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Lost Records: Bloom & Rage enttäuscht im Test ausgerechnet bei der Story

Das neue Spiel der originalen Life is Strange-Entwickler ist da, aber kann Lost Records: Bloom & Rage überzeugen? Wir verraten es im Test.

Screenshot aus Lost Records versehen mit dem 4P-Testbanner.
© Don't Nod / 4P Screenshot / Adobe Photoshop [M]

4P Podcast #1 Lost Records Bloom and Rage

Von den Entwicklern des ersten Life is Strange kommt nun Lost Records Bloom and Rage

„Die 90er Jahre waren wirklich das letzte Jahrzehnt einer anderen Ära“, hat Michel Koch von Don’t Nod über Lost Records: Bloom & Rage in einem Interview Anfang Februar gesagt. Wie Recht er doch hat: Röhrenfernseher, Tamagotchis, Kobold-Spielzeug mit langen grellen Haaren, Grunge und Punkrock. Was es damals nicht gab? Smartphones und soziale Netzwerke. Stattdessen wurde über Festnetz telefoniert und mit AOL-CD ging es ins Internet.

Warum ich das alles erzähle? Weil eben jenes Lost Records die 90er-Jahre wieder aufleben lässt – es verbindet Coming of Age mit Mystery und Drama. Falls euch das bekannt vorkommt, ist das nicht überraschend: Das Team war in der Vergangenheit schon für die ersten beiden Life is Strange-Spiele verantwortlich. Ob Lost Records daran im Test anknüpfen kann? Nun, das lässt sich derzeit noch nicht in Gänze beantworten.

Lost Records: Bloom & Rage ist atemberaubend schön

Dass Lost Records: Bloom & Rage aus der Feder der Life is Strange-Macher stammt, ist im Spiel von der ersten Minute an spür-, sicht- und hörbar. Serienfans finden sich somit sofort zurecht und ergötzen sich insbesondere an der jetzt deutlich schickeren Optik. Der malerische Artstyle, der schon immer die erzählerisch intensiven Adventures des französischen Studios begleitet hat, kommt dank Unreal Engine 5 weiterhin sehr stark zur Geltung.

Insbesondere die Lichtstimmung ist ein absoluter Hingucker: Wenn die Sonne durch die idyllischen Wälder scheint und nur stichpunktartig den Boden in strahlende Wärme hüllt, ist es gar nicht möglich, sich unwohl zu fühlen. Den größten Sprung stellen jedoch die Gesichter dar, die trotz des künstlerischen Stils lebensecht wirken.

Ganz das Niveau der Mimik aus dem jüngsten Life is Strange wird zwar nicht erreicht, dennoch erkenne ich in meinen Gegenüber oft sofort, wenn sie zweifeln, lachen, wütend oder nachdenklich sind. Selbst die Lippen bewegen sich die meiste Zeit natürlich. Perfekte Synchronität zum Gesprochenen ist jedoch immer noch ein kleines Hindernis.

Teenager in den 90ern

Als Spieler schlüpfe ich die meiste Zeit von Lost Records in die Haut der 16-jährigen Swann, die im fiktiven Örtchen Velvet Cove aufgewachsen ist. Es ist ihr letzter Sommer, denn die Familie plant nach Kanada umzuziehen. Swann ist ähnlich wie Max aus Life is Strange schüchtern, ein gutes Stück introvertiert und verfolgt nicht die üblichen Hobbys. Sie filmt gerne, natürlich stilecht mit einem echten Camcorder, verfügt über ein Terrarium mit einer Stabschrecke namens Asterix und findet die Natur, ob Pilze oder Steine, schlicht faszinierend.

Und noch etwas fällt an Swann sofort auf: Sie sieht nicht aus wie die typische Protagonistin. Das gilt auch für ihre drei Freundinnen, die relativ früh im Spiel zueinander finden: Autumn, Nora und Kat sehen aus wie klassische Teenagerinnen und verhalten sich auch so. Sie alle haben und entwickeln ihre eigene Persönlichkeit und sind weit weg davon, ein idealisiertes Bild wiederzugeben.

Von leichtem Übergewicht, Akne und vielen Sommersprossen; von fehlendem Selbstvertrauen bis hin zur Rebellion gegen die eigenen Eltern und Geschwister: Die kleine Gruppe wirkt in meinen Augen oft lebensecht, insbesondere für Mitte der 90er-Jahre. Als sie später im Spiel zusammensitzen, reden sie nicht primär über Gefühle für Jungs und kichern dabei, sondern es geht um sie. Ihre liebsten Kotz- und Ekelgeschichten. Ihre Träume. Und ja, auch um Sex. Es fallen Witze und Kommentare, aber nur solange, bis es jemandem unangenehm und peinlich wird. Niemand wird innerhalb der Gruppe vor den anderen verurteilt.

Aus der Sicht eines Erwachsenen bleibt bei vielen Gesprächen trotzdem eine Spur Fremdscham über – insbesondere bei den kindischen Beleidigungen, von denen es nicht gerade wenige gibt.