Wer Nantucket spielt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er in diesem Strategiespiel in eine Zeit ohne Greenpeace und Tierschutz reist. Hier sind Meeresbewohner monströse Feinde. Man jagt explizit neugeborene, junge und alte Wale, Kraken und Haie, waidet sie aus, profitiert danach von Tran und Fleisch. All das geschieht allerdings nicht in aktiven Kämpfen, sondern rundenweise wie in einem taktischen Kartenspiel mit Spezialaktionen und Würfelglück. Bis zu drei Mann passen in ein Walfangboot, für jeden wird ein W6 geworfen, wobei selbst bei Erfolgen für alle nur einer seine Aktion ausführen darf.
Und genau das wird in den ersten Stunden recht schnell langweilig, weil man es erstens für den wichtigen Profit ständig wiederholen muss und zweitens immer wieder gegen dieselben jungen Wale mit ihren paar Lebenspunkten antritt. Die attackieren zwar auch, aber haben eigentlich nie eine Chance, wenn man die Harpunen seines Schiffs etwas aufrüstet und seine Crew einigermaßen auf Waljagd hin entwickelt; auch Verletzungen & Co werden umgehend im Hafen geheilt, so dass man sich um sein Personal kaum sorgen muss – kein Vergleich zur taktischen Spannung in Darkest Dungeon oder FTL, auch ein Sunless Sea ist hier mit seinen simplen Echtzeitkonflikten sowie einmaligen Charakteren unterhaltsamer.
Vorsicht, es gibt auch Piraten!
Zwar sorgen Regen, Wellengang & Co auch mal für Modifizierungen vor der Ermittlung von Schaden, außerdem gibt es
neben der reinen Attacke auch Ausweichmanöver oder schützende Aktionen, mit denen man Karten kontern kann. Doch meist zieht man den gewürfelten Schaden einfach per Drag&Drop auf den Feind und fertig. So werden die Gefechte schnell zur Routine und es mangelt ihnen gelegentlich an Balance, denn schon recht früh kann man bestimmte Zufallskämpfe gegen Piraten oder weiße Haie, die man acht Runden bei stetig neuen Angreifern aufhalten soll, nur mit sehr viel Glück meistern, weil einfach die Lebenspunkte der Crew nicht ausreichen.
Immerhin lohnen sich die Spezialisierungen von Schiff und Crew auf lange Sicht, denn der Anspruch steigt: Man kann aus seinem Jäger quasi drei Subklassen entwickeln – „Harpooner“, „Men-at-Arms“ sowie „Survivor“. Nur wer auch Matrosen mit Fähigkeiten im Nahkampf gegen Menschen dabei hat, wird auf Dauer erfolgreich sein – Waljagd ist also nicht alles. Und auch die Kreaturen der Meere gewinnen an Gefährlichkeit, denn die älteren Wale haben plötzlich Kampfnamen und ein Kraken ist nicht so schnell erlegt. Hinzu kommen Gefahren durch Unwetter, Strudel & Co – man kann auch recht schnell sterben. Im normalen Schwierigkeitsgrad darf man dann einen Spielstand laden, wer es härter mag, darf auch mit Permadeath und ohne Sicherung loslegen. Unrealistisch, aber sehr sinnvoll ist, dass alle technologischen Verbesserungen an Harpunen, Ausguck, Frachträumen, Quartieren etc. auch beim Kauf eines
neuen Schiffes aktiv bleiben. Da man alle vier bis sechs Wochen nur eine Entwicklung meistern kann, sollte man sich die Reihenfolge gut überlegen.
Dass man sich dem Abenteuer trotz der monotonen Abläufe stellt, liegt vor allem an der Story sowie einigen interessanten Zufällen sowie Aufträgen. Immerhin scheint es Moby Dick nach Ahab jetzt auf Ishmael abgesehen zu haben, so dass durchaus das Gefühl des Gejagten entstehen kann. Außerdem gibt es neben der schnöden Jagd auch eine private Story, dazu mal kleine Schatzsuchen oder Erkundungstrips mit ungewissen Ausgang – leider hält sich die Anzahl der Aufträge zu lange in Grenzen, so dass man doch wieder im bekannten Walfangareal auf die Jagd geht. Wobei sich Entscheidungen innerhalb der Dialoge auch im Kleinen auswirken: Wer seine Crew mit Alkohol feiern lässt, kann das Merkmal „Social“ bekommen, das wiederum die Moral im Schnitt um zwei erhöht. Schließlich gilt es bei jeder Fahrt genug Vorräte für die Crew dabei zu haben, vor allem Grog, denn sonst sinkt die Moral und es droht eine Meuterei. Je weiter einen die Aufträge führen, desto wichtiger wird die frei wählbare Route, also das Segeln im Wind, zumal es nicht sehr viele Häfen zur Vorratsaufstockung gibt – es kann sich lohnen, selbst Trockendocks anzulegen, wofür man wiederum Holz und Fähigkeiten benötigt. Auf der Fahrt selbst kann man jederzeit pausieren, um Befehle zu geben oder Leute aufsteigen zu lassen.