Rennen, schwimmen, fliegen
Dabei muss man auch sagen: Lost Ember ist zwar kein Red Dead Redemption 2 oder Assassin’s Creed Odyssey mit gigantischer Welt und hunderten Figuren, trotzdem hat Mooneye viel Mut bewiesen, indem man sich nicht darauf beschränkt hat, einen Wolf beim Naturspaziergang zu programmieren. Per Knopfdruck könnt ihr nämlich in alle anderen Tiere hineinspringen, die euch begegnen. Im Verlauf des sieben- bis achtstündigen Abenteuers dürft ihr mehr als ein Dutzend Tierformen annehmen, allesamt mit eigenständigen Bewegungsoptionen und Kontrollschemata. Das war sicher kein leichtes Unterfangen – es wird gerannt, gerollt, gehopst und sogar gegraben, geflogen und geschwommen. Vor allem die Fortbewegung unter Wasser oder in der Luft ist bekanntlich nicht leicht umzusetzen in digitaler Form. Den deutschen Entwicklern gelingt aber ein durchweg gutes, arcadiges Spielgefühl, egal ob man als Wombat herumtapst, mit dem Büffel in einer gigantischen Stampede galoppiert, als Kolibri frei durch den Wald schwirrt oder mit der Bergziege ins Hochgebirge kraxelt.
Tierpark
Neckisch sind auch die kleinen Gimmicks, die einige Tiere mitbringen: Der verboten knuffige Wombat nascht Beeren, die Schildkröte zieht sich auf Knopfdruck in ihren Panzer zurück. Viel wichtiger sind aber ihre grundlegenden Vorteile hinsichtlich der Fortbewegung: Als Ente schwebe ich im Gleitflug elegant über gähnende Abgründe, als Elefant trample ich locker durch Bambus und mit der Bergziege sind selbst fast senkrechte Wände begehbar – als Wolf wären all diese Stellen unpassierbar. Durch solch natürliche Hindernisse drängt euch der Entwickler regelmäßig zum Kreaturenwechsel – das sorgt für Kurzweil und entzückt Tierfans; ständig freut man sich über die Niedlichkeit oder Anmut der nächsten entdeckten Art. Der Spielfluss gerät nie ins Stocken – die Hindernisse sind stets mit einem Minimum an Nachdenken zu überwinden, Schalterrätsel oder andere Kopfnüsse gibt es nicht. Dafür zahllose, weit verstreute Sammelgegenstände. Hier muss ich die Mooneye Studios jedoch rügen: Schon die „normalen“ Relikte (olle Waffen, Schmuck, Idole) sind tendenziell langweilig und lassen sich nicht schön im Menü betrachten, doch die dutzenden schäbigen Pilze motivieren mich so gar nicht zum Herumsuchen. Reizvoller sind ein paar legendäre Tiere, die emsige Forscher übernehmen können.
Friedliches Spielprinzip, schöne Umgebungen, untergegangene Kultur: In puncto Spielgefühl drängt sich ein Vergleich mit dem Ausnahmetitel Journey auf, aber letzten Endes ist er doch ungeeignet: Lost Ember ist zwar ähnlich anspruchslos in puncto Fingerfertigkeit, durch die vielen raumgreifenden Flug-, Renn- und Schwimmpassagen wirkt es aber größer und ungleich actiongeladener; gleichzeitig ist die Geschichte konkreter und persönlicher. Allein wegen der ähnlichen Spielfigur scheint ein Vergleich mit dem kürzlich gestesteten Spirit of the North sinnvoller – das verlangt zwar deutlich mehr Hirnschmalz, kommt Lost Ember in puncto Spielwelt und Geschicklichkeitsaspekt aber nahe. Dank seiner interessanteren Story und der spielerischen Abwechslung gewinnt Lost Ember dieses Duell mit Vorsprung.
Trotzdem: vielen Dank!
Finds schade, dass so viele gute Titel nicht mehr Retail erscheinen!
Ich will eigentich keine Downloads für Konsolen kaufen! Bei Pc-Spielen komm ich ja nicht drum rum, aber bei meinen Konsolen nervt mich das tierisch!
herr schmid, ihr schreibstil gefaellt mir, klasse! ohne unnoetige vergleiche und in die laenge ziehenden abschweifungen oder wunschfeaturegeheule, wie das anderer redakteure. einfach nur das testen, was da ist. weiter so und danke!
Schönes. emotionales und spirituelles Spiel. Ich habe mir 12 Stunden Zeit genommen.