Veröffentlicht inTests

Journal (Adventure) – Journal

Als der Abspann lief, saß ich konsterniert vor dem Bildschirm. Zwei Stunden lang habe ich Entscheidungen getroffen, die sich auf die Beziehungen eines Teenagers zu ihren Freunden und der Familie auswirken. Dann wendet sich Journal plötzlich ab, spricht ein Thema mit großer Emotionalität so unvermittelt an, als würden die Autoren über ihr eigenes Schicksal reden. Und irgendwie ist ihr Spiel eng mit diesem Schicksal verbunden. Irgendwie aber auch nicht.

© Locked Door Puzzle /

Freundin oder Außenseiter?

Was stünde in einem Tagebuch, das Tage, Wochen oder Monate nach den Ereignissen geschrieben würde, die es festhält? Könnte man sich noch daran erinnern oder wären es nur verzerrte Erinnerungen? Das sind Fragen, mit denen sich Spielemacher Richard Perrin (Kairo) und Autorin Melissa Royall in Journal beschäftigen.

Eines Morgens stellt ein namenloses Mädchen fest, dass sämtliche Aufzeichnungen aus ihrem Tagebuch verschwunden sind. Also versucht sie die Erinnerungen herzustellen, indem sie sich mit Freunden und Familie unterhält. Dabei trifft sie Entscheidungen, die darüber bestimmen, wie ihre Geschichte weitergeht – und was in ihren Notizen steht.

Einen Großteil der Geschichte verbringt sie in der Schule. Vor ihren Freunden muss sie etwa für Fehler geradestehen und sich zwischen einer guten Freundin und der Außenseiterin entscheiden. Manche emotionale

[GUI_STATICIMAGE(setid=75910,id=92478605)]
Die handgezeichneten Figuren und Umgebungen wirken steif und leblos. © 4P/Screenshot

Verstrickung führt dabei zu interessanten Konflikten. Mehr als einen oberflächlichen Blick in das Leben eines Teenagers riskiert die Handlung aber nicht.

Geduld und Brille

Journal ist kein gutes Spiel. Während ein feinfühliges Klavier die Erzählung begleitet und obwohl die handgezeichneten Bilder charmant sind, wirkt das Geschehen leblos. Die Protagonistin schwebt mit steifen Bewegungen, fast alle Figuren stehen durchgehend am Fleck und nur wenige Texte wurden vertont. Meist sind es ohnehin einfach geschriebene Zeilen, die pragmatisch Inhalte erklären, anstatt in die Seele der Charaktere zu blicken. Weil das Umherlaufen sowie die Unterhaltungen die einzigen Aufgaben sind, verlangt das Spiel zudem viel Geduld und Lesearbeit.

Und so sehr viele Entscheidungen das Auftreten der Freunde gegenüber dem Mädchen beeinflussen, so unnötig schwer fällt die Wahl: Durch einzelne Worte dargestellte Antwortmöglichkeiten lassen oft nicht klar  genug durchblicken, was sie bedeuten. Ein „Bedauern“ könnte sich ebenso gut auf die Situation der Protagonistin wie die ihres Gegenüber beziehen. Ich habe das Programm mehrmals beendet, um eine Szene noch einmal zu starten, weil ich im besten Wissen die falsche Antwort gab – eine unangenehme Erfahrung.

Irrlichter

Das interaktive Experiment mit folgenschweren Entscheidungen haben andere schon besser durchgeführt. Journal fehlt zudem ein roter Faden, der mir einen Hinweis darauf gibt, worum es eigentlich geht. Oder spielen Perrin und Royall gar mit meinen eigenen Erinnerungen? Sollte ich etwa wissen, woran sich das Mädchen zu erinnern versucht?

[GUI_STATICIMAGE(setid=75910,id=92478604)]
Das Puppenspiel zwischen den Kapiteln ist ein interessantes Stilmittel. © 4P/Screenshot

Und was deutet das Puppenspiel als Überleitung zwischen den Kapiteln an? Es fällt schwer, die Elemente miteinander zu verknüpfen, weil sie sich nicht aufeinander beziehen. Das leere Tagebuch weckt ein Interesse, das Spiel führt den Faden aber nicht konsequent fort.

Erst wenn die Entwickler kurz vor Schluss das Geheimnis lüften, führen sie Spiel und Erzählung zusammen. Journal entließ mich nach etwa zwei Stunden mit starken Gefühlen und ich hatte verstanden, was es mir sagen wollte. Die Verbindung entsteht aber zu spät. Die schwachen Spielelemente führen zu lange in eine ungewisse Richtung, als dass sie die starken Emotionen tragen könnten. So bleibt Journal eine Ansammlung interessanter Bausteine, die nur lose nebeneinander gelegt wurden.

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.