Jeanne d´Arc! Der Dauphin! Die Rosenkriege! Was für die einen bloß Kauderwelsch, übt auf die anderen eine magische Anziehungskraft aus. Leider geht das Echtzeit-Strategiespiel „Two Thrones“ mit dieser Verlockung grob fahrlässig um. Denn statt nach delikatem Mittelalterduft stinkt es hier schnell nach billigem Historienfusel.
Komplexität? Fehlanzeige!
Und die Diplomatie? Besteht aus Geschenke versenden (erhöht den Freundschaftwert), Heirat anbieten (erhöht das Ganze noch mehr) oder Krieg erklären (der Sympathiebonus ist aufgebraucht) – das war`s. Spione? Verhandlungen? Nicht vorhanden.
Ja, die Karten sehen schon edel aus. Aber leider vergeht der historische Charme sehr schnell. Vor allem, weil man mit Animationen gegeizt hat. Auch auf dem Wasser segeln Schiffe statisch umher.
Wenn man später prallgefüllte Kriegskassen hat, schüttet man einen Konkurrenten einfach mit Präsenten zu, bis er freundlich lacht und das Bündnis macht. Anstatt künstlicher Intelligenz gibt`s mathematische Logik. Diese ist wiederum so eroberungskalt, dass ich meine kleine Provinz trotz wilder Kriegstreiberei einfach schutzlos zwischen zwei starken Nachbarn gedeihen lassen konnte – ein Angriff war nie zu befürchten.
Und was ist mit dem Handel, der Religion, der Loyalität des Adels? Das wurde alles in ein leicht durchschaubares System von Abhängigkeiten gequetscht, das so funktioniert: Fördere dieses, dann freut sich jener, baue dieses, dann sinkt dein Ansehen bei jenem. Ein Beispiel: Erhöht die Bodenpacht und die Kasse klingelt, während gleichzeitig die Stimmung der Bauern sinkt – dargestellt durch eine immer dunkler werdende Wolke. Wollt ihr bei den Miesepetern wieder gut Wetter machen, solltet ihr einfach ein paar königliche Höfe auflösen.
__NEWCOL__Fürstlicher Opportunist
Im spielerischen Klartext könnt ihr quasi jeden Tag etwas anderes fördern, damit nicht irgendwann eine der Parteien Adel, Klerus, Bauern, Bürger rebellieren. Eine klare Linie? Langfristige Politik? Alles nicht nötig, denn in Two Thrones weht eure Fahne ganz nach Windrichtung. Das mag praktisch, effektiv und im Sinne Machiavellis sein, aber es raubt dem Spiel die strategische Tiefe. Außerdem stören Übersetzungsfehler, die euch vorgaukeln, dass es im Spiel keine Möglichkeit gibt, den Klerus freundlich zu stimmen – erst ein Blick ins dünne Schwarz-Weiß-Handheft schafft da Abhilfe.
Überhaupt werden Einsteigern zu Beginn mehr Fragen als nötig zugemutet, denn ein Tutorial ist nicht vorhanden. Wer sich mit den anderen Titeln aus dem Hause Paradox nicht auskennt, wird auch viele Dinge zunächst als paradox empfinden.
Seht ihr diesen Ritter in der Picardie? Er präsentiert eine Armee, die sich allerdings nicht zu Pferd, sondern per Balken gen Feind bewegt. Übrigens sehen alle Ritter gleich aus…
Auch hier hilft erst das Handbuch weiter, das einen kleinen Bonuspunkt offenbart: Es gibt tatsächlich einen Multiplayer-Modus über LAN oder das Internet, wo sich bis zu sechs Könige die Ritter auf den Hals jagen können! Aufgrund der schnellen Eroberungen und des leicht zu durchschauenden Spielprinzips kommt hier am ehesten so etwas wie Spielspaß auf. Aber ehrlich gesagt ist eine zünftige Partie Risiko oder eine Old-School-Schlacht North&South befriedigender. Und als Brettspiel hätte Two Thrones ganz schlechte Karten…