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Stellar Blade (Action-Adventure) – Vom hässlichen Mobile-Entlein zum Singleplayer-Schwan

Das koreanische Entwicklerstudio Shift Up kennen bislang vor allem Mobile-Gamer, und zwar für den Titel Goddess of Victory: Nikke, der sich durch anzügliche Outfits und beim Schießen mit dem Maschinengewehr wackelnde Ärsche einen Namen gemacht hat. Auch das Hinterteil von Protagonistin Eve hat im Vorfeld der Veröffentlichung die Diskussionen und das Bewegtbildmaterial rund um Stellar Blade dominiert: Bedauerlicherweise, denn vom Gameplay war abseits spektakulärer Set-Pieces eher wenig zu sehen. Will man Spieler also nur mit einem attraktiven Hauptcharakter und einem interaktiven Action-Film blenden? Oder steckt in Stellar Blade am Ende eine richtig spaßige Ladung Gameplay, die sich irgendwo zwischen NieR: Automata und Sekiro bewegt? Wir haben uns mehr als 40 Stunden in den hautengen Raumanzug gequetscht und verraten die Antwort auf diese Frage im Test.

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Verteidigung ist der beste Angriff
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Die Parade der Paraden: Gerade Anrgiffsketten erfolgreich abzuwehren ist ein spielerischer Hochgenuss. © 4P/Screenshot

Natürlich handelt es sich bei den Naytibas nicht um leblose Sandsäcke: Die Monsterbrut schlägt zurück und dann müsst ihr das Schwert auch mal durch das Halten der linken Schultertaste zur Verteidigung emporstrecken. Noch besser: Ihr drückt nur ganz kurz und im Moment des gegnerischen Angriffs drauf, dann gelingt euch nämlich eine perfekte Parade, mit der ihr das durch kleine gelbe Punkte angezeigte Gleichgewicht eures Feindes um einen Notch reduziert. Sind alle geleert, könnt ihr zu einem verheerenden Angriff ansetzen, der natürlich entsprechenden Schaden verursacht. Das Parieren ist zwar nicht zwangsläufig nötig, aber ungemein befriedigend: Der Aufprall ist wuchtig, der Sound stimulierend und die Timings sind fair. Wer das Hin und Her eines Sekiro mochte, kommt hier voll und ganz auf seine Kosten.

 

Leuchtende Angriffe lassen sich leider nicht abwehren oder parieren, hier sind spezielle Manöver gefragt: Bei Gelb gilt es, im richtigen Augenblick auszuweichen (Kreis-Taste), bei Blau, zu blinzeln (Kreis-Taste und linker Stick nach oben), bei Pink, zurückzuschlagen (Kreis-Taste und linker Stick nach unten). Klingt kompliziert, aber die jeweilig nötigen Reaktionen gehen schnell in Fleisch und Blut über und werden dann auch mit athletischen Manövern von Eve belohnt. Außerdem bringt ihr Gegner durch das Zurückschlagen zum Taumeln, sodass ihr ihre Schwachstelle entblößt und mit Fernkampfangriffen für kurze Zeit erhöhten Schaden verursacht. Hier kommt eure Drohne zum Einsatz, die sich mit verschiedenen Munitionsarten wie Schrot oder zielsuchenden Raketen ausstatten lässt, in den allgemein eher nahkampffokussierten Auseinandersetzungen aber nur selten gebraucht wird.

 

Murder on the Dancefloor

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Blinzeln und Zurückschlagen sind stylische Manöver, die korrekte Reaktionen auf gegnerische Angriffe belohnen. © 4P/Screenshot

Besonders in Sachen Treffer-Feedback und Gewicht glänzen die Gefechte: Jeder Schlag fühlt sich trotz entsprechender Geschwindigkeit schön kraftvoll an, die Gegner zucken getroffen zusammen und die Animationen passen hervorragend zum Spielgefühl. Dass sich Eve ein wenig bedächtiger bewegt, wenn ihr einen Feind anvisiert, wirkt zunächst ungewohnt, schmiegt sich aber dann doch schnell in den Fluss des Kampfes ein und lässt sich noch dazu mit dem Sprintknopf umgehen, wenn ihr mal aus der Gefahrenzone fliehen müsst. Schnelle Ausweichschritte, ein offensiver Dash und nur seltene Angriffe, die mich aus dem komfortablen Nahkampfbereich zwingen, halten das Spieltempo zusätzlich oben.

