Frust im Dschungelcamp
Irgendwo in einem Dschungel stehe ich hoch oben auf einem Steg zwischen riesigen Bäumen. Ich würde mich am liebsten in die Tiefe stürzen. Mit einem wütenden Schrei und Stinkefinger statt Fallschirm. Geht aber nicht. Denn The Witness zieht unsichtbare Grenzen um jeden Anflug von Gefahr. Selbst die kunterbunte Kulisse wirkt in diesem Augenblick wie sterilisiert. Und diese gefühlte Zwangsjacke macht mich nur noch wütender. Die Knöchel um das Gamepad herum werden schon weiß. Warum ich so frustriert bin? Weil mein Kopf nicht nur qualmt, sondern wie ein Kohleofen bullert.
Seit Stunden knoble ich mich Planke für Planke vorwärts, indem ich einen Weg von A nach B in ein Raster male, nur um plötzlich vor drei blauen Vierecken ohne Füllung kapitulieren zu müssen! Zig mal habe ich versucht, das Rätsel zu lösen, aber dazu müsste ich auch wissen, welche Bedeutung diese verdammten Symbole haben. Es gibt aber weder interaktive Hinweise, was ich okay finde, noch eine aufklärende Legende, was mich ärgert. Auch mein selbst entwickeltes Ausschlussverfahren scheiterte. Ja, ich könnte jetzt zurückgehen, denn irgendwo da unten habe ich schonmal ein Rätsel mit diesen blauen Vierecken gelöst – vielleicht würde ein Blick darauf helfen? Oder ich knoble einfach woanders in dieser offenen Welt weiter?
Heureka, es geht ja doch weiter!
Nein, es reicht, dann muss ich wieder ans andere Ende der Insel latschen oder mit dem Boot um die Küste tuckern – ich mach die Konsole aus…
…eher lustlos spiele ich nochmal mit der Kamera, gehe ein paar Schritte auf dem Steg zurück, um meine tolle Leistung bis hierher wenigstens mit einem Screenshot zu dokumentieren, als ich diese zweite Kerbe auf dem Boden entdecke. Im Raster eines bereits vor einer halben Stunde gelösten Rätsels. Stimmt, es gibt ja mehrere Ausgänge: Statt von A nach B kann man auch eine Linie nach C ziehen. Aber bedeutet das etwa auch, dass sich die Planken dann in diese andere Richtung ausbreiten? Rechts statt geradeaus? Ich schaue zwischen den hohen Bäumen, wohin das theoretisch führen würde und entdecke … eine Verbindungsstelle.
Statt frustriert zu Bett zu gehen, weckt diese Alternative meine Neugier. Das Gamepad liegt wieder ganz leicht in der Hand. Ich male den Weg von A nach C in das Rätselraster und plötzlich werden all die Stege wie von Geisterhand eingefahren und 90 Grad versetzt wieder ausgerollt – hurra, wie cool ist das denn? Es geht also weiter! Das ist ja genial, wieso bin ich da nicht früher drauf gekommen, ich Idiot? Weil ich stur an dieser einen Lösung festhalten wollte, obwohl The Witness immer wieder dazu animiert, über den Tellerrand zu schauen und alle Sinne mit einzubeziehen. Die Rätselinsel von Jonathan Blow verlangt vom Spieler einen Drahtseilakt mit sehr viel Gehirnakrobatik – und vor allem verlangt sie viel Geduld.
Es is egal ob Bedeutungen gespoilert werden, weil es ansonsten letzten Endes ja auch immer nur darauf hinausläuft die Baby-Rätsel finden zu müssen, in denen Symbole "eingeführt" werden
Ich hab mich hier extra angemeldet um diesen Test zu kommentieren. The Witness habe ich dieses Jahr erst entdeckt und für mich ist es eines der ganz besonderen Spiele. Ja, die Rätsellösungen sind uniform (man zeichnet immer eine Linie). Tut aber nichts zur Sache, denn die Rätsel selbst sind so verschieden wie man es sich nur vorstellen kann. Bei anderen Rätselspielen hat man of das Gefühl "Ok, das hier sieht nach einem Rätsel aus, nur in welcher Form mache ich die Lösung begreiflich?". Das Erlauben nur einer einzigen, klar definierten Eingabemethode bei gleichzeitig nicht reduzierter Rätselvariation ist ein klarer Pluspunkt.
Der im Pro/Contra-Teil angebrachte Punkt, es gäbe keine Legende bereits gelöster Symbole ist nicht nachvollziehbar. Das Aufstellen und Validieren von Regeln für die Symbole ist integraler Bestandteil des Spiels und findet nur im Kopf des Spielers statt. Wie soll das Spiel wissen, dass dieser Prozess für ein Symbol abgeschlossen wurde?
Die gewünschten interaktiven Hilfen existieren für fast alle Rätselarten und sind in Form von besonders einfachen Rätseln getarnt.
Spielwelt wirkt nicht nur steril, sondern ist es auch. Ob das eventuell so beabsichtigt sein könnte? Hmmm...
Die Wertung kann ich insbesondere im Vergleich zu "The Room", das total übers Knie gebrochene Rätsel, weniger Immersion und eine für das Setting hanebüchene Story beinhaltet, nicht nachvollziehen. Für jeden, der echte Logikrätsel mag ist The Witness eine definitive Empfehlung.
Zum Glück hab ich den Test erst gelesen, nach dem ich schon fast 300 Rätsel gelöst habe. Da sind ja unverschämt viele Spoiler über die Mechaniken drin.
Ich musste selbst manche Paragraphen abbrechen und bei Bildern schnell wegschauen weil ich mich sonst Spoilern würde. Was soll das 4players? Gerade bei so einem Spiel versaut es ungemein den Spielspaß, wenn man die Bedeutung der Symbole verrät.