Hoher Aufwand, zu wenig Zeit
Das klingt so alles ziemlich negativ, deshalb möchten wir das noch näher erläutern. Um einen totalen Reinfall wie bei The Lord of the Rings: Gollum handelt es sich hier nämlich nicht, trotzdem hat uns das Spiel insgesamt eher
enttäuscht, vor allem vor dem Hintergrund der guten Ideen, die sie offensichtlich hatten.
Ein großes Problem ist das Balancing, denn viele der Bosse und großen Gegner sind auf dem normalen Schwierigkeitsgrad zu hart. Und das nicht auf eine gute, herausfordernde Art wie bei den Soulsborne-Titeln, sondern weil sie viel zu stark austeilen und zu wenig einstecken. Das Problem ist Deck13 bekannt und soll, genau wie einige andere Schwächen wie beispielsweise nachladende Texturen, bereits mit einem Day-One-Patch behoben werden. Diese Tatsache hat uns den Test in doppelter Weise erschwert. Wir können schließlich nur das beurteilen, was wir vor uns haben, und auch wenn es ein gutes Zeichen ist, dass das Entwicklerteam bereits an der Behebung arbeitet, wissen wir natürlich nicht, ob das Ganze sich mit dem Update wirklich verbessert oder noch eine längere Zeit der Überarbeitung nach sich zieht. Das wird sich also erst nach dem Release zeigen.
Zudem sehen wir es als schlechtes Omen an, dass so kurz vor der Veröffentlichung noch so wesentliche
Elemente korrigiert werden müssen. Dass Spiele auf den Markt kommen, bevor sie richtig fertiggestellt wurden, ist mittlerweile leider keine Seltenheit mehr, doch allzu große Änderungen sollten zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr nötig sein. Atlas Fallen wurde außerdem bereits um mehrere Monate nach hinten verschoben, jedoch wäre anscheinend noch mehr Zeit nötig gewesen, wie sich an vielen Stellen bemerkbar macht. Denn das Spiel leidet zum jetzigen Zeitpunkt unter einigen Fehlern, die zwar nicht die Spielerfahrung zerstören, in der Summe allerdings frustrierend sind. In der Ferne ploppen Elemente aus der Welt auf, es gibt – sowohl in hektischen als auch ruhigen Momenten Einbrüche in der Bildrate, im Menü lassen sich neue Quests erst nach mehrmaligem Drücken des Knopfes aktivieren und manchmal verhakt sich die Spielfigur in großen Gegnern.
Letzteren scheint es außerdem selbst nicht allzu gut zu gehen, denn gelegentlich können sie sich ohne äußeren Einfluss für ein paar Sekunden nicht mehr bewegen. Außerdem blieb der gewählte Kasten nach der Auswahl einer Dialogoption bis zum Ende des Gesprächs auf dem Bildschirm, auch wenn das Thema bereits ein anderes war. Die Grafik ist ebenfalls so eine Sache, von der gestalterischen Kreativität mal abgesehen: Manches sieht auf der PlayStation 5 ziemlich schick aus, anderes eher matschig. Die Ladezeiten könnten ebenfalls kürzer ausfallen.
Halt doch einfach mal die Klappe!
Unterbricht man jemandes Voice Line, indem man zum Beispiel das Menü öffnet, beginnt er danach von vorne und das so lange, bis er seinen Satz erfolgreich zu Ende gebracht hat. In einem der Bosskämpfe, in dem Kommentare eines anwesenden Soldaten zu hören waren, hat dieser bei einem unserer Versuche alle paar Sekunden immer wieder „Erledige es!“ gerufen, was irgendwann nicht nur an den Nerven, sondern auch der Konzentration zerrt; alles Probleme, die man mit etwas mehr Zeit vermutlich in den Griff gekriegt hätte.
Und dann gibt es da noch generelle Designentscheidungen, die den Gesamteindruck abschwächen. Dazu zählt zum Beispiel die Synchronisation der (weiblichen) Protagonistin, die absolut emotionslos und monoton klingt. Oder die Tatsache, dass Nyaal dieselben paar Sprüche immer wieder benutzt, während man in der Welt
unterwegs ist. Seine Lizenz zum Labern würden wir ihm nicht nur deshalb gerne wegnehmen, sondern vor allem weil er alles kommentiert und einem somit manches vorwegnimmt.
Wenn euch Aloy in Horizon Forbidden West mit ihrem Gequatsche genervt hat, wird es euch hier nicht besser gehen. Denn genauso verhält sich Nyaal, nur noch etwas schlimmer. Er kündigt den Amboss an, bevor wir ihn gesehen haben, verrät uns, wie wir am besten diese Ruine erklimmen, ohne dass wir uns selbst ein Bild davon machen konnten. Er sagt uns, wenn wir eine andere Rüstung wählen sollten, und dass wir nun genug Material haben, um einen neuen Essenzstein herzustellen. Seine eigenen grauen Zellen anstrengen? Fehlanzeige.
Lassen wir die technischen Schwierigkeiten außer Acht und fokussieren uns auf das Gameplay an sich, so scheint Atlas Fallen sich auf das Kampfsystem konzentrieren zu wollen und den Rest des Spiels zu vernachlässigen. Das allein reicht aber nicht aus, um ein interessantes Erlebnis zu schaffen. Besonders schade daran ist, dass der Wille und die Ideen offensichtlich vorhanden waren, und es im Endeffekt an der Umsetzung gescheitert zu sein scheint. Potenzial hatte der Titel auf jeden Fall.
Btw falls es wen interessiert, das Spiel ist auf Steam jetzt schon im aktuellen Focus Sale mit 30% Rabatt.
All zu schlecht kann das Geschmäckle also nicht gewesen sein.
https://www.4players.de/4players.php/sp ... rplan.html