Wie z.B. bei einer Mission, als man von einer jugendlichen Freundin, die ebenfalls auf der Startinsel Kefalonia festhängt, gebeten wird, eine Familie zu retten, die in einem von einer Seuche bedrohten Dorf wohnt. Nachdem man sie gefunden hat, muss man feststellen, dass Priester sie im Rahmen des Seuchenschutzes töten möchten. Die Familie jedoch betont, dass es ihr gut gehe und sie keinerlei Krankheitssymptome verspüre – obwohl sie die letzten Überlebenden sind. Ein Gespräch später habe ich mich dafür entschieden, sie zu retten. Und das Ergebnis war positiv: Die jugendliche Freundin Phoibe, die einem immer wieder über den Weg laufen wird, freut sich, wieder eine Spielkameradin zu haben. Alles ist schön. Doch ein paar Spielstunden später bekomme ich von einem Vertrauten die Mitteilung, dass ich nach Kefalonia zurückkehren müsse. Eine Seuche hat von der gesamten Insel Besitz ergriffen, der Ausgangspunkt sei eine Familie gewesen, die von einem Söldner gerettet wurde. Autsch! Dass man etwas später mit der historisch verbürgten Attischen Pest konfrontiert wird, die eine entscheidende Rolle sowohl im Peloponnesischen Krieg als auch in der Odyssey-Welt spielt, sorgt für ein zusätzliches schlechtes Gewissen. Doch Ubisoft geht es hier nicht um richtige oder falsche Entscheidungen. Weder hier noch bei allen anderen, mitunter schwerwiegenden Konsequenzen, die man durch seine Antworten oder sein Verhalten beeinflusst, wird ein Wertesystem angelegt. Die Bewertung liegt im Ermessen des Spielers. Wichtig ist nur, dass es Reaktionen geben wird, die einen als Spieler berühren und immer wieder zum Nachdenken bringen und selbst die Entscheidung, sich als (Halb-)Gott auszugeben nicht zu einer Selbstverständlichkeit verkommen lassen.
Familie ist alles
Ob man sich jetzt als ruchloser Söldner präsentiert, versucht, die Gesellschaft und Demokratie zu verteidigen oder sich als spartanischer Racheengel zeigt, der alle Entscheidungen dem Familienschicksal unterordnet, bleibt einem selbst überlassen. Es gibt keine Sackgassen. Aber dafür Missionsreihen, die sich je nach vorherigen Aufgaben oder Gesprächsverlauf öffnen oder schließen können und dadurch das Spielerlebnis im Detail beeinflussen. Und je nachdem, welche Entscheidungen man im Laufe der persönlichen Odyssee trifft, gibt es hinsichtlich der Familiensaga diverse unterschiedliche Enden. Schade ist allerdings, dass die Qualität bei Gesprächen und Missionsdesign über die gesamte Spieldauer mitunter starken inhaltlichen Schwankungen unterworfen ist. Alles, was mit der Hauptfigur zu tun hat – und das schließt immerhin drei groß angelegte, sich häufig überschneidende Questreihen ein, die sich auch um den Kult des Kosmos oder die erste Zivilisation drehen – wird gut bis großartig erzählt, bietet häufig wechselndes Missions-Design und ist clever mit der Spielwelt verbunden. Die vergleichsweise seltenen normalen mehrstufigen Missionen, die man finden kann, stehen dem kaum nach. Dann gibt es jedoch auch viele Standard-Aufgaben, die dramaturgisch nur eine untergeordnete Rolle spielen, aber wenigstens noch solide inszeniert werden und eigentlich nur dazu da sind, um dem Spieler Erfahrung und Gegenstände zu spendieren. Alle, die sich nicht als durch Diablo gestählte Jäger und Sammler sehen, werden hier beginnen, die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.