 

Leichter Angriff, schwerer Angriff, Parade, Parade, Parade, Konter, Beta-Fähigkeit, Blinzeln, Schub-Attacke – und dann spielen wir genau wie die Cantina Band denselben Song nochmal: Der Rhythmus des Kampfsystems lässt mich die Knöpfe beinahe wie in Trance drücken, während Eve über das Schlachtfeld tanzt und den staubigen Boden mit Naytiba-Blut einfärbt. Wenn ich jeden Schlag in der Angriffskette eines Elite-Gegners erfolgreich abwehre und der Kontakt von Monsterhand auf Schwertstahl geräuschvoll aus dem DualSense-Controller schallt, dann breitet sich unwillkürlich ein breites Grinsen in meinem Gesicht aus: Der virtuelle Kampfesrausch wird in Stellar Blade serviert und zelebriert – und ich bin mittendrin. Eine Eigenschaft, die vieles wett macht: Da die Auseinandersetzungen mehr als zwei Drittel des Spiels bestimmen, wischen sie viele kleine Makel wie Dreck von der Windschutzscheibe.

 

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Eve ist gut zu Fuß, ein beherztes Ausweichen kann also auch mal die Lösung sein. Gegen manche Attacken hilft sogar nichts anderes. © 4P/Screenshot

Im Zusammenhang mit dem Balancing ergibt sich hier beinahe ein Widerspruch. Die Lebensleisten der Gegner sind wunderbar stimmig: Das Kleinvieh beißt schön schnell ins Gras, während mittelstarke Naytiba ein paar mehr Schläge aushalten und nur zwei bis vier Paraden für einen fatalen Treffer meinerseits benötigen. Doch gerade, weil alles nach einem angemessenen Schlagabtausch aus den Latschen kippt, habe ich mich beim Spielen regelmäßig nach dem nächsten Bosskampf gesehnt, um erneut aufs blutverschmierte Parkett gebeten zu werden und mich der Sogwirkung ganz und gar hingeben zu können.

 

Tödliche Tanzstunde beim Ball der Bosse

Wenig verwunderlich entfaltet Stellar Blade bei den Bossen mit ihren bildschirmfüllenden Balken also sein volles Potenzial: Die Endgegner sind anspruchsvoll und abwechslungsreich, begeistern mit komplexen, aber gut lesbaren Angriffsmustern und sind aggressiv, geben mir aber trotzdem gelegentlich einen Moment zum Durchatmen und Heilen. Kreuzende Klingen und fliegende Funken: Bereits zu Beginn warten die Bosse mit fordernden Spektakeln auf, im letzten Drittel überbietet sich das Spiel dann regelmäßig selbst und zündet ein fulminantes Feuerwerk von schweißtreibenden Begegnungen. Und obwohl der ein oder andere Endgegner leider recycelt wird, bietet das Spiel insgesamt genug Variation, sodass das nicht wirklich ins Gewicht fällt.

 

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Wunder Punkt: Wenn ihr genug Angriffe des Gegners pariert, werdet ihr mit einer blutigen Animation und beachtlichem Schaden belohnt. © 4P/Screenshot

Dabei ist der Schwierigkeitsgrad angenehm knackig: Ihr werdet schon das ein oder andere Mal mit dem Bildschirmtod konfrontiert werden, stundenlange Bossblockaden müsst ihr aber vermutlich nicht fürchten – und solltet ihr doch mal festhängen, könnt ihr einfach den Schwierigkeitsgrad auf Story herunterstellen, dann liegt das aktuelle Hindernis mit Sicherheit schnell im Staub. Das Lernen der Angriffsmuster ist hilfreich, schnelle Reaktionen führen aber auch zum Sieg; hier ist kein unfairer Trial-and-Error gefragt. Trotz der gezogenen Parallelen zu Sekiro, was den Kampfesrausch und das spaßige Schwerterklirren angeht, ist die Fallhöhe deutlich geringer, wenn auch natürlich kein Spaziergang. Gleiches gilt auch für die Soulslike-Mechaniken, die nur teilweise implementiert wurden.

 

So hat der Tod nämlich keine Konsequenzen – außer, dass ihr zum letzten Speicherpunkt zurückgeschickt werdet natürlich. Die sind aber in der Regel fair verteilt, sodass sich die Laufwege in Grenzen halten und da ihr keine Erfahrung beim Ableben verliert, müsst ihr auch den erneuten Tod nicht fürchten. Allerdings steht euer primäres Heilmittel nur begrenzt zur Verfügung und wird bei den als Speicherpunkten dienenden Versorgungslagern wieder aufgefüllt, wenn ihr euch ausruht – was natürlich auch alle Neytibas wiederbelebt. So ganz kann Stellar Blade den Flirt mit dem Soulslike-Genre also nicht lassen. An den Lagern könnt ihr darüber hinaus an einem Getränkeautomat neue Munition, andere Heilmittel oder praktische Kampfgegenstände wie Minen erwerben, eure Waffe verbessern oder neue Outfits craften. Etwas schade: Die Schnellreise ist nicht an allen Speicherpunkten verfügbar.

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