Das klingt zwar ein wenig nach Rhetorik à la BioWare, entfaltet schwarzhumorigen Charme (man kann sich z.B. als gnadenloser Stasi-Agent aufführen und mit langsamen Anschuldigungen beginnen, um dann mit Folter & Co zu drohen), aber ist in seiner Konsequenz selten nachvollziehbar oder gar logisch, zumal man in der Auswahl manchmal Namen oder Anspielungen findet, die man beim ersten Durchspielen noch gar nicht einordnen kann. Außerdem wiederholen sich viele Antworten und die Angesprochenen zeigen mit ihren statischen Portraits natürlich weder eine sichtbare Mimik wie etwa in L.A. Noire noch findet man im Vorfeld Hinweise auf ihren Charakter. Letztlich laufen diese Dialog-Minispiele also auf Trial & Error hinaus.
Das ist allerdings Teil des Prinzips und nicht so frustrierend wie es klingt, denn ihr könnt ja die Zeit manipulieren: Damit lassen sich nicht nur einzelne Antworten, sondern ganze Gespräche und Situationen zurückspulen – wobei euer Zustand sowie eure Erkenntnisse über Karte und Ziele vorhanden bleiben können. Aber je weiter und umfassender ihr diese coole Fähigkeit nutzt, desto mehr kostet sie. Ihr startet mit einem kleinen Budget an Zeiteinheiten (TR), das ihr z.B. über die Erkundung unentdeckter Räume während der Mission auffüllen könnt. Ihr könnt es auch zum leisen (aber ohne Minispiel leider immer automatisch erfolgreichen) Hacken von Türen, Waffenscannern oder Computern einsetzen, damit ihr mit der Wumme keinen Alarm aulöst oder euch Drohnen nicht attackieren. Aber Vorsicht: Wer gut haushaltet und TR spart, kann diese im Shop zwischen den Missionen für Ausrüstung und Fähigkeiten ausgeben.
Taktische Action und coole Wiederholungen
Apropos Anmache – und Unlogik: Im Ost-Berlin der Zukunft scheint es nur Männer zu geben, die nicht nur im kollektiven Pulk nackt auf der Tanzfläche schwofen, sondern selbst als bewaffnete Türsteher oder gar Aufseher so geil sind, dass man sie mit
ein paar anzüglichen Sprüchen aus Sicherheitsbereichen wegflirtet; selbst als halber Mech. Steigert man in den Fähigkeiten die Pheromonausschüttung, kann man das Flirten nochmal effizienter gestalten, was es viel zu einfach macht. Selbst wenn man seinen Weg durch einen Club mit Leichen pflastert, steht irgendwo ein Blödmann, der sich noch überzeugen lässt. Zwar reagieren die Wachen auf Geräusche und Sicht, holen auch Verstärkung, aber innerhalb eines dieser kleinen Clubs wird kein universeller Alarmzustand ausgelöst. Da drückt man einige Augen zu, damit man sich langsam vorkämpfen kann.
Aber dafür gehört die Rundentaktik zu den großen Stärken. Ihr habt kein Bock auf die blöde Anmache? Kein Problem: Wenn man seine Waffe zieht, wechselt das Spiel in pausierbare Echtzeit. Und sobald man Projektile fliegen lässt, entfaltet das Spiel seine Potenziale, denn man fühlt sich wie bei einem XCOM auf Speed. Das macht richtig Laune, denn man muss gut auf seine Gesundheit achten und möglichst wenig Treffer einstecken, während man auch Teile der Umgebung in Kleinholz schießen kann. Man kann hinter halber oder voller Deckung Stellung beziehen, um seine Feinde mit diversen Waffen ins Visier zu nehmen. Sehr schön ist, dass man seine Position über kleine Sprints wechseln und auch mal geduckt abwarten oder nachladen muss, bis die Kugeln an einem vorbei gerauscht sind; erst dann sollte man zurückschießen. Es ist nicht die taktische Tiefe, die so unterhält, aber es entsteht ein angenehmer freier Flow aus Kopf runter und Feuer frei, bei dem es je nach Marschroute anders ausgehen kann. Zwar sind die normalen Wachen mit zwei, drei Schüssen erledigt, aber schon bald kommen geisterhafte „Spectre“ hinzu, die für kurze Zeit unsichtbar werden. Und falls es mal nicht klappt? Die Zeit zurückspulen! Das Beste ist die Zusammenfassung nach einem Kampf, die alle Aktionen in einem Minifilm zeigt – so kann man sich an seinen erfolgreichen Schussduelle nochmal aus anderer Perspektive ergötzen.