Und zu guter Letzt kann man sich die Zeit noch mit dem vertreiben, was ich als „Fast-Food-Quests“ bezeichne. Sie sind nur integriert, um dem Spieler die nötige Erfahrung für den/die nächsten notwendigen Levelaufstiege zu geben, damit man schließlich die Hauptgeschichte fortsetzen kann. Dazu gehören die zig nur durch die Art der Gegner variierenden Aufgaben wie die Lager, bei denen man die Anführer töten und Schatztruhen räumen muss. Oder die Höhlen, die von unterschiedlichen Raubtieren bevölkert werden und die als „erledigt“ gewertet werden, wenn man das Alpha-Tier getötet hat. Gleiches gilt für die Gewölbe, die meist von Banditen bevölkert werden, die wiederum eine weitere mit Wertgegenständen sowie Drachmen bestückte Truhe bewachen. Gerade diese Aufgabentypen hätte man durchaus weglassen können, da sie das erzählerische Gesamterlebnis verwässern, das für Ubisoft im Fokus stand. Mit den Grabmalen, die ähnlich denen in Origins strukturiert werden, lehnt man sich an die Tomb-Raider-Tradition an und präsentiert verfallene Tempel, in denen immerhin ein paar passable Umgebungsrätsel und Gefahren wie Stachelfallen oder Schlangen in der Dunkelheit warten. Als Belohnung winkt hier ein Fähigkeitenpunkt, die man gerade im späteren Spielverlauf dringend benötigt, um seine aktiven oder passiven Eigenschaften und Aktionen auf ein Niveau zu bringen, das einen vernünftigen Vergleich mit den wartenden Gegnern erlaubt. Es ist bedauerlich, dass Ubisoft nicht auf seine erzählerische Stärke vertraut und das Balancing entsprechend angepasst hat. Denn in den entscheidenden Momenten sind sowohl Dramaturgie als auch Drehbuch, das variierende Erzähltempo sowie mit wenigen Ausnahme auch die virtuellen Darsteller absolut überzeugend, so dass der banale Grind-Leerlauf eigentlich nicht nötig wäre. Dementsprechend stehe ich den Aufträgen, die man sammeln kann und die teils täglich, teils wöchentlich ablaufen und ersetzt werden, ambivalent gegenüber. Sie nutzen sich auf Dauer ab, sind aber nahezu ideal geeignet, wenn man nur ein paar Minuten im antiken Griechenland zubringen will. Und sie sind ein Zeichen dafür, dass Ubisoft den Gedanken von Spielen-als-Service auch hier konsequent weiter verfolgt – auch ohne den obligatorischen Season Pass, der zukünftig neue Missionslinien hinzufügen wird.
Friedensschlachten und Seegefechte
Denn es gibt auch ohne diese mehr als genug zu tun. Man kann für Artemis besondere Fauna jagen oder sich daran versuchen, mythische Legenden wie die Hydra zu besiegen. Es gibt abermals Schriften mit kryptischen Hinweisen auf Schauplätze mit besonderer Beute, die es zu entschlüsseln gilt. Man kann in der Arena um Ruhm und Ehre kämpfen und so seinen Ruf als unbesiegbarerer Krieger zementieren und vieles mehr. Angesichts der enormen Fülle an Aufgaben ist es nicht selbstverständlich, dass einem Odyssey immer wieder die Möglichkeit gibt, die hoch ansehnliche Landschaft mit ihrer sorgsam recherchierten Architektur, den Statuen, Wäldern, Gebirgen, Seen und vielem mehr in sich aufzusaugen und die vor allem mit HDR entstehenden Lichtstimmungen zu genießen. Nach einem Kurzauftritt in Origins feiert die mit Black Flag zu enormer Beliebtheit aufgeschossene Seefahrt eine beeindruckende sowie vollwertig integrierte Rückkehr. Natürlich liegt es nahe, sich in der Ägäis hauptsächlich mit der Triere von Insel zu Insel zu bewegen. Man schaltet zwar bei der Erforschung der Landmassen immer wieder Schnellreisepunkte frei. Die dafür notwendigen Kletterpartien sind eine Verbeugung vor den Türmen, die man serientypisch erklimmen muss und vergrößern nebenbei auch noch den Erkennungsradius von Adler Ikaros. Doch ich habe mich immer wieder dabei ertappt, dass ich lieber die zeitlich aufwändigere Reise mit meinem Schiff „Adrestia“ in Angriff genommen habe. Was sicherlich auch teilweise dafür verantwortlich war, dass ich die Story erst nach über 60 Stunden beendet habe -selbstverständlich sind noch genug Aufgaben unbearbeitet, um einen erneuten Abstecher nach Griechenland zu rechtfertigen. Doch die Intensität der jetzt schneller ablaufenden arcadigen Seeschlachten, dazu die Möglichkeit, sein Schiff aufzurüsten und mit Offizieren zu versehen, die man aus nahezu allen Figuren rekrutieren kann, denen man begegnet – das alles sorgt dafür, dass ich selbst die auf Dauer nervenden griechischen Shanties ignoriere und gerne mit der Adrestia durch die Ägäis schippere. Probleme wie die etwas zu häufig auftauchenden Delfine oder Wale sowie die allgemein etwas zu hohe Frequenz an Schiffsverkehr (es sind Spartaner, Athener, Händler, Piraten und Kultisten unterwegs) teilt man sich mit Black Flag. Auch dort habe ich es zwar als störend, aber nicht gravierend die Wertung beeinflussend empfunden.
