Willkommen in der Steinzeit
Da führe ich meine Sumerer über 300 Runden tapfer aus der Steinzeit ins Atomzeitalter, nur um dann wieder dorthin zurückgebombt zu werden. Nein, nicht von einer Artillerie oder schweren Fliegern, sondern vom dämlichen Verhalten meiner Mitstreiter und den beschränkten außenpolitischen Möglichkeiten. Dieses Civilization 6 frisst zwar meine Zeit wie anno dazumal, weil es natürlich viele klassische Stärken und überraschend viele frische Impulse bietet. Außerdem unterscheiden sich die zwanzig Völker deutlicher, weil sie nicht nur Spezialeinheiten und -gebäude, sondern auch eigene Missionen oder Effekte besitzen, die einen bestimmten Spielstil unterstützen. Aber dieser sechste Teil strapaziert gerade im letzten Spieldrittel meine Geduld. Firaxis hat zwar KI sowie Diplomatie um sinnvolle Facetten ergänzt, aber nicht nachhaltig in den für die Langzeitmotivation entscheidenden Bereichen. Es fehlt eine konsequentere Entwicklung des strategischen Gegnerverhaltens, so dass man immer wieder den Kopf schütteln muss.
Warum erklären mir die direkt benachbarten, dazu militärisch hoffnungslos unterlegenen Engländer den Krieg, obwohl ich seit hundert Jahren Handel mit ihnen treibe und sie mir gerade eben noch freundlich gesinnt waren? Wieso greifen sie meinen ungeschützten General nicht an, obwohl er meinen Truppen wichtige Kampfboni bringt? Warum lassen sie ihren General weit weg von der Front? Noch dümmer: Sie lassen ihre einzigen starken Truppen auch noch übers Meer zu meiner Küste übersetzen, obwohl doch in der Bucht meine Zerstörer warten, vor denen sie auf dem Landweg nichts befürchten müssten. So würden nur lebensmüde Lemminge den Brexit forcieren!
Diplomatie ohne Tiefgang
Nach etwa fünf Runden Krieg bittet Königin Victoria um Frieden – ich lehne ab, besetze London, dazu alle anderen Städte und es gibt einen Widersacher weniger. Dabei wollte ich gar nicht militärisch, sondern kulturell oder wissenschaftlich mit der Reise zum Mars siegen. Aber abgesehen von Handel, Denunziation, Allianzen & Co bietet einem die rudimentäre Diplomatie kaum strategische Langzeitmotivation, um qualitative Bündnisse inkl. Embargo oder Nichtangriffspakt zu schmieden – deshalb kann man weitgehend sein Süppchen kochen, ohne auf die anderen einzugehen. Es ist nicht so, dass man gar nichts verhandeln kann: Man kann z.B. dauerhafte Botschaften, gemeinsame Forschung oder Verteidigung festlegen. Aber oftmals wird einem ohnehin ohne plausiblen Grund der Krieg erklärt, obwohl man vielleicht vor einigen Runden aufgrund derselben Religion noch offene Grenzen sowie Handel etabliert hat und sogar verbündet war.
Ja, Civilization bietet sieben Beziehungsstufen von feindlich bis freundlich, aber ich vermisse mehr Nachvollziehbarkeit und vielleicht einen gemeinsamen Tisch aller Zivilisationen inklusive der aktuellen Beziehungen und Verbindungen in Form von farbigen Linien. Sinnvoll wäre es z.B., wenn man hier alle x Runden eine Art außenpolitische Konferenz hätte, bei der die Beteiligten ihre wichtigsten Anliegen inklusive möglicher Kriegsgefahr verdeutlichen. Zwar gibt es einen lobenswerten Unterpunkt „Diskutieren“, aber dort kann ich lediglich fordern, dass z.B. keine Städte oder Missionare in meiner Nähe gebaut bzw. aktiv werden sollen.
Es gibt klare Defizite in der einfachen Kommunikation: Warum kann ich fremde Truppen auf meinem Gebiet nicht anklicken und von ihrem Anführer den sofortigen Rückzug fordern, wie es auch die KI tut? Warum kann das nach drei Runden nicht zu einem verständlichen Kriegsgrund werden? Eigentlich müsste ich schon Annäherungen von vielen Truppen an meiner Grenze diskutieren können. Auch die an sich sehr nützlichen Stadtstaaten lassen sich abgesehen vom automatisierten
Handel nicht diplomatisch einsetzen, um z.B. Druck über Boykotte oder Überfälle auszuüben. Zwar folgen sie mir in den Krieg, wenn ich ihr Suzerän bin, aber wenn ich dann nicht jede Einheit gegen einen Aufpreis selber bewege, sind sie militärisch nicht zu gebrauchen – sie sichern auch die Handelswege zu ihnen nicht konsequent ab.
Civilization will ein „globales“ Strategiespiel sein, aber wenn man alleine gegen die KI spielt, erkennt man noch immer zu wenig übergeordnete Pläne, die aus der eigenen Macht resultieren. Sprich: die Zivilisationen verfolgen zwar bestimmte Siegziele, aber diese sowie die Außenpolitik werden nicht spürbar an den aktuellen Status quo angepasst. Sonst hätten die Engländer übrigens Folgendes versuchen müssen: Eine Allianz mit meinem anderen, militärisch starken Nachbarn wie Russland bilden, um die Beute danach aufzuteilen! Sie hatten sogar im Gegensatz zu mir dieselbe Religion. Die Russen lassen mich übrigens England, dann Norwegen und alle anderen kleineren Nationen ohne Eingriff besiegen.
Was bedeutet das für den Schwierigkeitsgrad? Falls ihr die Serie kennt, solltet ihr auf keinen Fall in der zu einfachen vierten Standardstufe „Prinz“, sondern mindestens auf „König“ oder besser auf der sechsten von acht Stufen starten, damit ihr nicht viel zu früh in der Punktewertung vorne liegt. Das klingt jetzt alles nach…
Dann ist auch die KI egal.
Ist denn das neue Civ6 vom Umfang her mittlerweile ähnlich stark bzw. allgemein die KI besser geworden oder reichts für Koop eher beim 5er mit Addons zu bleiben?
das spiel hat leider dermaßen viele schwächen, dass ich als '91er civler mit etlichen tausend stunden sagen muss "setzten 6". die civs hatten immer ihre probs bis sie mal durchgepatched und alle addons draussen waren - aber das hier zu retten scheint mir fast unmöglich! vom herrn luibl hätte ich da ne hohe 60er wertung erwartet - ungenießbar dieser müll!
Sorry Leute, keine Ahnung wie das Fazit von Endless Space 2 hier landen konnte. Jetzt ist wieder das richtige Fazit von Civ 6 drin.