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We. The Revolution (Taktik & Strategie) – Eine berechnete Karriere

Alexis Fidèle steckt in einer Zwickmühle: Der Richter muss einen Mann zum Tode verurteilen, um seine eigene Haut zu retten. Denn sollte er ein mildes Urteil fällen, würde er selbst in einer dunkeln Gasse erschlagen werden. Was der Angeklagte verbrochen hat? Er hat Schachfiguren hergestellt, das ist alles. Im Test zu We. The Revolution habe ich gleich mehrere solcher Situationen erlebt – die mich oft seltsam kalt gelassen haben. Woran liegt das?

© Polyslash / Klabater

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Paris zur Zeit der Französischen Revolution: Ludwig XVI. befindet sich am Ende seiner politischen Laufbahn, während sich das neue politische System gegen Kräfte wehrt, die die alte Ordnung wiederherstellen wollen. In diesem aufgeheizten Klima will Alexis Fidèle als Richter Karriere machen, wofür er nicht in seinem Beruf erfolgreich sein muss, sondern auch Intrigen durchleuchten, seinen politischen und gesellschaftlichen Einfluss erweitern und sich sogar um die Familie kümmern.

Der ehrenwerte Richter

Im Mittelpunkt steht dabei seine Arbeit als Richter, denn fast jeden Tag urteilt Fidèle über einfache Leute oder hohe Tiere, die ganz unterschiedliche Delikte begangen haben sollen. Um fair zu sein, muss man dann zunächst herausfinden, ob sich die vermeintlichen Täter wirklich strafbar gemacht haben. Dazu stellt man ihnen Fragen, die Stück für Stück Licht in den Fall bringen. Oft entsteht durch die Antworten ein sehr vielschichtiges Bild, was die Frage nach Freispruch, Gefängnis oder Galgen zu einer schwierigen macht.

Noch kniffliger wird es dadurch, dass man sich die Fragen erst erarbeiten muss, indem man zentrale Stichpunkte der Anklageschrift dem richtigen Thema zuordnet. Ist der betrunkene Zustand eines Angeklagten etwa ein mildernder Umstand, eine Facette seiner Persönlichkeit oder gehört das zum Tathergang? Wer bei dieser Vorbereitung zu oft danebenliegt, kann

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Der wichtigste Bildschirm: der Blick vom Richterpult. © 4P/Screenshot

später nicht alle Fragen möglichen stellen.

Interessant ist auch, dass man den Prozess nicht gedankenlos herunterspulen sollte, da Fidèle außerdem Einzelheiten der Verhandlung wiedergeben muss. Das kann er aber nur dann zuverlässig tun, wenn man ihr aufmerksam folgt. Tut man das nicht, verliert man Ansehen bei verschiedenen Fraktionen…

Ansehen und Einfluss

… und nur darum dreht sich immerhin das ganze Spiel: Man benötigt Ansehen beim einfachen Volk, bei den revolutionären Kräften und auch der Aristokratie. Sinkt es gen Null, wird man nämlich des Amts enthoben oder gar ermordet – Game Over. Man ist also stehts darum bemüht, allen Parteien irgendwie gerecht zu werden, kann sich in Kurzprozessen aber bei jeweils einer Fraktion beliebt machen (auf Kosten mindestens einer anderen) und die Werte auch anheben, indem man die Familie im Auge behält.

Auch die Beziehung zur Ehefrau, zum ältesten Sohn, dem Großvater sowie dem jüngsten Spross ist schließlich mit je einem der vier Werte verbunden. Während es den Opa und die Bourgeoisie ärgert, wenn man sich um die Muse des an Kunst interessierten Nachwuchses kümmert, ist das dem Ansehen bei den Revolutionären jedenfalls zuträglich. An fast jedem Abend hat man mit einer Familienaktivität so die Möglichkeit, einen gefährlichen Verlust an Ansehen zu kompensieren. Schön auch, wenn man am Tag darauf den Zettel mit einer Zeichnung des kleinen Sohns im Tagebuch findet.

