Rook sieht aus wie ein alter Wolf, vergrämt und gezeichnet. Der sympathische Jäger, der im ersten Teil von The Banner Saga eher unfreiwillig zum Anführer avancierte, hat seine Tochter Alette verloren. Das war scheinbar der Preis dafür, dass man dem Rest der Karawane etwas Zeit verschaffen konnte. Aber der heroische Sieg der Menschen über die Dredge und ihren dämonischen Anführer Sundr hat scheinbar nichts gebracht außer Verlust und mehr Gefahr: Ein gigantischer Lindwurm lässt die Erde beben, noch mehr Feinde fluten die Wälder und die Reste der Menschen und Varl werden wieder einmal zu Flüchtlingen. Welchen Sinn hat dieser Kampf noch? Rook stürzt sich verzweifelt in eine übermächtige Horde…
…stark wird diese selbstmörderische Szene des Einstieg erst, als Iver den Verzweifelten, der nur knapp vor dem Tod gerettet werden kann, hart für sein Selbstmitleid zur Rede stellt. Immerhin hat der hünenhafte Varl selbst einen Arm verloren, das Jahrhunderte alte Erbe seiner Ahnen wurde im Kampf gegen Sundr zerstört und dieser Krieg ist noch lange nicht vorbei – die ganze Welt könnte untergehen. Es gibt kein rührseliges Verständnis, keine Umarmung, keine Rachehymne, sondern eine nüchterne moralische Ohrfeige. Rook muss als Anführer strategische Stärke zeigen und an das Heil der Gemeinschaft denken, damit der Rest der Überlebenden sicher nach Aberrang gelangt, der Hauptstadt der Menschen, die als unneinnehmbar gilt. Auf dem Weg dorthin entwickelt sich ein Drama, das es in sich hat.
Moment, ich versteh nur…
Varl? Skalden? Karawane? Ihr versteht nur Bahnhof? Dann empfehle ich euch dringend, den ersten Teil zu spielen.
Schon alleine aufgrund der vielen Charaktere, fremden Völker sowie Menschen und Konflikte, die man alle kennen sollte, weil sie hier wieder auftauchen. Immerhin beginnt man dieses The Banner Saga 2 mit Kapitel 8 – also direkt nach den letzten Ereignissen. Zwar kann man sich eine Zusammenfassung des bisher Geschehenen in „Watch Recap“ anschauen, aber die ist wirklich sehr kurz und frischt nur das große Ganze auf. Ihr habt The Banner Saga beendet? Dann könnt ihr euren Spielstand importieren. Alle anderen können sich aussuchen, ob sie mit Rook oder seiner Tochter Alette starten – der schmerzhafte Verlust prägt zwar jeden Einstieg, aber in der Rolle des Vaters wird man ganz anders behandelt als etwa Alette; es ist klasse, dass sich die Figuren dieser Wahl anpassen.
Fantasy mit altnordischer Ätshetik
Ich habe weiter mit Rook gespielt, der bald eine Flotte anführt. Als die bunten Langschiffe westwärts über den Fluss Ormsa segeln, sorgen der
englische Sprecher mit seinem nordischen Akzent, dazu die dezente, aber druckvoll einsetzende Musik von Austin Wintory, teilweise von Chören unterstützt, und die Kulise mit ihrem edlen Zeichenstrickstil, für ein sehr stimmungsvolles Ambiente – vor allem wenn die monumentalen Göttersteine langsam ins Bild ragen. Auch wenn man nur durch eine 2D-Landschaft marschiert, hinterlassen die scharf konturierten Ebenen, Wälder und Fjorde ein erhabenes Gefühl – die Karawane wirkt wie ein Wurm, der sich durch verschneite Gebirge oder grüne Fjordlandschaften schlängelt. Dieses Artdesign überzeugt fernab von Kitsch mit einer markanten, angenehm reifen Ästhetik. Auch wenn es sich hier um Fantasy handelt, wird das Edle und Erhabene der altnordischen Mythologie spürbar, ohne dass einen die Regie im überhöhten Pathos voll Pauken und Trompeten versinken ließe. Und das, obwohl es auch in diesem The Banner Saga 2 nicht nur um menschliche Konflikte, um Gemeinschaft und Vorurteile geht, sondern auch um das Schicksal der Welt.
