Bis hierher ist es ein langer Weg: Wer in den bunten Sperrbezirk will, muss entweder 2000 Kronkorken zahlen oder die Wachroboter mit seinem wissenschaftlichen Know-how überzeugen. |
Ich schleppe mich mit einem verkrüppelten Bein, akuten Entzugserscheinungen und halb verdurstet in den Kontrollraum. Meine Wahrnehmung sinkt, meine Kraft schwindet. Soll ich das letzte Stimpak jetzt einnehmen? Sicher ist sicher: Meine Lebensleiste wächst ein wenig, dann hört dieser bedrohliche Herzschlag endlich auf und es summt nur noch in der Stille. Vor mir liegt der Rechner einer gigantischen Stromanlage, hinter mir eine lebensgefährliche Tour, deren letzte Meter ich nur schleichend an schießwütigen Wachrobotern vorbei überstanden habe. Jetzt durchatmen, endlich bin ich da!
Aber was ist das? Wieso funktioniert der Computer nicht, warum kann ich die verdammte Maschine nicht aktivieren? Ich werde erst wütend. Dann schaue ich mich um. Ach so, ich muss erst das Notstromaggregat einschalten! Das ist ja kein Problem, also klick ich einfach darauf und Murphy lässt grüßen – es ist defekt! Man braucht ein Stück Altmetall und eine Reparaturfähigkeit von 35, um es in Gang zu bringen. Ich habe kein Altmetall und ich habe nur ein Know-how von 24. Ich fluche, fühle mich nach all den Strapazen fast deprimiert. Doch ich will an diesem Ende der Quest nicht aufgeben, zumal sich meine Entscheidungen über den Strom auf die gesamte Region auswirken können. Werde ich ihn als Waffe nutzen, nur New Vegas zukommen lassen oder gerecht unter allen Orten verteilen?
Kampf um Altmetall und Intelligenz
Vor dem Strip steht der Konflikt in der Mojave-Wüste: Dynamit kann gegen die Panzerung der Riesenskorpione und andere mutierte Insekten helfen. |
Dieses Rollenspiel überlässt mir immer die freie Wahl. Als brachialer Kämpfer spielen oder als geschickter Scharfschütze? Folter oder Psychodruck im Verhör? Eine Militärregierung einsetzen oder einen korrupten Sherriff? Schnelles Geld verdienen oder Datenvernichtung zum Wohle der Menschheit? Es führt weder auf der politischen noch auf der spielmechanischen Ebene in lineare Sackgassen, sondern eröffnet immer mehrere Auswege. Wer eine harmlose Aufgabe wie die Untersuchung einer Raketenanlage oder eines Vaults startet, muss damit rechnen, dass er sich in einem Konflikt zwischen verfeindeten Parteien und optionalen Zielen wieder findet. Ganz selten geht es um klassisches Holen und Bringen, viel öfter um überraschende Recherche vor Ort in liebevoll ausgearbeiteten Nebenquests mit glaubwürdigen Charakteren.
Auch in dieser Situation im Kontrollraum steigt meine Motivation wie in zig anderen abwechslungsreichen Quests nach ein wenig Überlegung: Hatte ich da nicht ein Magazin „Selbst ist der Mann!“ etwas weiter oben gefunden und in meinem Rucksack verstaut? Schnell wühlen: Hurra, da ist es – und das erhöht meine Kenntnisse temporär um zehn Punkte. Und wenn ich meine Intelligenz wenigstens kurzfristig über ein Aufputschmittel steigern kann, erreiche ich locker die 35! Abhängig bin ich sowieso schon, der Arztbesuch wird meine nächste Quest…
Und Altmetall? Das hinterlassen die Wachroboter! Allerdings wird das kniffliger, denn ich bin körperlich am Ende, habe keine Granaten mehr und nur noch wenig Munition – vor allem keine Panzer brechenden Geschosse für meinen schweren Colt. Aber ich habe noch eine letzte Splittermine: Also schleppe ich mich aus dem Raum heraus, folge dem Gang, sehe den Roboter, schieße ihn an und höre ihn mit seinem Warnruf anrollen. Ich platziere die Mine, ziehe mich sofort zurück und warte … einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig – KRABUUUMMM! Der Blecheimer quietscht noch vorwärts, ich aktiviere das Zielsystem und hoffe, dass die drei Kugeln ausreichen, um ihm den Rest zu geben.
Ich erwarte da von Bethesda (und auch von den sehr wenigen AAA-Devs) trotzdem nur noch sehr wenig. Die haben klare Kante gezeigt, wo für sie die Prioritäten liegen, nämlich: Immer noch mehr und noch mehr Spieler abzuholen. Die Konsequenz daraus ist logisch. Das ist an sich auch völlig legitim.
