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Stronghold: Definitive Edition im Test – Definitive Ja!

Zeit ist relativ. Jeder kennt den Spruch, aber kaum einer versteht ihn wirklich. Ich habe zeit meines Lebens schon viele Zeitphänomene gesehen: Zeitreisen (Terminator). Zeit, die durch extrem hohe Geschwindigkeit extrem verlangsamt wird (X-Men: Apocalypse). Zeit, die gleichzeitig vorwärts und rückwärts läuft (Tenet). Nicht zu vergessen Zeitschleifen und Szenarien, in denen ihr Gefüge vollständig zerstört wurde. All das kenne ich, aber ich verstehe es nicht. Genauso wenig wie ich verstehe, was Remakes genau in mir auslösen. Wenn ich Stronghold Definitive Edition spiele, sitzen da zwei Michaels. Einer ist 32 und hetzt einem feindlichen Burgherren völlig übertrieben 20 Ritter auf den Hals. Und einer ist zehn und macht exakt dasselbe, vielleicht mit noch mehr Rittern. Beide sind völlig zufrieden mit sich und sprechen alle Sprüche des Spiels nach. Selbst wenn sie gerade gar nicht vorkommen. Stronghold ist kein Spiel, es ist ein Zeitstrudel. Irgendwo zwischen Mittelalter, 2000er-Röhrenmonitor und 2023er-Home Office.

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Zu Alt kommt Neu
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Etwas schade: Die neuen Missionen werden nur über etwas lieblose Kerzenscheinlesungen erzählt, ohne ikonische Mini-Filmchen der Bösewichter. © 4P/Screenshot

Aber nun wurde das mittelalterliche Schlachtenbuffet erweitert. Um Multiplayerfunktionen und neue Modi (belagert und verteidigt spielererstellte Burgen!). Das Highlight bilden jedoch die neuen Kampagnen. In diesen spielt ihr Nebengeschichten zur Hauptgeschichte: Ein Hauptmann will die entführte Nichte eines Verbündeten retten. Das ist allerdings nur der erste Motivator; der zweite ist, dass die Kampagnen sehen wollen, was ihr in den letzten 20 Jahren gelernt habt. Der Schwierigkeitsgrad ist brutal hoch, er ist fast als ein Kompliment an euer Geschick zu verstehen.

 

Auf Belagerungsmissionen folgen Verteidigungsmissionen. Könnt ihr mit wenigen Truppen große Festungen einnehmen und eure Festungen gegen gigantische Armeen halten? Bis eine Wirtschaftsmission dazwischen kommt, die auf den ersten Blick unscheinbar aussieht, aber dann genauso Eisen frisst: Könnt ihr unter Zeitdruck Rohstoffe sammeln, während ihr permanent von Räubern, Bränden und Krankheiten gestört werdet? Danke, diese verzweifelten Situationen, in denen ich mir die Ärmel meiner Maus- und Tastatur-Hände hochziehen muss, habe ich mir gewünscht. Cool, dass beides abgedeckt wird, Nostalgie und Veteranentum.

 

14,99 Euro – aber was hätte ich für 30 Euro bekommen?

Die Entwickler haben das Potenzial von Stronghold neu ausgeschöpft und clevere sowie neue Spielvarianten gefunden – weiteres Beispiel: Ein Dorf einnehmen und dabei gleichzeitig von einer dritten Fraktion angegriffen werden (OMG – JA, ICH WILL (DRAUFGEHEN)). Selbst wenn nicht jede Mission mit Genialität brilliert. Es ist dennoch schön zu sehen, dass Firefly nicht mal eine Minute lang an eine reine Kopie gedacht hat. Sie waren uns ein neues Kapitel schuldig und das ist es.

 

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Seht und staunet, mein Reich erstrahlt in vollem Glanz und neuen Texturen – mit hunderten neuen Details. © 4P/Screenshot

Das wirklich sehr hübsch aussieht: Die Historienbuchgrafik wurde nicht nur hochgedreht und glänzender gemacht, sie lebt und atmet nun hundert weitere Details. Jede Einheit, jedes Gebäude hat ein optisches Upgrade erhalten. Was angenehmerweise nicht sofort auffällt, sondern vielleicht erst beim dritten Draufachten. So muss Remake-Grafik und nicht anders. Dem Berater hat es nicht gut getan, der sieht aus, als würde er als Mönch in einem Horrorfilm mitspielen, aber zum Glück kehrt der alte Berater per Option sofort wieder zurück (hinfort mit deinem verfluchten Zwillingsbruder!).

 

Und das war’s auch schon. Ich wäre an dieser Stelle enttäuscht, wenn das Remake nicht nur rund 15 Euro kosten würde. Trotzdem wirkt es unfertig und etwas halbgar. Stronghold 1.001. Warum haben die Kampagnen beispielsweise keine eigenen Mini-Filmchen erhalten? Warum erzählt der Erzähler nur einen Text bei Kerzenschein runter? Warum hat das Neue nicht so viel Liebe wie das Alte erhalten?

 

Mit einem Blick auf die DLC-Politik leuchtet der Plan ein: Gegen kleines Geld wird es zukünftig weitere Kampagnen geben. Cool, aber perfekt ist etwas anderes. Andererseits: Es gibt keine Alternative. Wer etwas wie Stronghold haben will, wird zu Stronghold gehen müssen. Allerdings hätte ich auch gerne 30 Euro für weitaus mehr gezahlt. Es wirkt wie der Anfang von etwas. Ich denke, dass die eventuelle Complete Edition in einem oder zwei Jahren (Zahlen frei erfunden) ein noch deutlich besseres und kompakteres Angebot liefern wird.

Kommentare

6 Kommentare

  1. So ein richtiges Remake wäre natürlich auch nett gewesen. Zumindest verlangen sie mit 14 Euro aber auch einen fairen Preis dafür. Und wer weiß, wenn es sich entsprechend gut verkauft, kann da ja auch nochmal irgendwann was kommen.
    Scheinbar hat das ja auch hauptsächlich nur 1 Mensch entwickelt, also da kann man dann eigentlich nichts sagen.

  2. Damals als 14-Jähriger geliebt, als mein jüngeres ich mit seinem Jugendweihe-Geld den ersten PC im Media Markt gekauft hat, gab's Stronghold und Baldurs Gate 2 - Thron des Bhaal Collectors Edition dazu. Nostalgie pur.
    "In den Graben?", "Ihr verlangt viel Sire" "der Marsch wird uns gut tun" "darf es noch etwas Rind sein?" ... usw. Das sind Erinnerungen. Ich werde mir die definitive Edition auf jeden Fall noch holen und hoffe Firaxis schlägt diesmal nach Stronghold den richtigen Weg ein.

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