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Stellar Blade (Action-Adventure) – Vom hässlichen Mobile-Entlein zum Singleplayer-Schwan

Das koreanische Entwicklerstudio Shift Up kennen bislang vor allem Mobile-Gamer, und zwar für den Titel Goddess of Victory: Nikke, der sich durch anzügliche Outfits und beim Schießen mit dem Maschinengewehr wackelnde Ärsche einen Namen gemacht hat. Auch das Hinterteil von Protagonistin Eve hat im Vorfeld der Veröffentlichung die Diskussionen und das Bewegtbildmaterial rund um Stellar Blade dominiert: Bedauerlicherweise, denn vom Gameplay war abseits spektakulärer Set-Pieces eher wenig zu sehen. Will man Spieler also nur mit einem attraktiven Hauptcharakter und einem interaktiven Action-Film blenden? Oder steckt in Stellar Blade am Ende eine richtig spaßige Ladung Gameplay, die sich irgendwo zwischen NieR: Automata und Sekiro bewegt? Wir haben uns mehr als 40 Stunden in den hautengen Raumanzug gequetscht und verraten die Antwort auf diese Frage im Test.

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Sex sells – auch in der Postapokalypse
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Schulterfrei und mit Highheels: Die meisten Outfits von Eve eignen sich eher für den Laufsteg als für das Schlachtfeld. © 4P/Screenshot

Ich habe es in der Einleitung bereits erwähnt, aber nachdem ich Stellar Blade nun getestet habe, möchte ich für die vergiftete Diskussion im Vorfeld Kontext liefern und erklären, was davon letztendlich für das Spiel selbst relevant ist. Eve wurde in den Debatten auf Social Media zu einer Gallionsfigur von Misogynisten degradiert, als Aushängeschild für „anti-woke“ Spiele, bei denen sich die Entwickler nun endlich wieder trauen, weibliche Spielcharaktere auch so richtig schön sexy zu designen, nachdem Feministinnen mit ihrem sagenhaften Einfluss in der Industrie Figuren wie Aloy (

Horizon Zero Dawn

) oder Abby (The Last of Us Part 2) erschaffen haben, die nur dazu dienen, der männlichen Spielerschaft so richtig schön eins auszuwischen. Das ist natürlich alles hanebüchener Humbug: Das Design von Eve hat nichts mit Politik zu tun, sondern beruht darauf, dass Game Director Hyung-Tae Kim eigenen Aussagen zufolge beim Spielen jemanden „idealisierten“ sehen möchte.

 

Deshalb habe man sich auch besonders viel Mühe damit gegeben, Eve einen wohlgeformten Hintern zu verpassen, wie er im Interview mit GamesRadar betonte: Entsprechend stand für das Design der Protagonistin das südkoreanische Model Shin Jae-eun Pate. In den sozialen Medien wurde dieser Umstand als Argument ins Feld geführt wird, dass die Kritik an der Übersexualisierung der Protagonistin Schwachsinn sei – schließlich habe man sich an einer echten Person orientiert. Nur dass direkte Vergleichsbilder zeigen, dass der Körper des Models offenbar nicht gut genug war und man Bereiche wie die Oberschenkel oder die Brüste dann doch nochmal ein bisschen angepasst hat; und damit sind wir dann auch bei der Darstellung Eves im Spiel angekommen.

 

Denn ja, der optimierte Körperbau der Elitesoldatin wird prominent in Szene gesetzt und das hautenge Outfit ist auch irgendwie schwer zu ignorieren, wenn einem das dort reingepresste Gesäß bei jedem Leiterklettern ins Gesicht gedrückt wird, Eve bei athletischen Sprungeinlagen die Beine spreizt und ihre Brüste wackeln, als wären sie mit Pudding gefüllt. Andere Frauen im Spiel, wie Tachy oder Raven, besitzen darüber hinaus nicht nur einen ähnlichen Körperbau, sondern wurden auch in die gleichen betonenden Outfits gesteckt – während die Männer sackartige Lederklamotten übergestülpt bekommen, an denen mehr Taschen und Gürtel hängen, als ein professioneller Handwerker je befüllen könnte. Ein Blick auf möglicherweise muskulöse oder anderweitig attraktive Körper wird so unmöglich – wozu auch, wenn sich die Zielgruppe dafür ohnehin nicht interessiert.

