Final Fantasy 7: Rebirth – Der zweite Akt eines großen Epos
Das Spiel knüpft logischerweise an FF7: Remake an, daher ist es empfehlenswert, sich auch mit dem Vorgänger etwas intensiver befasst zu haben. Zwar bekommt ihr in Form von Rückblickvideos und Charaktererklärungen noch einmal eine Übersicht, was im ersten Teil geschehen ist und auch der Einstieg in Final Fantasy 7: Rebirth gelingt schnell; wer die Story des Spiels jedoch in all seinen Feinheiten verstehen und die Motivationen der Charaktere nachvollziehen will, sollte sich schon die Zeit für beide Spiele nehmen – oder das Original gespielt haben.
Hach ja, Final Fantasy 7 – was soll ich sagen? Eigentlich spricht dieses Spiel für sich selbst. Für viele gilt es als eines der besten Videospiele aller Zeiten. Es war 1997 der erste Titel der Reihe, der in Europa veröffentlicht wurde und startete fortan nicht nur seinen Siegeszug, sondern machte das Genre des JRPG zunehmend populärer bei uns. Allein in der Hauptreihe sind bis dato 16 Teile von Final Fantasy erschienen, zusätzlich zahllose Ableger wie Final Fantasy Tactics
2020 markierte dann den Auftakt zu einer Remake-Trilogie, die dem Spiel mehr als nur eine Frischzellenkur verpasste. Die Charaktere ein knappes Vierteljahrhundert später in zeitgemäßer Grafik zu sehen, ließ das Herz der Fans höher schlagen. Midgar, Shinra, Avalanche, Mako und Panzerschwert – Begriffe, die jedem Final Fantasy-Fan Bilder in den Kopf jagen, waren plötzlich wieder allgegenwärtig. Entwickler Square Enix wagte mit Final Fantasy 7: Remake eine Runderneuerung, fügte zusätzliche Nebenstories, Charaktere und Details zu Hintergründen hinzu und hob das populäre Spiel auf das Niveau der (damals) Current Gen. Dementsprechend wird in diesem Review-Artikel auch auf Ereignisse aus Remake eingegangen; Story-Spoiler zu FF7: Rebirth werde ich vermeiden.
Raus aus der Stadt, rein in die Natur
Schauplatz des ersten Teils der Remake-Trilogie war ausschließlich die Stadt Midgar. Auch wenn man in vielen von der Stimmung her unterschiedlichen Teilen wie Sektor 7, dem Wall Market und der Oberstadt unterwegs war, fühlte sich die Spielwelt für mich ziemlich klein an. Auch die einzelnen Dungeons waren sehr schlauchartig, wodurch ich unangenehme Assoziationen mit Final Fantasy 13 bekam. In FF7: Rebirth startet ihr nach einer Flashback-Sequenz und einem Aufenthalt in der Kleinstadt Kalm aber sofort in einem großen offenen Areal, den Graslanden, die ihr frei erkunden könnt. Nach und nach kommt ihr auch in die anderen Regionen der Spielwelt, die optisch so eindrucksvoll wie abwechslungsreich sind und in denen ihr viel Zeit für Kämpfe, Nebenquests oder Schatzsuchen investieren könnt. In manchen Gebieten wie Höhlensystemen oder Ruinen von Mako-Reaktoren ist der Weg aber wiederum weitestgehend geradlinig.
Der Spielstand oder die Ausrüstung aus dem ersten Teil können übrigens nicht übertragen werden, aber ganz bei null fangt ihr natürlich auch nicht an. So stehen euch zum Beispiel einige Materia – unter anderem von der Beschwörer-Sorte – für magische Aktionen zur Verfügung. Auch startet ihr von Anfang an mit einer fünfköpfigen Kampfgruppe: Neben Protagonist Cloud Strife sind dies dessen Jugendfreundin Tifa Lockhart sowie Barret Wallace – beide Mitglieder der Öko-Terroristen-Gruppierung Avalanche –, die Blumenverkäuferin Aerith Gainsborough, hinter der der Konzern Shinra aufgrund ihrer mysteriösen Abstammung her ist, sowie der raubkatzenartige Red XIII, ein Forschungsobjekt von Shinra. Später schließen sich noch die Ninja-Kämpferin Yuffie Kisaragi sowie die rätselhafte Katze Cait Sith der Gruppe an.
Wieder Fremdscham-Flut vom Reißbrett?
Ich fand die Darstellung der Charaktere in FF7: Remake übertrieben klischeehaft, sodass es in manchen Szenen fast schmerzhaft peinlich war. Das mag ein Stilmittel in JRPGs sein, das beispielsweise auch in vielen Animes zum Tragen kommt, und im Jahre 1997 vielleicht sogar etwas Neues und Ungewohntes für uns leicht zu beeindruckendes westliches Publikum war. In den 2020er-Jahren wirkte es für mich aber ausgelutscht und überholt. Hauptcharakter Cloud war so unnahbar und emotionslos, was wahrscheinlich cool sein sollte, für mich aber einfach infantil wirkte. Der muskelbepackte Barret mit seinem Maschinengewehrarm war ein ungehobelter Klotz, der erst draufschlug und dann Fragen stellte (aber natürlich eine sanfte Vaterfigur ist). Aerith und Tifa – die unbestreitbar auch ihr Päckchen zu tragen haben – waren in vielen Szenen so gespielt naiv und kawaii, dass es schon plump war. Und dann gab es Nebencharaktere wie Don Corneo oder Locche, die eigentlich nur Karikaturen ihrer selbst waren.
Dieser Cringe-Faktor wird in Final Fantasy 7: Rebirth in allen Facetten etwas heruntergefahren. Die Charaktere sind immer noch klassische JRPG-Stereotypen, aber nicht mehr so plakativ. Cloud kommt ein bisschen aus seiner Introvert-Komfortzone und kriegt auch mal sein Maul auf, erzählt sogar aus seiner Vergangenheit, Barret reißt hier und da einen Witz und Aerith ist einfach eine normale, freundliche, ernstzunehmende Frau und keine gefühlt 14-jährige Wannabe-Unschuld vom Lande. Tifa tritt über weite Strecken der Story etwas in den Hintergrund, ist aber optisch weiterhin das Postergirl des Spiels, deren anatomisch fragwürdige weibliche Vorzüge mitunter etwas zu prominent zur Schau gestellt werden. Red XIII bringt einen etwas ruhigeren und gesetzten Ton in die Gruppe, während die flippige, und manchmal etwas unbekümmerte Yuffie eine reine Frohnatur mit viel Neugier und Forscherdrang ist.
In den Zwischensequenzen und besonders in Gesprächen und Dialogen, die über Charakterhintergründe aufklären oder relevant zur Story beitragen könnten, reagiert aber gerade Cloud häufig immer noch mit einem „Oh“ oder „Hmm“, als wäre er überfordert damit, ein Gespräch zu führen, während ein ganzer Satz zur Verhinderung von Missverständnissen oder Klärung von Sachverhalten beitragen könnte. Das ist typisches Anime-Verhalten und als wehrloser Spieler am Controller ebenso schwer nachzuvollziehen wie auszuhalten.