Mich hat es am Ende komplett erschlagen. Ich kann mich auch nicht damit anfreunden ein Spiel ein Jahr später wieder zu spielen, wenn Add-Ons kommen. Letztlich hat es mich 187 Stunden gekostet um alles abzuschließen inkl. aller Achievements. Als Komplettierer war das eine schlimme Erfahrung. Bin froh, dass ich damit endlich durch bin. Da muss mehr Abwechslung rein...
Hallo
Klarer Fall von Verklärung in der Retrospektive. Oder früher war alles besser. Sogar der Journalismus.
Christoph
Die ersten drei Teile waren damals echt gut und haben mit ner interessante Story / Charakteren geglänzt, auch technisch beeindruckend wenn man ZB. die gesamte Welt überschauen konnte (Trotz nervendem Tearing Effect den sie erst viel später weg bekamen. Naja nur ein Detail am Rande, unwichtig)
Kann mich noch erinnern wie teilweise euphorisch die Magazine waren damals und wie gekünstelt es heute wirkt einem stagnierendem Spiel, das eigentlich sich immer verschlechtert hat anstatt zu verbessern, immer noch solch hohe Wertungen zu verpassen....Wie sich die Zeiten ändern und der Journalismus.
Damals vom innovativem Geist mehrere Kulturen verpflichtendes "Must have" Spiel, verkommen zum "Wir brauchen jede 6 Monate einen anderen Teil, vergesst worum es früher ging" "Trotz Stagnation Millionengewinne und wohlwollende Wertungen großer Magazine"!
Tut ein bißchen weh es zu wissen wenn man von Anfang an dabei war und das Produkt gerne unterstützt
hat. Bin inzwischen froh nicht mehr zur Zielgruppe zu gehören
Endlich habe ich mich getraut zuzuschlagen. Im aktuellen SALE auf der Xbox One X für knapp 20.- finde ich es den Preis absolut wert! Es hat mich gepackt. Die Grafik ist in meinen Augen kein Augenöffner, aber für so eine grosse Welt wunderschön und Griechenland ist mir als Feriendestination sehr gut bekannt, ich mag das Feeling.
Eigentlich war ich mit der AC Serie durch, aber Odyssey fühlt sich ja mehr nach Action RPG an als nach einem Schleich und Meuchel Spiel. Ich konzentriere mich voll auf Krieger und das Schleichen ist bei mir nur zweitrangig. Sehr schön! AC als History-Action-Serie welche den Fokus vom Attentäter-Setting wegnimmt, gefällt mir.
Etwas erstaunt war ich, dass sich das Spiel an manchen Stellen wie ein "The Witcher 3" anfühlt. Da hat sich Ubisoft aber stark vom CDPR Titel inspirieren lassen. Und der Witcher hat mich nie zu 100% gepackt, irgendwie war mir das Spiel an manchen Stellen zu sperrig und das bereits ausgelutschte Mittelalter-Setting, welches gefühlt jedes zweite RPG mitbringt auch etwas zu langweilig.
AC: Odyssey gefällt mir da durchaus besser, auch wenn es natürlich mehr casual ist. Aber für einen Gelegenheits-Zocker wie mich, daher eigentlich perfekt. Schönes Spiel.