  1. Aktuell gerade für Amazon Prime Nutzer kostenlos.
    Habs heute auch direkt mal angespielt, weil ich die geschichtliche Epoche grundsätzlich interessant finde - teile aber das Urteil und die Kritik, das man eigentlich viel mehr darauf achtet wie man Wertemäßig gerade dasteht und dann entsprechend danach urteilt (und vorher noch die Jury entsprechend beeinflusst). Schon ein bisschen Schade, aber die ganzen Balken mit den angezeigten Auswirkungen fordern das echt heraus die eigene Meinung mehr oder weniger zu ignorieren.

  2. Eisenherz hat geschrieben: 05.04.2019 16:18Und genau das ist es wohl, was das Spiel dem Spieler vermitteln möchte; das es eben seinerzeit keine wirkliche Gerechtigkeit gab. In der Zeit der Revolution wurden Menschen zu Monstren, die alles getan hätten, um ihren Kopf und den ihrer Familien zu retten. Und nicht nur damals, denn solches Verhalten erlebte (und erlebt) man immer wieder in der Geschichte.
    Dahingehend denke ich nicht, dass es missglücktes Gamedesign ist, sondern ein geplantes Feature. Die Arbeit, also die Urteile, werden zur Routine, über die man irgendwann nicht mehr wirklich nachdenkt, sondern sie nur noch nach den Auswirkungen auf das eigene Leben abwägt.
    Da hast du grundsätzlich natürlich Recht! Es ist nur so, dass sich das Spiel zu sehr an Zahlen und Werten aufhängt, anstatt sie in etwas erzählerisch Greifbares zu übersetzen. Man bekommt ja keine Morddrohung oder gar eine Drohung, die die Familie betrifft, sondern weiß einfach: OK, Wert wird definitv (!) auf Null fallen, was definitv Game Over bedeutet - es gibt keine Notiz, keine Unterhaltung, kein bekanntes Gesicht, das sich irgendwo zeigt. Dadurch erzeugt man keine Angst vor den Konsquenzen, sondern vermittelt reine Rechenaufgaben, die einen aus dem eigentlichen Spiel reißen.
    Spätestens bei der Familie ist es doch seltsam, wenn Freizeitaktivitäten nichts weiter als Werte für Fraktionen sind, die im Grunde gar nichts mit den Familienmitgliedern zu tun haben. ;)

  3. Das werde ich mir irgendwann bestimmt zulegen. Wunderbares Szenario, unverbraucht und spannend. Ich bin sowieso absolut fasziniert von der Französischen Revolution und habe mir schon immer gewünscht, dass es mal ein Spiel in dieser Epoche gibt. Bitte unbedingt mehr davon, z. B. Mantel und Degen-Spiele :Hüpf:
    Sollte Sekiro mich irgendwann mal aus seinen wunderbaren, grausamen, nervtötenden Klauen entlassen, könnte das hier als Beruhigungsmittel gerade richtig kommen...

  4. Ich interessiere mich inzwischen jedenfalls kaum noch für die Fälle, sondern schaue als erstes in die möglichen Urteile und welche Auswirkungen auf mein Ansehen sie jeweils haben werden. Danach erst schalte ich die Fragen frei und stelle genau so viele der richtigen Art, bis die Jury das gewünschte Urteil fordert.
    Und genau das ist es wohl, was das Spiel dem Spieler vermitteln möchte; das es eben seinerzeit keine wirkliche Gerechtigkeit gab. In der Zeit der Revolution wurden Menschen zu Monstren, die alles getan hätten, um ihren Kopf und den ihrer Familien zu retten. Und nicht nur damals, denn solches Verhalten erlebte (und erlebt) man immer wieder in der Geschichte.
    Dahingehend denke ich nicht, dass es missglücktes Gamedesign ist, sondern ein geplantes Feature. Die Arbeit, also die Urteile, werden zur Routine, über die man irgendwann nicht mehr wirklich nachdenkt, sondern sie nur noch nach den Auswirkungen auf das eigene Leben abwägt.

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