Die Rätsel von Life is Strange: Double Exposure
Diese neuen Kräfte sind aber nicht nur für die Dialoge relevant, sondern werden auch spielmechanisch direkt genutzt. Wobei sich die Komplexität serientypisch bisher in Grenzen hält: Es bedarf nicht vieler grauer Zellen.
In einer Situation muss ich etwa Freund Moses aus der Patsche helfen, der durch eine zugegeben nicht wirklich schlaue Aktion ins Visier der Ermittlung geraten ist. Ziel ist es einen bestimmten Gegenstand, den er in seinem Büro versteckt hält, vor dem wenig mitfühlenden Detektiv zu finden.
Einfach reinspazieren ist nicht, stattdessen muss ich in die Welt der lebendigen Safi wechseln, dort dem anderen Moses nach Verstecken ausquetschen, besagtes Geheimfach finden und es sogar irgendwie hinbekommen, ein riesiges Teleskop durch die Welten zu transportieren. Letzteres sorgt jedoch dafür, dass ich mich selbst verdächtig mache, mir aber nichts nachgewiesen kann – in dieser Welt war ich schließlich nie im Büro. Dennoch zieht besagter Detektiv mich unangenehm zur Seite und stellt mich vor eine Entscheidung, die Konsequenzen nach sich zieht. Wie stark sich diese auswirken, lässt sich aber anhand der ersten zwei Episoden noch nicht sagen.
Optisch: Schick, aber mit deutlichen Macken
Abseits der Rätsel darf ich mit Max auch wieder ausgiebig die Umgebungen erkunden, wobei sich das bisher vor allem auf die Universität selbst bezieht. Überall finden sich verschiedene Gegenstände oder Situationen, die die junge Erwachsene wie gehabt kommentiert. Hin und wieder darf ich auch Fotos machen, die anschließend ihren Weg ins fiktive soziale Netzwerk finden. Sogar für einen Schnabeltier-Newsletter kann ich mich anmelden. Und natürlich dürfen die üblichen Collectibles nicht fehlen, die jedoch bislang an sehr offensichtlichen Orten platziert sind.
Aber egal, ob ich gerade dabei bin, den Mordfall von Safi weiter zu untersuchen, mich den billigen Annäherungsversuchen eines schmierigen Dozenten-Kollegen erwehre oder einfach nur auf der Bank die Ruhe genieße: Life is Strange: Double Exposure sieht dank der Unreal Engine 5 wirklich gut aus, ohne dabei den typisch sanften und beruhigenden Look der Reihe vermissen zu lassen. Hinzu kommen technisch schicke Spielereien: Wenn Max in den Raum hineingreift und im wahrsten Sinne des Wortes das Portal zur anderen Seite aufreißt, ist das die ersten Male ein kleiner Hingucker.
Leider trüben aber einige Fehler die sonst so visuell schöne Welt: Manch unbeteiligte NPCs fallen durch arg hüftsteife oder sogar komplett fehlende Animationen auf, manchmal bewegen sie auch nur ihre Münder, aber geben keinen Ton von sich. An anderer Stelle unterbricht Max mit ihren eigenen Gedanken einen Dialog, den ich ohne eingeschaltete Untertitel sonst gar nicht mehr verstanden hätte. Wieder in einer anderen Szene wird ein eigentlich verschlossener Aktenkoffer mir bereits geöffnet angezeigt oder mitten in der Episode wechselt Maxs Haarfarbe, um zwei Minuten später wieder normal auszusehen.
Von Outfit bis Soundtrack
Überhaupt wirkt die technische Seite noch nicht so ausgereift: Bevor ich in die jeweilige Episode starte, lande ich in einem Menü, wo ich zwischen verschiedenen Outfits wählen kann. Eine nette Idee, dessen Umsetzung aber im Vergleich zum restlichen Spiel ein wenig lieblos wirkt: Es gibt keine Hintergrundmusik und der Übergang wirkt sehr abgehakt. Fast so, als hätte man die Umsetzung erst kurz vor Abgabe in Angriff genommen und wurde dann nicht mehr fertig.
Bis zum finalen Release des vollständigen Spiels am 29. Oktober bessern die Entwickler*innen hoffentlich noch einmal nach, um die kleinen Fehlerchen, die in ihrer Häufigkeit dann doch ein wenig die Immersion schädigen, aus der Welt zu schaffen.
Woran außerdem gearbeitet werden sollte? An der Bereitstellung der passenden Playlist für den Musikstreaming-Dienst meiner Wahl. Denn der Soundtrack von Life is Strange: Double Exposure ist erneut eine Wohltat für die Ohren. Egal ob sanfte, dem Winterfeeling angepasste Gitarrenklänge oder ein stimmiger Indie-Song – alles harmoniert perfekt. So wie es in einem Life is Strange auch sein sollte.
Vorläufiges Fazit:
Anhand meiner Kolumne kurz nach der Ankündigung von Life is Strange: Double Exposure konnte man schon erahnen, dass ich einer Fortsetzung von Maxs Geschichte nicht allzu offen stand. Aber nicht nur die Prämisse war mir ein Stück weit ein Dorn im Auge, sondern vor allem die Marketing-Strategie von Square Enix. Ein 14-tägiger Vorabzugang für ein storybasiertes Spiel ist harter Tobak – dabei bleibe ich.
Rein inhaltlich schlägt sich Life is Strange: Double Exposure jedoch bislang besser als von mir erwartet – einige Bedenken hinsichtlich der Verknüpfungen zum ersten Teil haben sich zum Teil in Luft aufgelöst. Die Geschichte wird insbesondere in der zweiten Episode immer spannender und es macht Spaß, über das wie und weshalb zu spekulieren. Hinzu kommt der herrliche Soundtrack, der mir direkt im Ohr geblieben ist.
Allerdings sind auch noch viele Fragen unbeantwortet: Wie entwickelt sich die Story? Haben die Entscheidungen tatsächliche Konsequenzen? Wird die emotionale Bindung zu den neuen Charakteren, insbesondere Moses und Safi, noch intensiver? Wie stark wirken sich Maxs neue Kräfte aus? Und vor allem: Schaffen es die Entwickler*innen spätestens zum vollständigen Release die Technik glattzubügeln? Ich bin gespannt auf die restlichen drei Episoden und hoffe, dass Deck Nine auch dort den hohen Erwartungen gerecht werden kann.
Hinweis: Die PC-Preview-Version von Life is Strange: Double Exposure wurde uns vom Publisher zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme auf die Berichterstattung gab es nicht, es bestand keine Verpflichtung zur Veröffentlichung.