Unterwegs mit Glückshut und Priesterrobe
Interessant sind die Outfits, mit denen sich Indy bedeckt halten kann. Von einem Freund im Vatikan bekommt er eine Priesterrobe, in Gizeh kann er ein Arbeitergewand finden. Damit fällt er weniger als unerwünschte Person auf und kann sich ein bisschen ungestörter umsehen. Aber Vorsicht: Hochrangige Offiziere durchschauen den Mummenschanz schneller, also solltet ihr nicht zu lange in deren Nähe rumlümmeln. Auch gibt es logischerweise Areale, in der ihr selbst in Verkleidung keinen offiziellen Zutritt habt.
Ein wichtiges Utensil ist die Kamera, die Dr. Jones früh im Spiel kaufen kann. Von vielen Sehenswürdigkeiten, Rätseln und Kuriositäten könnt ihr Fotos machen, was wichtige Erfahrungspunkte gibt. Auch für das Lesen von Notizen und Erledigen von Nebenaufgaben erlangt man diese. Ausgeben könnt ihr die Erfahrung für zusätzliche Nahkampf- oder Peitschen-Skills, bessere Regeneration oder höhere Kapazität in Bezug auf euer Gepäck.
Aber: Für diese Upgrades müsst ihr auch erst einmal die entsprechenden Bücher finden, die überall in der Spielwelt verteilt sind. Eine wichtige Fähigkeit: Glückshut. Damit kann Indy, wenn er einmal k.o. geschlagen wurde, nach seinem geliebten Fedora greifen und bekommt eine zweite Chance mit reduzierter Energie. Andernfalls geht’s zurück an den Autosave-Punkt.
Wenn man vorsätzlich im Dunkeln tappt
Grafisch zeigt sich Indiana Jones und der Große Kreis von seiner besten Seite. Besonders wird dies an den weitläufigen und weitestgehend frei erkundbaren Schauplätzen ausgespielt. Das Licht glänzt auf Indys wettergegerbter Lederjacke, die Flamme eines Zippos erleuchtet in einer Höhle nur den nötigsten Umkreis um euch herum, die gleißende Sonne der ägyptischen Wüste lässt die Luft flimmern. Schade nur: Gemäß der Natur der Sache findet ein nicht unerheblicher Teil des Abenteuers im Dunkel statt. Nicht selten müsst ihr nämlich Katakomben unter dem Vatikan, Tausende Jahre alte Grabkammern oder halb verfallene Tempelruinen erkunden.
Mit zunehmender Spieldauer habe ich aber das Gefühl, dass die Welt ein bisschen unattraktiver wird. Die prunkvollen Bauten des Vatikans sind deutlich attraktiver als die Stroh- und Bambushütten in Sukhothai – und das liegt nicht am Baustil.
Auch begegnen mir etwa im letzten Viertel des Spiels häufiger kleine Bugs: Texturen werden langsamer geladen, Synchro und Untertitel passen sinngemäß, aber nicht wörtlich zueinander und an einer Stelle wiederholt sich ein Dialog. Den Hinweis, der mir dort gegeben wird, habe ich für das vorherige Rätsel benötigt. Nun jedoch stehe ich ein wenig wie der Ochs vorm Berg, weil das Gesagte nicht zu dem passt, was ich jetzt tun kann.
Starke Performance
Laut der Entwickler*innen habe man bei der Gestaltung der Welt sehr genau auf Authentizität und historische Genauigkeit geachtet. Das lässt sich auch bei vielen Details wie Gemälden im Vatikan oder dem Dorfleben in Sukhothai beobachten. Sprachen von NPCs und Personen im Hintergrund sind auf die jeweilige Lokalität angepasst, daher hört ihr stets Italienisch, Arabisch oder Thai. Auch die Snacks, mit denen Indiana Gesundheit regeneriert oder einen Ausdauer-Boost auslöst, sind auf die verschiedenen Regionen gemünzt: von Äpfeln und Cantuccini im Vatikan über Aish Baladi-Brot und Kakis in Ägypten bis hinzu Bananen und Sternfrüchte in Siam.
Auch die Figuren sind eine große Stärke des Spiels: Der ironische und für die Filme und den Charakter Indiana Jones typische Humor wird gut transportiert, ohne dass er peinlich oder zu sehr drüber wirkt. Optisch wird eine junge Version von Harrison Ford beschworen, die sich authentisch in das Flair der Filme der Original-Trilogie fügt. Synchronisiert wird Indy im Original übrigens von Branchengröße Troy Baker – Gamer*innen sicher bekannt als Stimme von Joel Miller aus The Last of Us, Booker DeWitt aus Bioshock Infinite oder als Higgs aus Death Stranding.
Junger Han Solo wird junger Indy
Aber auch die deutsche Synchro von Florian Clyde ist optimal gewählt – nicht zufällig sprach er schon einmal eine junge Version eines Harrison Ford-Charakters, nämlich den Han Solo in „Solo: A Star Wars Story“ (damals verkörpert von Alden Ehrenreich). Aber auch Serienfans könnte Clydes Stimme bekannt vorkommen, spricht er doch unter anderem in der deutschen Fassung Viktor in Arcane und Cahir in The Witcher.
Besonders schön kommt auch der Haupt-Antagonist Emmerich Voss rüber: Schon von der ersten Szene an wird der gewiefte und gnadenlos von sich und seiner Sache überzeugte Sturmbannführer als absoluter Schmierlappen und Unsympath inszeniert. Man möchte wirklich keine Möglichkeit auslassen, diesem Typen in die Quere zu kommen.
Das gelingt mir auch das eine oder andere Mal, auch wenn mir in den Zwischensequenzen die Handlungsmöglichkeiten fehlen und Voss ganz Bösewicht-like mehrere Chancen ungenutzt lässt, Indy zuverlässig zu beseitigen. Gut so, sonst hätte ich nicht die eindrucksvolle Reise in ganzer Länge unternehmen können, sondern wäre schon im Wüstensand verreckt.
So jedoch konnte ich ein paar interessante Schauplätze besichtigen, einige nette, das Hirnschmalz jedoch nicht vollständig einfordernde Rätsel lösen und eine unterhaltsame Story verfolgen – auch wenn ein paar Flecken, unsaubere Mechaniken und frustiernde Passagen ein optimales Spielerlebnis stören.