Hier liegt allerdings auch das größte Problem. Zwar hat Inafune in den jeweiligen Abschnitten einige Elemente eingebaut, die man bei der Bewegung beachten muss, wie Unterwassersequenzen, in denen man träger unterwegs ist oder Windböen, die einen beim Erklimmen eines Funkturmes massiv beeinflussen können. Und mit dem stets verfügbaren „Dash“ einer schnellen Bewegung nach vorne, die man auch nutzen sollte, um die nach starkem Beschuss leuchtenden Gegner final aus dem Weg zu räumen und ggf. einen temporären Bonus z.B. auf Angriffskraft oder Geschwindigkeit aufzunehmen, kommt sogar ein neues Element hinzu. Immerhin wird der Dash auch genutzt, um das Leveldesign aufzuwerten und den Spieler mit einer zusätzlichen Herausforderung für Hand-Auge-Koordination herauszufordern. Bekannt wiederum ist die Freiheit, die dem Spieler bei der Levelauswahl gegeben wird. Bis auf (natürlich) Bonus-Abschnitte sind alle Umgebungen von Beginn an freigeschaltet, man hat die freie Wahl, welchen der acht anderen Mighties man sich als Nummer 9 als Nächstes vorknöpfen will.
Da man allerdings nach einem erfolgreichen Bosskampf nicht nur mit Unmengen an ausgeschüttetem Adrenalin, sondern auch mit einem neuen Elementar-Angriff belohnt wird, kann sich die Wahl natürlich auf die nachfolgenden Abschnitte auswirken. Inafune hat allerdings stets betont, dass man das Spiel auch ohne Verwendung einer Elementarkraft beenden kann. Der Vorwurf der Beliebigkeit, der dadurch aufkommen könnte, wird schnell durch den dann noch steileren Schwierigkeitsgrad entkräftet, der sich entfaltet, wenn man tatsächlich auf Elementeinsatz verzichtet.
Hommage oder moderne Variante?
Dennoch weiß Mighty No. 9 nicht ganz, wo es sich positionieren soll. Einerseits bietet es all das, was es seit der guten alten MegaMan-Zeit nur selten gegeben hat: Ein Konzept, das ebenso einfach wie fordernd ist. Starke Bosskämpfe mit mehreren Phasen, die kurz vor Ende des Gefechtes, wenn beide Teilnehmer nur noch ein paar Millimeter ihrer Lebensenergie übrig haben, zu fieser Schnappatmung führen können. Ein unbändiges
Glücksgefühl, wenn man den Boss endlich nach dem gefühlt hunderttausendsten Anlauf geschafft hat. Einzig Überraschungen sucht man meist vergebens. Mighty No. 9 wird routiniert inszeniert, schafft es aber nicht, sich aus dem übermächtigen Schatten seines Bruders zu lösen.
Inafune verbeugt sich zu häufig vor der Schöpfung aus der Vergangenheit und imitiert sie zu oft, anstatt seine eigenen Spuren zu hinterlassen. Beck wirkt immer wieder wie eine neu eingefärbte Fotokopie seines Stiefbruders und schafft es nur selten, aus diesem Korsett auszubrechen. Doch in diesen Momenten macht es richtig Spaß, sich den Herausforderungen des Leveldesigns und vor allem der Levelendgegner zu stellen, die exemplarisch für die hohe Kunst des japanischen Bosskampf-Designs stehen.
Nach der ganzen negativen Stimmung gegenüber Migthy No. 9 lag meine Kopie erst ein paar Tage unbenutzt in meinem Regal. Ich befürchtete langeweile, aber wurde positiv überrascht, das Game macht mir richtig Spaß.
Ich kann den Unmut der Kickstarter-Unterstützer, natürlich, verstehen und wer eine schlechte Version für seine Plattform bekommt hat alles Recht zum mosern.
Und keine Sorge ich "verschwende" nicht meine Zeit mit MN9 wo es doch Shovel Knight gibt, das ist doch schon längst bei mir durchgespielt.
SK erweitert das Duck Tales Repertoire ein wenig, aber die Grundsteuerung ist die Selbe.
Mighty No. 9 wirkt dagegen wie ein saftloser Versuch, einen alten Helden wieder neu aufleben zu lassen, auch wenn es sich natürlich um einen anderen Helden handelt.
Wenn Shovel Knight erwähnt wird, sollte man auch Freedom Planet nicht außer Acht lassen (quasi eine Hommage an Sega Mega Drive / Saturn Platformer). Zu letzterem wurde überdies auch ein Nachfolger angekündigt.
Shovel Knight sollte - wenn man es noch nicht ausprobiert hat - wohl die erste Wahl sein. Ein herausragendes Spiel!