Allerdings hält der Reiz nicht all zu lange an, denn viele Kulissen, Motive und vor allem Figuren wiederholen sich – zumal man auch nie nach West-Berlin kommt. Das Missionsdesign ist recht einseitig, aber die Clubs werden jedesmal prozedural aufgebaut, so dass der Wiederspielwert steigt. Zwar kann man die Kamera frei bewegen und zoomen, aber gerade das Drehen ist nervig: Erstens funktioniert es nur über Q und E, nicht über die Maus; zweitens erfolgt es nur in ruckartigen Schwenks., die nicht immer zu einem optimalen Ergebnis führen. Das bringt unnötig Unruhe in das Spiel, das aufgrund der teilweise mit Figuren voll gestopften Clubs ohnehin nicht sehr übersichtlich ist. Allerdings darf man nicht vergessen, dass auch dieses Chaos und der Weg zum Ziel samt Flucht zum Auto zu den Herausforderungen gehört – deshalb lohnt es sich ja auch, Mauern mit einem Schlag einzureißen.
Gerade bei solchen Low-Budget-Projekten wird oft auch die Community eingespannt, zu übersetzen. Günstigstenfalls gegen eine Nennung in den Credits oder einen Obolus. Aber dazu müssen alle Textzeilen offengelegt werden, was oft auch Arbeit bedeutet oder vielleicht auch gar nicht gewünscht wird. Das ist dann wie mit Bink&Smacker bei Panzer General 3D alle Missionsvideos im Gameverzeichnis anzuschauen statt die Kampagne zu spielen.
Um mal eine Lanze für die Entwickler, die ich selbst kennengelernt habe, zu brechen.
Du musst Dich am Start einer Entwicklung entscheiden, in welcher Sprache Du die initiale Version erstellst. Natürlich nimmt man Englisch, da das Dein Absatzmarkt auf Steam ist (man merke es gibt vom Spiel keine Retail Version!).
Vielleicht spricht auch der ein oder andere Entwickler nur Englisch? Wäre doch dumm, wenn der nicht sein eigenes Spiel versteht . In Berlin soll es ja durchaus nicht nur deutschsprechende Arbeitnehmer geben .
Dann kommt der Zeitfaktor dazu. Du schiebst mögliche Lokalisierungen natürlich ans Ende, da Du nicht immer Nach-Lokalisieren möchtest, wenn du mal was änderst. Am Ende geht jedoch Zeit oder Geld aus. Das Spiel muss raus, weil sonst biste Pleite.
Drittens kostet eine Übersetzung viel Geld. Bei z.B. 80.000 Wörten im Minimum 6000-7000 Euro.
Das muss Du dann aber auch parallel zu Englisch einbauen. Ergo fällt ein Umbau an, und QA.
Ob sich die Investition lohnt ist fraglich. Gibt es genügend Leute, die nur Deutsch verstehen (wollen) und dieses Spiel kaufen?
Bei 6,99-10 Euro Verkaufspreis erhällt der Entwickler vielleicht die Hälfte. Sagen wir mal 5 Euro.
Dann brauchst du mindestens 1400 Käufer für die deutsche Version!
Meine These, die findest Du nicht .
Zumal man dann, mit der übersetzten Version, noch keinen Cent verdient hat!
Und nur zur Vollständigkeit: Ich werde mir All Walls Must Fall nicht kaufen. Nicht wegen der Texte, sondern weil mich das Spiel nicht interessiert.
Im Grunde sollte es jedem Entwickler (auch deutschen) freistehen eine deutsche Sprachunterstützung anzubieten oder eben nicht (früher war das allerdings tatsächlich obligatorisch, weil die Spiele dann oft auch in Deutsch entwickelt wurden, z.B. Anno, Siedler, DSA, Gothic, etc.).
Was im Falle von "All Walls Must Fall" aber ein wenig irritiert ist die Tatsache, dass sie mit deutschen Steuergeldern in Höhe von 70.000 Euro gefördert wurden. Hier dann im Gegenzug den heimischen Markt und damit auch die eigenen Förderer nicht adäquat zu bedienen ist schon ein wenig unglücklich.