Comeback Kid
Im Jahr 2010 wurde Bryan Lee O’Maylleys Graphic Novel Scott Pilgrim groß umgesetzt – zeitgleich als Realfilm im Kino und als pixeliges Videospiel für PS3 und Xbox 360. Letzteres, mit dem Namen Scott Pilgrim vs. The World: The Game, kam von Ubisoft, war eine Co-Entwicklung aus kanadischen und chinesischen Niederlassungen und verschwand zum Ende des Jahres 2014 aus den digitalen Krämerläden von Sony und Microsoft. Für Fans der Marke und solche, die es noch hätten werden können, natürlich ein Affront und eine negative Begleiterscheinung digitaler Vertriebswege. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Films im letzten Jahr kündigte Ubisoft eine Remaster-Version an. Und Limited Run versorgt sogar alle, die bereit sind, mehr Geld auszugeben, mit drei unterschiedlichen Versionen auf Disc bzw. Modul (PS4 & Switch). Ich musste zum Glück nicht auf diese Fassungen warten, die ab 16 Uhr deutscher Zeit bestellbar sind (!), aber vermutlich erst Mitte 2021 verschickt werden – sondern konnte mit den Digitalversionen sofort loslegen…
Straßenschläger
Ubisoft wählte für die Umsetzung der schrägen Geschichte (rund um den Kampf gegen die sieben Ex-Freunde von Scotts Auserwählter) ein selten benutztes Genre: den Sidescroll-Klopper. Zumindest im Releasejahr 2010 war das so. Heute freuen sich Fans des Dauerschlägerns über deutlich mehr und qualitativ hochwertigen Nachschub (z.B. Streets of Rage 4), aber vor gut zehn Jahren musste man derart gelagerte Titel tatsächlich mit der Lupe suchen. Scott Pilgrim vs. the World: The Game nimmt dabei deutlich mehr Bezug auf Technos’ Double-Dragon- und Kunio-kun-Reihen denn auf Final Fight, Golden Axe & Co. Das fängt beim (tendenziell) in der Echtwelt angesiedelten Szenario an und hört bei Rollenspiel-Elementen und Shop-System noch nicht auf – auch das langsamere Spielgefühl borgen sich Scott und seine Freunde bei Technos’ Klassikern.
Wer den 2019er Klopper River City Girls von WayForward (das übrigens im Xbox Game Pass enthalten ist) gezockt hat, weiß am ehesten, was auf ihn zukommt. Doch leider fühlt sich Scott Pilgrim nicht so griffig und die Steuerung weniger direkt an: Mit niedriger Laufgeschwindigkeit und schon mal Feinde verfehlend, die nur hauchzart über mir stehen, kloppe ich mich durch Heerscharen von garstigen Kids. Ich schnappe mir Waffen, sammle aus Feinden purzelnde Münzen, attackiere grundsätzlich mit zwei Attacken und befreie mich per Lebensenergie kostendem Rundumschlag. Eine zweite Energieleiste erlaubt das Herbeirufen eines kurzzeitigen Helfers, außerdem kann geblockt werden – eine keinesfalls zu vernachlässigende Komponente, die in Verbindung mit Trainingseifer zwar taktisch sinnvoll, aber dem Spieltempo nicht zuträglich ist. Wer mit Couch- oder Online-Mitspielern unterwegs ist, kann gefallene Kollegen reanimieren – allerdings dauert das nervig lange und man setzt sich derweil einem hohen Trefferrisiko aus.
Apropos Trefferrisiko: Scott Pilgrim ist selbst auf dem niedrigsten von drei Schwierigkeitsgrade ein anstrengendes Spiel – die drei Leben pro Welt sind rasch verbraucht, Feinde treffen gefühlt besser als man selbst und die Zahl der Antagonisten steigt bald dramatisch an. Das Gefühl der Unterlegenheit schwindet zwar mit wachsender Spieldauer und den durch Levelaufstieg freigeschaltenen Moves – dennoch ist fühlt sich das Austeilen nie so kraftvoll an wie unlängst in Fight’N Rage oder The Ninja Saviors: Return of the Warriors
. Auch The King of Dragons, Captain Commando oder Armored Warriors – allesamt 2018 im Capcom Beat’em Up Bundle enthalten – finde ich in puncto Trefferrückmeldung und Wucht deutlich gelungener.
Ohrenschmaus?
Und was "Level-Länge, fehlende Höhepunkte, nervige Feinde, Feindzahl, Hit-Boxen, Geschwindigkeit" betrifft: Als jemand der sagt er kenne das Genre, wundert mich das etwas.
Level Länge: Variert. Zugegeben. Es sind nur sieben und diese sind tatsächlich verhältnismäßig kurz. Aber man hat mir hier im Forum mal erklärt, das wäre bei diesem Genre üblich. Dazu kommt, um wirklich alles freizuspielen, sind mehrere Durchläufe mit unterschiedlichen Charakteren nötig. Klingt für mich daher genretypisch.
Fehlende Höhepunkte: Das ist bei dieser Art Spiel immer schwierig. Falls du auf sowas anspielst, wie bei The Takedown, Auto fahren oder Jet fliegen, okay. Fehlt. Aber da fallen mir viele Vertreter ein, denen solche Höhepunkte fehlen. Auch SoR4 hat keine Höhepunkte. Nur mal so...
Nervige Feinde: Ich sag nur Dobermann bei Fightn Rage. Um ein Extrem zu nennen. Ansonsten glaube ich, müssen die auch "nervige" Feinde rein machen. Sonst ist es doch zu leicht... und...
Wenn die das fertig gepatcht haben, werde ich mir das sicherlich auch mal im Sale zulegen.
River City Girls hat Lust auf mehr gemacht.
Die 58 stehen auch da, weil ich glaube, dass viele Leute damit nicht sonderlich glücklich sind. Ich finde nämlich, dass es das, was es macht, nicht gut macht. Und schon gar nicht sehr gut. Und das habe ich auch im Test erläutert (Level-Länge, fehlende Höhepunkte, nervige Feinde, Feindzahl, Hit-Boxen, Geschwindigkeit).
Toll aussehen? Klar. Deshalb schreib ich das. Toll klingen? Klar. Deshalb schrieb ich das. Und bitte: Couch-Koop ist eine Pflicht-Übung, nichts positiv hervorzuhebendes.