In der Praxis hingegen geht dieses Konzept nur eingeschränkt auf. Denn solange man mit dem Anführer unterwegs ist, gibt es kein KI-Verhalten, das sich z.B. eigenständig dem Sperrfeuer der Polizei widersetzen würde, bis man die Zeit zurückdreht und selbst übernimmt. Dementsprechend werden die taktisch geplanten Figurenwechsel irgendwann zu einer hektischen und stressigen Arbeit. Umso mehr, wenn die Startpositionen der Figuren vergleichsweise weit voneinander entfernt sind und man nur minimal Zeit hat, um sich zu orientieren. Aber natürlich gibt es auch Situationen, in denen die Zeitlupen-Mechanik so funktioniert wie vorgesehen. Und das Blutbad, das man mit mehreren Figuren anrichten kann, ist wiederum eines Filmes des Regiemeisters würdig. Doch unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass Hotline Miami und selbst LA Cops als ähnlich gelagerte Titel mehr Tarantino-Flair verströmen als Bloody Days.
Knallbunter Comic statt düstere Gewaltexplosion
Denn auch das Artdesign kann ich einfach nicht mit Reservoir Dogs in Verbindung bringen. Comic-Figuren, die ihren Filmkollegen nur mit sehr viel Fantasie und gutem Zureden ähneln, sowie die knallbunten Kulissen wirken eher wie ein Team Fortress 2 oder Overwatch in Vogelperspektive. Aber in keinem Fall wie ein Spiel zu einem Film mit düsterer Grundstimmung. Vielleicht wäre Big Star Games besser beraten gewesen, das Knallbunte durch schwarzweiße Elemente auszutauschen, so dass es eher an Sin City denn an Disney World erinnert. In dem Fall hätten auch die zinnoberroten Elemente als Stilmittel klarer hervorgehoben werden können. Doch dann bleibt immer noch das Problem, das man abseits von minimalen Textdialogen keinerlei Bezugspunkte zu den Figuren feststellen kann. Ob Mr. Pink jetzt wirklich kein Trinkgeld gibt oder sich Mr. White als besonnen herausstellt, während Mr. Brown oder Mr. Blonde eher als Heißsporn agieren: Es ist mir egal. Leider. Und dementsprechend ist es mir auch abseits des Anforderungsprofils (ich verliere ungern) gleichgültig, ob der eine oder andere das Zeitliche segnet und ich am letzten der fair gesetzten Kontrollpunkte noch einmal starten muss.
Es verwundert auch nicht, dass die Musik ebenfalls nicht den zielsicher die Atmosphäre unterstützenden Faktor besitzt, der Tarantino-Filme auszeichnet. Sie versucht mit ihren Instrumental-Kompositionen zwar den 60er-/70er-Jahre-Geist wachzurufen, der den Original Soundtrack zu Reservoir Dogs auszeichnet. Doch scheitert man damit beinahe ebenso glorreich wie mit dem Versuch, einem Meisterwerk des modernen Erzählkinos zum 25-jährigen Jubiläum ein spielerisches Denkmal zu setzen. Auch, weil Bloody Days technisch in manchen Abschnitten massive Probleme hat, eine stabile Bildrate zu präsentieren.
TBL, ein guter Film.
*Lebowski
Der letzte gute Film bleibt im Gedächtnis. Ist momentan bei mir Life und die Hütte. Davor war es vlt. Django Unchained. Lange davor war es auch mal der Dude....
Nie wurde ich warm mit NCFOM. Über Geschmack lässt sich streiten.
Leider konnte ich die Reaktion nicht mitverfolgen da ich an dem Tag auf dem 75ten meines Vaters war. Super das wir nun klar sind und das Eis gebrochen ist.