The Invincible: Atmosphärisches Atompunk zum Anfassen
Wer schon einmal einen Roman Lems vor Augen hatte, dem dürfte bewusst sein, wie bildgewaltig und wortgewandt der 2006 verstorbene Schriftsteller schrieb. Egal ob komplexe, zum Zeitpunkt des Erscheinens
noch in weiter Ferne liegende Technologie oder Planeten, welche vollkommen unnatürlich und fremd waren: Lem schaffte es, seine Fantasien so gut in Worte und sprachliche Neuschöpfungen zu fassen, dass man sie auch als Laie direkt vor Augen hatte. Ein Stil, den die Entwickler von Starward Industries aufgreifen und erstmals visuell zum Leben erwecken: The Invincible sieht fantastisch aus und vermittelt von der ersten Minute an das Gefühl, dass man gerade wirklich in diesen bald 60 Jahren alten Roman einsteigt. Es ist alte Science-Fiction. Atompunk nennen es die Macher.
Es gibt keine hochmodernen Touchscreens, keine transparenten Monitore und von Holo-Übertragungen, mit denen man mit Personen über Distanz von Angesicht zu Angesicht sprechen kann, ist auch Nichts zu sehen. Die Zukunftstechnologie von The Invincible ist angenehm physisch, besteht aus Knöpfen, analogen Fotografien, die man aus den Drohnen manuell entfernen muss, und alles hat einen klobigen, der Hand nicht gerade schmeichelnden, aber trotzdem einladenden Look. Als ich das erste Mal in einem der retro-futuristischen Rover saß, hatte ich umgehend das Verlangen, alle Tasten berühren zu wollen. Der handliche Tiefenscanner wiederum erweckte mit seinem grüngefärbten Monitor Erinnerungen an die ersten Star Wars-Filme, während so manche Tür mich in eine Zeit versetzte, als ich das erste Mal Ridley Scotts Alien sah. Blicke ich an meinem Charakter herunter, entdecke ich am Raumanzug immer wieder unzählige liebevolle Details: Sei es die Sauerstoff- und Pulsmessung oder einzelne, metallene Übergänge, die das Konstrukt, welches mich vor den hiesigen Umweltgefahren schützt, irgendwie zusammenhalten. Windschnittige Designs? Hochmoderne, bis ins letzte Detail optimierte Technologie, in der mehr Chrom steckt als im Google-Browser? Die sucht man hier vergeblich.
Stattdessen liefert The Invincible Technologien, die man einfach spüren möchte. Das ist zwar leider nicht
möglich, aber dennoch schaffen es die Entwickler wortwörtlich mit ein paar Handgriffen, eine intensive Bindung zwischen mir und der Spielwelt zu erschaffen. Immer wenn ich einen Knopf drücken, eine Tür anfassen, einen Gurt festzurren oder eine Wand hochklettern muss, sind die Hände und Arme und manchmal auch Beine meines Charakters aus der Ego-Perspektive deutlich zu sehen, während die jeweilige Aktion detailliert ausgeführt wird. Sprinte ich zu lange, komme ich ins Schwitzen und der Helm beschlägt – leider manchmal zu oft, denn lang bedeutet in dem Sinne nur wenige Sekunden, ehe man erst mal wieder etwas langsamer gehen muss. Auch wenn The Invincible ein ruhiges, bedachtes Spiel ist, hätte ich mir hin und wieder gewünscht, doch etwas länger am Stück sprinten zu können, um etwas längere Strecken zügiger hinter mich zu bringen.
