Der fehlende Funke
Zwar ist es interessant im Verlauf der drei Episoden immer mehr über die Vergangenheit der Zwillinge zu erfahren und dahinter zu kommen, welches Geheimnis Mary-Anne all die Jahre für sich behalten hat. Spielerisch konnte mich Tell me Why als jemand, der beide Spiele von Life is Strange sehr mochte, leider nicht überzeugen. Das Scannen der Erinnerungen ist langweilig und hätte genauso gut automatisch erscheinen können. Jedes Mal, wenn eine Erinnerung vorhanden ist, fängt der Controller stark und recht nervig an zu vibrieren und hört erst dann auf, wenn man die Silhouetten endlich in der Spielwelt gefunden hat. Im Vergleich dazu waren das Manipulieren der Zeit in Life is Strange und Daniels Fähigkeiten in Life is Strange 2 deutlich spannender.
Zumindest die Rätsel rund um das toll gestaltete Märchenbuch waren ein kleiner spielerischer Lichtblick, die besonders in der dritten Episode toll umgesetzt wurden. Immer wieder konnte man die zahlreichen Geschichten über Kobolde und Prinzessinnen lesen, um in ihnen Hinweise zu finden, wie man z.B. geheime Türen öffnet.
Träge Stimmung
Technisch kann Tell me Why mit seiner Unreal Engine nur bedingt überzeugen: Die stimmungsvolle Kulisse Alaskas wurde fantastisch eingefangen, auch die Licht durchflutenden Räume und zahlreichen Details in Zimmern und Geschäften, schaffen eine tolle Atmosphäre. Anders sieht das bei der steifen Mimik der Charaktere aus, deren Augen und Münder die emotionalen Situationen oft nicht rüberbringen. Nervig ist auch die recht träge Steuerung der Charaktere auf der Xbox One, die man oft sehr schwerlich an Gegenständen vorbei bugsieren muss und auch das Anwählen von Gegenständen kann manchmal etwas unpräzise ausfallen.
Leider hat das Spiel es so in drei Episoden nicht geschafft, dass ich einen emotionalen Draht zu den Zwillingen bekam. Während die Rückblicke in ihre Kindheit teilweise sehr rührend waren und ich mich in diese Situationen gut hineinversetzen konnte, blieb die Darstellung der Charaktere und die Beziehung der Geschwister zu blass. Vielleicht hätte hier eine weitere Episode Sinn ergeben, in der man die beiden noch besser kennenlernt. So liegt der Fokus vor allem auf dem Aufdecken von Mary-Annes Geheimnissen, die zwar einige spannende Wendungen haben, mich aber zusammen mit dem Schicksal von Tyler und Alyson emotional nicht wirklich berühren konnten.
Kann den Test nicht nachvollziehen. Weder fand ich die Steuerung schwammig noch die Technik schlecht - im Gegenteil, im Vergleich zu den Spielen vorher hat der Entwickler hier deutlich zugelegt. Tell Me Why hat in der Tat keine schwarz und weiß-Entscheidungen, dafür sehr viele kleine, die auch zeigen wollen: Im Leben sind viele Dinge kompliziert, man kann versuchen Gründe herauszufinden (wie die Zwillinge über den Tod Ihrer Mutter), aber am Ende muss man sich dann auch selbst ein Urteil bilden und abschließen lernen. Insofern finde ich Tell Me Why realistischer als vergangene ähnliche Spiele, es ist subtiler. Es gibt auch durchaus verschiedene Enden, die für die einzelnen Charaktere (nicht nur die Zwillinge) sehr unterschiedliche Auswirkungen haben. Man könnte kritisieren, dass nur wenige Entscheidungen hier wirklich etwas verändern, okay.
Überhaupt nicht gut finde ich, wenn im Test Spoiler tief aus Episode 3 vorkommen. Das sollten Spieler wirklich selbst erleben.
Für mich eine 8/10, auch wenn das erste Life is Strange unübertroffen bleibt.
Also ich bin nun durch und im Prinzip kann man an dem Titel die gleichen Dinge kritisieren, wie auch schon an LiS 2 - nur das sie hier vielleicht andere Gründe haben. Die teils weder logisch noch emotional nachvollziehbaren "Wendungen" - oft innerhalb eines einzelnen Gesprächs - um irgendwie eine Dramatik zu erzeugen, die dann aber einfach gekünstelt wirkt, die fehlende Zeit, die man der Entwicklung der Nicht-Spieler-Charaktere nicht wirklich einräumt (wenn das auch hier eher der geringen Episoden-Anzahl geschuldet sein dürfte, während es bei LiS 2 wohl eher Absicht war um das Flucht-/Roadtrip-Feeling zu stärken), die vielen Versuche, etwas als "eine große Sache" zu verkaufen, nur um sie dann in einer Nichtigkeit aufzulösen (red herring) oder Dinge, die eigentlich längst klar und offensichtlich sind, so oft zu wiederholen oder konkretisieren, bis sie auch jemand verstanden hat, der beim Spielen mehrfach eingeschlafen ist.
Schlechter als bei LiS 2 fand ich, dass die Entscheidungen quasi allesamt nicht wirklich "wichtig" wirkten - und LiS 2 war da schon merklich schlechter als sein Vorgänger - es gab quasi in allen drei Episoden keinen einzigen Moment, wo ich kurz innehalten musste und drüber nachdenken musste, was ich da jetzt wähle. Das Resultat war meist sehr gut vorhersehbar und die zu erwartende Änderung zu der jeweils anderen Antwort schlicht nicht wirklich groß (auch wenn ich das nur an wenigen Stellen getestet habe), die "emotionale Involvierung" fehlte oft einfach.
Besser war, dass man sich beim Cast wieder auf eine überschaubare und dauerhaft präsente Gruppe an Charakteren beschränkt hat - und wie gesagt, mit etwas mehr Zeit hätten die alle durchaus gut werden können.
Rätsel und Co waren "genretypisch" nicht der Rede wert (und die, die wenigstens etwas anspruchsvoller waren, waren optional), Grafik, Sound und Technik waren eben "typisch LIS" und die Sprecher waren super (naja, bis auf Michael... der klang für meine Wahrnehmung eigentlich durchgehend stoned...
Für mich kein Spiel, einfach ein interaktiver Film. Zum abschalten am Abend aber ganz ok, ich mochte aber auch die anderen Spiel-Filme von DontNod.
Denn einige Transgender-SpielerInnen sind es mittlerweile auch leid bzw. darin übersättigt, dass wenn solche Thematiken in Unterhaltungsmedien auftauchten, sie fast immer als Steilvorlage für Misery Porn (bestehend aus Diskriminierung, psychischen Problemen, etc. pp.) herhalten durften:
In der Hinsicht könnte...