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Stronghold: Definitive Edition im Test – Definitive Ja!

Zeit ist relativ. Jeder kennt den Spruch, aber kaum einer versteht ihn wirklich. Ich habe zeit meines Lebens schon viele Zeitphänomene gesehen: Zeitreisen (Terminator). Zeit, die durch extrem hohe Geschwindigkeit extrem verlangsamt wird (X-Men: Apocalypse). Zeit, die gleichzeitig vorwärts und rückwärts läuft (Tenet). Nicht zu vergessen Zeitschleifen und Szenarien, in denen ihr Gefüge vollständig zerstört wurde. All das kenne ich, aber ich verstehe es nicht. Genauso wenig wie ich verstehe, was Remakes genau in mir auslösen. Wenn ich Stronghold Definitive Edition spiele, sitzen da zwei Michaels. Einer ist 32 und hetzt einem feindlichen Burgherren völlig übertrieben 20 Ritter auf den Hals. Und einer ist zehn und macht exakt dasselbe, vielleicht mit noch mehr Rittern. Beide sind völlig zufrieden mit sich und sprechen alle Sprüche des Spiels nach. Selbst wenn sie gerade gar nicht vorkommen. Stronghold ist kein Spiel, es ist ein Zeitstrudel. Irgendwo zwischen Mittelalter, 2000er-Röhrenmonitor und 2023er-Home Office.

© FireFly Studios / FireFly Studios

Stronghold: Definitive Edition – Am Anfang war alles perfekt, also lasst uns da doch bleiben!
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Die neuen Missionen schöpfen das Potenzial von Stronghold weiter aus: Ein Dorf einnehmen und dabei gleichzeitig von einer dritten Fraktion angegriffen werden – großartig! © 4P/Screenshot

Wenn wir uns die Produktionen von Firefly Studios vor der Stronghold: Definitive Edition ansehen, fällt etwas Erstaunliches auf: Jedes weitere Spiel nach den ersten beiden Teilen wurde immer schlechter. Oder “unterschiedlicher”, wenn wir das ein bisschen versöhnlicher formulieren wollen. In Stronghold (2001) hat alles gepasst: Die Grafik, das Gameplay, die Atmosphäre.

 

Während in Stronghold: Warlords (2020) nichts mehr davon passte. Man bekam den Eindruck, dass die Formel so spezifisch war, dass anscheinend nichts an ihr verändert werden durfte, wenn die Qualität erhalten bleiben sollte. Firefly Studios war ein Meisterwerk gelungen, das es seit Jahren nicht wiederholen konnte. Weshalb der Spieleschmiede vorerst nur die Zeitreise als einzige Option für Erfolg übrig blieb.

 

Immer, wenn Leute mir die Frage stellen, ob ich eher Anno (Bauen) oder Age of Empires (Kloppen) bevorzuge, antworte ich darauf mit Stronghold (beides). Strategie-Spiele sind in der Regel keine Aufbau-Spiele und umgekehrt, aber im Gegensatz zu allen anderen schaffte Stronghold es tatsächlich: Es ist sowohl eine gelungene Militär- als auch eine Wirtschaftssimulation, die flüssig ineinander übergeht. Und da niemand ihm das nachmachen kann, bleibt es in dieser Kategorie König.

 

Was nicht bedeutet, dass Firefly für ein Remake nur eine hübschere Grafik draufpacken musste und dann die Füße hochlegen konnte. Es musste ja zwei Michaels zufriedenstellen. Der erste und jüngere kann mit Nostalgie komplett zugedröhnt werden. Aber der zweite und ältere ist schwieriger, der hat jetzt sowas wie Ansprüche. Funktioniert das? J(a-Ja-N)ein.

 

Für Lords und Ladys ab 10 und 30 Jahren

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Belagern und Verteidigen, Wirtschaften und Bauen, das ist der Inbegriff von Stronghold. Heute genauso gut wie vor 22 Jahren. © 4P/Screenshot

Die kniffligste Frage bei der Rezension zu einem Remake: Beschreibt man jetzt das gesamte Original noch mal? Oder sollte nicht viel eher – um konsequent zu bleiben – die Original-Rezension von 2001 ein Remake bekommen? Die Antwort lautet auf beides: Ein ganz klares Ich-werde-den-Teufel-tun-Nein.

 

Hier leiste ich die nötige Vorarbeit, bevor ich zum Relevanten kommen darf: Stronghold bleibt Stronghold. Im Remake ist alles enthalten, was ihr schon kanntet oder dringend kennenlernen solltet. Allen voran die mega-charmante und mega-fesselnde Kampagne: Ihr kämpft gegen die Lords Ratte, Schlange, Schwein und Wolf – aber nein, es ist keine Fabel, es ist eine Geschichte mit ikonischen Mini-Filmchen, in der ihr euch durch die brutale Praxis eines Eroberungskrieges das gesamte strategische und wirtschaftliche Handwerk selbst beibringt. Als Nachtisch gab es damals diverse Zusatzmissionen und Modi. Heute genauso gut wie damals.

  1. So ein richtiges Remake wäre natürlich auch nett gewesen. Zumindest verlangen sie mit 14 Euro aber auch einen fairen Preis dafür. Und wer weiß, wenn es sich entsprechend gut verkauft, kann da ja auch nochmal irgendwann was kommen.
    Scheinbar hat das ja auch hauptsächlich nur 1 Mensch entwickelt, also da kann man dann eigentlich nichts sagen.

  2. Damals als 14-Jähriger geliebt, als mein jüngeres ich mit seinem Jugendweihe-Geld den ersten PC im Media Markt gekauft hat, gab's Stronghold und Baldurs Gate 2 - Thron des Bhaal Collectors Edition dazu. Nostalgie pur.
    "In den Graben?", "Ihr verlangt viel Sire" "der Marsch wird uns gut tun" "darf es noch etwas Rind sein?" ... usw. Das sind Erinnerungen. Ich werde mir die definitive Edition auf jeden Fall noch holen und hoffe Firaxis schlägt diesmal nach Stronghold den richtigen Weg ein.

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