denn neben den Dollars ist das „Wissen“ die zweite Währung. Immer, wenn man etwas in der Spielwelt herausfindet

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Hinter dieser Tür wartet der erste kleine Boss. Aber hat man Anker und Kopf gefunden, um sie zu öffnen? © 4P/Screenshot

oder wenn man Bücher beim Händler verkauft, steigt es an.

Man kann dafür wieder etwas einkaufen, aber wappnet sich so auch gegen den Horror der fünf Großen Alten, darunter natürlich Cthulhu, Dagon und Azatoth, sonst wird man bei ihrem Anblick umgehend wahnsinnig. Wieviel Wissen man genau dafür braucht, wird allerdings nicht ganz klar.

Der Geisteszustand des Helden kann aber auch abnehmen, wenn er das Falsche tut: Es gibt einige interessante Multiple-Choice-Situationen, in denen man gefragt wird, ob man sich diese Statue, jene Pflanze oder jenes Buch genauer ansehen will. Zwar kann man so auch geheilt werden oder Hinweise bekommen, aber manchmal packt einen auch das Grauen, dargestellt von lila Tentakeln, die plötzlich das Portrait befallen – dagegen hilft dann u.a. Schokolade. Leider wirkt sich dieser Wahnsinn spielerisch nicht aus – da haben die Entwickler einiges an verstörendem Potenzial liegen lassen; ich sage nur Eternal Darkness. Dafür sorgen Blutungen und Gifte umgehend für fortlaufenden Schaden, so dass man mit Verbänden bzw. Serum reagieren muss. Auch Strom und Säure spielt eine Rolle, so dass man immer wieder seine defensive oder Ausrüstung anpassen muss.

Hat man den ersten kleineren Boss „Star Spawn“ besiegt, wobei man in typischer Arcade-Manier seinen Salven clever ausweichen und schießen muss, schaltet man das Hauptquartier frei – und das haben die Entwickler stimmungsvoll inszeniert. Plötzlich gehen Maschinen und Lichter an, Skultpturen ragen vor aus dem Boden und es ergeben sich neue Möglichkeiten. Hier hat man nicht

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Sobald die roten Symbole wabdern, muss man alle Gegner besiegen. © 4P/Screenshot

nur Zugriff auf ein universelles Lager und bekommt endlich konkretere Hinweise, wie viel Prozent an Wissen man über die Großen Alten gesammelt hat, sondern kann auch speichern und sich in Areale teleportieren.

Für Übersicht sorgt eine automatisch aktualisierte und zoombare Karte, die nützliche Hinweise bietet. Sehr schön ist auch, dass mit bekannten Begriffen wie „Innsmouth“, „Brown Jenkins“ oder dem „König in Gelb“ auch viele Hintergründe aus der Welt von H.P. Lovecraft eingeflochten werden. Trotz prozedural erstellter Level und nur einem Leben ist dieses Lovecraft’s Untold Stories wesentlich verzeihlicher als etwa Darkest Dungeon oder Enter the Gungeon und deutlich leichter als klassische Twinstick-Shooter, zumal es drei Schwierigkeitsgrade gibt und man jederzeit in sein Hauptquartier gelangen kann.

  1. Okay, dann ist das einfach nicht dein Spiel...die "Challenge" hier liegt aber deutlich unter dem normalen Anspruch einer Twinstick-Action à la Housemarque; Hektik und dieses Genre bedingen sich ja systemisch.
    Aber wenn du den Eskapismus suchst: Spiel Sunless Skies. Da ist auch Lovecraft drin.;)