 

 

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Schon in den ersten fünf Minuten wird Eve im engen, hautfarbenen Anzug inklusive Explosionen im Hintergrund und Zeitlupe in Szene gesetzt. © 4P/Screenshot

Das Problem an Eves extremer Sexualisierung ist jedoch vor allem ihre Kontextlosigkeit, auch im Vergleich zu anderen anziehend gestalteten Videospielheldinnen wie beispielsweise Bayonetta. Die Nintendo-Hexe spielt mit ihrem Sex-Appeal, ist sich dessen bewusst und hat zu jeder Zeit die Kontrolle darüber, sie wird in ihren Spielen nicht unkommentiert übersexualisiert dargestellt und ist auch kein bloßes Eye-Candy für den Spieler. Bayonetta besitzt Handlungsmacht und ihre Attraktivität und ihr Verhalten dienen einem Zweck, es handelt sich um Charaktereigenschaften der Figur – ganz im Gegensatz zu Eve, die in ihrer Eindimensionalität keinerlei Verbindung dazu hat und ganz offensichtlich nur designt wurde, um dem Spieler zu gefallen. Ein Makel, der beim Spielen durchaus genauso ins Auge sticht wie das im Raumanzug glänzende Hinterteil des Hauptcharakters.

 

 

Kabinett des Grauens

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Die Naytibas scheinen den wildesten Albträumen von bekannten Horror-Meistern entstiegen zu sein. Ein wahres Fest! © 4P/Screenshot

Wo wir schon beim Thema Design sind: Abseits des menschlich aussehenden Trios haben die Künstler in Stellar Blade ganze Arbeit geleistet. Die Bewohner Xions, deren Körper halb aus Haut und halb aus Maschinenteilen zu bestehen scheinen, schmiegen sich hervorragend ins postapokalyptische Zukunftssetting und fangen die Prämisse eines Cyborgs perfekt ein. Noch beeindruckender sind dagegen die Naytibas: Schon die kleinen Vertreter dieser rätselhaften Spezies haben etwas Außerweltliches an sich und wirken trotz der unzähligen existierenden Videospielmonster noch wie frisches Feindesfutter. Gerade bei den größeren Gegnern und den Bossen haben sich die Verantwortlichen aber selbst übertroffen: Klaffende Zahnschluchten im Gesicht, fleischige Kreissägen als Köpfe und Fusionen aus Leichenteilen und Puppenkörpern materialisieren sich zu Albträumen, die durch ihre bloße Präsenz für Gänsehaut sorgen.

 

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Nicht immer ist die Lichtstimmung so beeindruckend, aber manchmal lohnt es sich, stehenzubleiben und die Landschaft zu genießen. © 4P/Screenshot

Auch sonst kann sich Stellar Blade durchaus sehen lassen: Abgesehen von der ein oder anderen verwaschenen Felstextur ist das Spiel grafisch mehr als ansprechend und macht eine gute Figur auf der PlayStation 5. Mitsamt einer schicken Lichtstimmung, egal ob bei gebündelten Sonnenstrahlen in verwilderten Ruinen oder beim Durchkämmen der Wüste, sowie einem dynamischen HUD, das beim Herumlaufen verschwindet, wird das postapokalyptische Abenteuer herrlich immersiv. Von den drei Modi, bei denen ihr zwischen Grafik, Bildrate und Ausgeglichen wählen könnt, schafft der letzte den Spagat überraschend erfreulich und sorgt für ein flüssiges Erlebnis mit ansehnlicher Grafik.

 

 

Vom Orchester zum DJ-Pult

Auch musikalisch ist Stellar Blade übrigens ziemlich breit aufgestellt: Gefühlvolle Hymnen wechseln sich mit dynamischen Hintergrundmelodien ab, in stressigeren Situationen ertönt aber auch gerne schon mal härtere Elektronikmusik, die bisweilen in Richtung Dubstep schwappt. Nicht jeder Song ist ein Hit, aber jeder Hit ist ein Treffer – und dafür ist auch Keiichi Okabe verantwortlich, der den meisten Soundtrack-Enthusiasten wohl von NieR: Automata bekannt sein dürfte. In Stellar Blade zaubert er mit dem Studio Monaca abermals sehr ergreifende Songs aus den Lautsprechern, die natürlich erneut Erinnerungen an Yoko Taros philosophisches Werk wecken.

 

 

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Dieser liebenswerte Kollege kann euch bei der Kaufentscheidung leider nicht helfen. Er freut sich aber genau wie wir über den fehlenden Vorabzugang, der in vielen Spielen Usus geworden zu sein scheint. © 4P/Screenshot

Wenn das wie Musik in euren Ohren klingt, dann könnt ihr in der Gratis-Demo schon jetzt eine auditive Kostprobe genießen – die volle Ladung gibt es dann ab dem 26. April, wenn Stellar Blade exklusiv für die PlayStation 5 erscheint. Fällig werden 79,99 Euro, für zehn mehr erhaltet ihr die Digital Deluxe Edition, die einige ausschließlich digitale Goodies im Gepäck hat. Darunter: Einige Outfits und Accessoires für Eve, Adam, Lily und die Drohne sowie 2.000 FP-Erfahrung und 5.000 Gold. Bestellt ihr das Spiel vor, bekommt ihr außerdem ein Outfit und zwei Accessoires dazu, einen Vorabzugang gibt es nicht.

 

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