(K)eine Geschichte Lems
Aber worum geht es überhaupt in The Invincible? Wie bereits erwähnt basiert die Erzählung auf den Roman Der Unbesiegbare von Stanislaw Lem, ist aber keine direkte Nacherzählung der Ereignisse, obwohl einige Zeilen aus dem Roman quasi 1:1 übernommen worden sind. Als Spieler schlüpfe in die Rolle der Astrobiologin Yasna, die mit ihrer zugegeben ziemlich kleinen Crew auf der Oberfläche eines von Außen betrachtet wenig lebhaften Himmelskörpers landet. Doch statt umgeben von Kollegen zu sein, wache ich in der Person von Yasna erst einmal ganz alleine auf – mit Kopfschmerzen und Gedächtnisverlust, als wäre man am Vorabend im Berghain unterwegs gewesen. Wo meine Crew ist? Unbekannt. Warum mir niemand per Funk antwortet? Weil die Verbindung schlecht ist und ein wichtiges Bauteil am praktischen Weltraumrucksack fehlt. Wo ich überhaupt genau bin? Mitten in der Einöde, aber Gott sei Dank hilft das praktische Tagebuch, um zumindest ein erstes Ziel festzulegen: Irgendwo in der Nähe war es geplant, ein Lager aufzuschlagen.
Von da aus entwickelt sich eine mysteriöse Geschichte, die sich nach und nach immer mehr entfaltet: Gilt es zu Beginn, die restlichen Teammitglieder aufzuspüren und sicher wieder an Bord zu bringen, stellt sich zunehmend die Frage, wie es überhaupt zu diesem Dilemma kommen konnte. Warum leiden alle unter Gedächtnisschwund und Erinnerungslücken, sofern sie noch atmen? Wieso existiert auf diesem Planeten kein Leben, ob pflanzlichen
oder tierischen Ursprungs, obwohl die Bedingungen etwas anderes sagen? Fragen über Fragen, die sich mir und meiner Protagonistin stellen, auf die The Invincible zu guter Schluss zufriedenstellende Antworten liefert (zumindest in manchen Enden).
Ohne viel spoilern zu wollen: Wer die Romanvorlage kennt, dürfte viele Wendungen und die zu Grunde liegende Erklärung für all die ungewöhnlichen Phänomene auf Regis III längst kennen. An dieser Stelle kann The Invincible nur wenig überraschen, obwohl es weiterhin eine spannende Sci-Fi-Erzählung bleibt, die sich dem Thema Evolution auf eine andere Art und Weise nähert. Die Autoren des Videospiels liefern in dieser Hinsicht keine neuen Erkenntnisse oder verändern etwas an den Aussagen Lems, bieten aber dennoch einen interessanten neuen Winkel: Die Charaktere sind vielschichtiger aufgebaut und haben mehr Raum, um sich zu entwickeln, als seinerzeit die wenigen Protagonisten auf etwas über 200 Seiten. Mit Yasna rückt zudem das weibliche Geschlecht in den Vordergrund, spielte es doch in Lems Roman so gut wie keine Rolle.
Zu bedenken gilt jedoch: Es ist die Unreal Engine 4, sprich das Traversal Stuttering ist vorhanden, auch wenn es nur wirklich selten auftritt und angesichts des wirklich gemächlichen Spieltempos wenig ins Gewicht fällt. Das war glaube ich bei der Demo auch noch etwas stärker der Fall.
Hat nix mit der Amazon Serie Invincible zutun. Omniman wird nichtmal erwähnt. 1 von 5 Sternen. Würd 0 Sterne geben, wenn ich könnte.
Ney, Spaß. Der Test mach schon neugierig auf das Spiel. Leider gibt es auf PS5 keine Demo dafür, sonst hätte ich die gleich mal geladen.
Ich mag solche Wandersimulatoren. Natürlich mag ich auch meine 150 Stunden Open World Spiele, aber solche kurzen Ausflüge, die man auch mal an einem Wochenende beenden kann, schiebe ich gerne mal dazwischen. Firewatch hat mir schon gut gefallen; da werde ich hier auch nix falsch machen.
Ich bin ja eigentlich nicht der größte Sci-Fi- oder Weltraum-Fan, aber da mir Firewatch außerordentlich gefallen hat, werde ich mir The Invincible in näherer Zukunft (heh) definitiv mal anschauen.