  2. 4P|T@xtchef hat geschrieben: 04.02.2019 11:48 Ich habe das Gefühl, dass einige es nicht über den ersten kleinen Boss geschafft haben. Aber der ist nun wirklich nicht schwer.;)
    Nein, ist er sicherlich nicht. Angesichts des (in meine Augen) stimmigen Artdesign und meinem Interesse an Lovecraft, hab ich diesem Spiel gerne eine Chance gegeben. Einmal sterben ist sicherlich Pflicht. Und da die Steuerung wenig taktischen Tiefgang bietet, sondern eher das übliche Twinstick übliche Hektik-Gefuchtel ist und das Spiel insgesamt etwas hakelig ist, hatte ich keinerlei Lust verspürt "die Herausforderung" nochmal anzunehmen, wieder bei Null zu beginnen. Ein für mich vom Spieldesign gesehenm, Griff ins Klo seitens der Entwickler..
    Ich suche aber allerdings beim Spielen eher den Eskapismus als die künstliche Herausfoderung. Man kann auch sicherlich das Spiel rückwärts auf einer Ziege mit Flöte in der Hand auf einer Tanzmatte mit kyrillischen Benutzeroberfläche bewältigen , wenn die Entwickler das eingebaut hätte oder es eine Trophäe dafür gebe. Solch Spielerein und Challenges überlasse ich lieber den Teilzeit-Autisten.

  3. Moin Leute,
    ist ja vollkommen okay, wenn man diesen Pixelstil per se ablehnt und diese Spiele dann meidet. Manchmal reicht ein Blick auf die Oberfläche, um etwas abzulehnen.
    Aber innerhalb all der Titel, die sich in diesem Stil und in diesem Genre der Twinstick-Action tummeln, sticht Lovecraft's Untold Stories positiv heraus - und zwar sowohl hinsichtlich des Artdesigns, das innerhalb dieses Pixelstils mit seinen stimmungsvollen Figuren, Kulissen, Spiegelungen etc. punktet (da ist es ähnlich charmant wie Kingdoms), als auch der Spielmechanik, die eben Rollenspiel light, Rätselflair und Action gekonnt verbindet.
    Zur Frage der Schwierigkeit: Dieses Spiel ist weit entfernt von der Gnadenlosigkeit eines Darkest Dungeon; ich kann jederzeit auch innerhalb eines Levels zurück zum Hauptquartier. Aber das sollte man natürlich erstmal erreichen. Und dann ist das Spiel mit seinen drei Schhwierigkeitsgraden (!) sehr fair balanciert. Ich habe das Gefühl, dass einige es nicht über den ersten kleinen Boss geschafft haben. Aber der ist nun wirklich nicht schwer.;)

  4. Nen ArtStyle kann man aber auch nicht kritisieren. Denn der wird ja ausgewählt!
    Nur wenn der Künstler "innerhalb" seines ArtStyle nun nicht das beste gibt, dann ist das kritikwürdig. Art Stile stehen meist auch fest: Abstrakt, Impressionistisch usw.
    Was Du meinst ist eher ArtDIrection/Konsistenz. Das halt alles zusammen passt. Das hat aber nichts mit ArtStyle zu tun. Zb. das Spiel GRIS. Überall gelobt wegen der "schönen" Grafik. ArtStyle vermutlich irgendwas zwischen Aquarell und Softporn. Das als "schön" zu bezeichnen ist halt Geschmackssache. Aber den ArtStyle haben Sie definitiv getroffen.
    Aber "schön" und "schön" ist halt kein ArtStyle. Die Sachen von HR. GIger sind auch nicht schön im allgemeinen "schön"...sondern Sie sie schön im ArtStyle zu dem es gehört.
    Daher bemängele ich einfach, dass hier nie wirklich zwischen ArtStyle und ArtDIrection unterschieden wird.

  5. @TestABob: Ich wage zu bezweifeln, dass das am Genre festhängt, sondern sehr wahrscheinlich eher am Stil, an der Art Direction, festgemacht wird. Es gibt Spiele, die sehen trotz reduzierter Auflösung teils wunderschön aus (z.B. Celeste) dank eines Artstyles, der sich durchs komplette Spiel zieht, und es gibt Spiele mit grundsätzlich guter Grafik, aber einem grauenhaften oder nicht existentem Artstyle (Sonic 06, oder gefühlt jedes 3D-Unity-Spiel von einem Ein-Mann-Hobbyentwickler).
    Definition Artstyle: Quasi ein grafischer Stil, der sich durchs ganze Spiel zieht und einen einheitlichen Look schafft, sodass weder das Gefühl aufkommt, irgendwas passt hier nicht zusammen, noch, dass irgendwas einen rein "mechanischen" Bezug herstellt (z.B. einfach nur ein Block, den man bewegt, statt einer Figur)...

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