Das spaltet das Genre zwar extrem; viel unterschiedlicher können sich Wichter oder aktuell Pathfinder kaum spielen (und trotzdem für die meisten wohl zum gleichen Genre zählen -- irgendwie). Aber es eröffnet eventuell irgendwann dann doch wieder Marktlücken, wie es bereits für die ganzen BG- und Fallout1+2-likes passiert ist.
Wie ich glaube auch hier gesagt: Selbst Spiele wie Kotor oder Dragon Age:Origins, die damals durchaus auch kommerziell recht erfolgreich waren, gibts praktisch gar nicht mehr. Da haben sich ja bereits auch Studios aus ehemaligen Biowares gegründet, die das sicherlich im Auge haben.
Baldur's Gate 3 wird, rein technisch, übrigens absolut AAA. Da arbeiten Hundertschaften dran. Was schon ein bisschen verrückt ist. Vor ein paar Jahren war die Vorstellung einer einer Zigmillionen-Dollar-D&D-Umsetzung (samt Rundenkämpfen) mehr als nur skurril. Insofern tut sich bereits einiges.
Apropos veraltet: Ich hatte so um die Zeit von New Vegas die Demo von Dragon Age 2 auf dem Schirm. Die Fallout3-Engine mag recht oll gewesen sein; aber technisch und vom Design wirkte diese Demo wie das viel altbackenere Spiel. Ohne Quatsch, man konnte sich kaum drei Meter bewegen, ohne die nächste semi-interaktive Cutscene zu triggern, die wiederum die nächste Arena-Welle an Mobs triggerte. (Aber das gilt ja heute allgemein fast dreißig Jahre nach Hype um Interactive Movies wieder fast als "modernes" Spieldesign, irgendwie). Letztens mal nachgesehen, ob meine Erinnerung da nicht übertrieben hat, aber nein, keineswegs.
Zu Zeiten von DA2 verließen dann ja auch bereits einige Biowares wie Brent Knowles wegen kreativen Differenzen die Company.
Es krankte daran, dass Fallout New Vegas auf einer praktisch ungefixten Kopie von Fallout 3 beruhte, die einem Auftragsarbeiter ohne Kenntnisse der Engine in die Hand gedrückt wurde, mit zwei Jahren Frist . Wenn man mal den Aspekt Obsidian auf der Seite lässt und es als Verbraucher wertet, dann war das eine Schweinerei und Bethesda war der Verursacher. Fallout 3 war schon altbacken für das Release-Jahr, und NV fühlte sich noch viel älter an.
Fallout 4 war auf eine bestimmte Weise ein verdorbenes Spiel, aber es spielte sich dann schon viel frischer, es verdient aus meiner Sicht als Game 15 Punkte mehr als NV, nur Obsidian verhinderte es, dass es 50 waren. Ich habe Fallout 4 sicher 5 Mal länger als NV gezockt, aber als Shooter in Fallout-Tünche mit Rollenspiel- und Minecraft-Elementen.
Ich hätte mir dabei ständig gewünscht, dass Obisidan diese Engine und Budget in die Hand gekriegt hätten. Was ich damit meine, ich würde die Verkäufe nicht so werten, dass die Leute mehr Fallout 4 wollen. Die Verkäufe sind keine demokratische Abstimmung der Gesamtspielerschaft zum Thema Obisidan-Stil oder Bethesda-Stil, mal ganz abgesehen davon, dass zwischen dem Release von NV und Fallout 4 ein paar Millionen Spieler hinzugekommen sind. Interessanter wären da die Verkaufszahlen von Eldenring, das sehe ich als klares Statement, dass Leute mehr qualitativ anständige und komplexe Old-School-Rollenspiele ohne Zielgruppenforschung und Ingame-Shop dahinter möchten.
Die Ultimate-Edition wäre auch gerade im Angebot bei gog..
Ja, hab ich auch mitgekriegt. Wobei Obsidan als damaliger Entwickler auch viele (führende) Leute von damals verloren haben. The Outer Worlds ist ja vom Design grundsätzlich ähnlich gelagert z.B. -- aber was ich davon gesehen habe, wirkt eher nicht mehr ganz so gut (und ich mochte eigentlich die davorigen Iso-RPGs ganz gern).Noch besser als ein NV2 wäre es, wenn sich mehr Entwickler ein Beispiel an NV nehmen würden. Ich denke aber, das wäre leichter passiert, wenn es sich mehr verkauft hätte als bspw. Fallout 4 (statt umgekehrt). Das bestätigt alles die Entwickler nur in ihrer Ausrichtung.
Jup, die DLC's lohnen sich. Es wird ja auch von einem FA:NV-2 gemunkelt... Gab mal vor ein paar Wochen eine mögliche Leak Meldung im web.
Doppelpost, da wohl auf "zitieren" statt "editieren" geklickt.