Wie geht man als Anführer mit der Situation um? Es ist schön, dass man Rook in den folgenden Gesprächen auch trotzig und deprimiert spielen kann, indem man entsprechend antwortet. Außerdem kann man seine Haltung in den vielen Entscheidungen demonstrieren, die nicht immer Existenzielles, sondern auch mal Alltägliches betreffen. Man hat nicht nur zwei, sondern manchmal drei oder mehr Optionen, kann sich sogar einen Rat von Iver holen. Lässt man die Kinder an Bord spielen, mahnt man die Eltern zur Strenge oder verfrachtet man alle Familien gleich in eigene Langboote? Schießt man mit einem Feuerpfeil auf diesen seltsamen pelzigen Fund in den Netzen, lässt man ihn frei oder fischt man das trotz des abergläubischen Murrens der Leute ins Boot? Inspiziert man diese verlassene Siedlung, obowhl der Tod in der Luft liegt? Nimmt man mehr Hilfe Suchende auf, obwohl dann alle weniger zu essen haben? Opfert man eher Vorräte, Menschen oder Varl?
Schönes Spiel. Persönlich gefällt es mir sogar noch einen Ticken besser als der erste Teil.
Auf normal sicher nicht schwer, aber auch nicht zu einfach.
Ich habe den Schwierigkeitsgrad etwas künstlich erhöht: Niemand meiner Leute durfte down gehen.
Wer es schwieriger braucht, spielt auf schwer oder vielleicht sowas wie Darkest Dungeon, habe ich noch nicht gespielt, will ich aber noch, vermutlich das aber auf einfach. Wer mehr taktische Tiefe braucht, den lege ich sowas wie Disgaea ans Herz.
Hab gerade den Test von Jörg Langer gelesen - und auch wenn ich seine Wertung nicht sehe (nach dem Ausloggen schon: 7 von 10), entspricht das Fazit fast der Meinung, die ich bereits beim ersten Teil hatte. Wohl ziemlich stark ne Geschmacksfrage.
das Problem mit der Taktik im ersten teil ist, dass es zu wenig Abwechslung zwischen den jeweiligen kämpfen gibt. der Kampf ist zwar durchaus komplex, aber er wiederholt sich zu oft.
ansonsten würde ich das auch mit Schach vergleichen, weil das spiel einem die folgen verrät, wenn etwas gemacht wird. So kann man zug für zug vorausplanen, überlegen, wo der folgende Gegner angreifen könnte, ob einem kämpfer dann noch genug übrig bleibt, ob sich ein rüstungsangriff hier lohnt, - bis einem der Schädel brummt. dabei denke ich immer defensiv, damit bloß der Gegner nichts anrichten kann.
Ich kam bei XCOM leider selten ins grübeln, da ich intuitiv wusste, was ich auch nach reichlicher Überlegung für die beste Lösung gehalten habe. Bei Banner Saga habe ich mir tatsächlich am Anfang einen Plan überlegt und immer wieder darauf geschaut, auf welchen Gegner ich mich am besten konzentrieren sollte, weil er durch seine hohen Leben auch ein hohes Schadenspotenzial hat und z.b. als nächstes ziehen darf...etc.
Man kann sicherlich einige Dinge an Banner Saga kritisieren (flache Charakterentwicklung; wenige Konsequenzen bei Hunger..etc), wer das Kampfsystem für flach hält, hat es wahrscheinlich auf easy gespielt.
Wäre schön, wenn ich das in dem Posting lesen könnte, aber ich sehs immer noch net. Sie haben vor Release ein Spiel namens Banner Saga: Factions rausgebracht, was bei Steam "Mostly positive" angenommen wird und NUR aus genau diesem Gameplay besteht. Das ist natürlich ein gutes Stück tiefer, da hier zwei Spieler mit Teams gegeneinander antreten, aber der Kern ist derselbe.
Ich mag das Kampfsystem von Jean d'Arc z.B. auch net, ich finds augenscheinlich sehr flach, aber vllt irre ich mich auch. Wär doch absurd zu verlangen, dass sie aus dem TRPG dann plötzlich ne Visual Novel machen, nur weil Entscheidungen die zweite Kernkomponente neben der Story ausmachen (tun sie in dem Spiel afaik net, aber rein beispielhaft).