Roter Wein aus Toussaint! Zum ersten Mal fällt der Name des edlen Tropfens in The Witcher 3: Wild Hunt, als man beim Roten Baron ein Verbrechen recherchiert und mit seinen Hexersinnen der fast verflogenen Spur des Alkohols folgt. Wer hätte gedacht, dass einen der Weg mal in das idyllische Land des Sommers führt? Aber wenn Herzogin Anna Henrietta aufgrund einer Mordserie verzweifelt ruft, kann man ja mal folgen. Schon dieser Einstieg in einer kleinen Hütte in Velen wird ebenso stimmungs- wie humorvoll inszeniert, zumal Geralt die beiden Ritter kennt, die ihn da im vollen Plattenpanzer wie zwei goldene Pfauen eskortieren – und den Hexer fragen: Findest du uns etwa merkwürdig, Geralt?
An der Oberfläche ist dieses Toussaint so etwas wie das spätmittelalterliche Frankreich unter einem Fantasybrennglas – malerisch, prunkvoll und natürlich voller Rittertugenden, mit dem Märchenschloss „Beauclair“ vor Alpenpanorama. Und was sind das für stolze, normannisch klingende Namen: Ramon du Lac! Milton de Payrac! Palmerin de Launfal! Man fühlt sich fast, als würde man durch den „Fernen Spiegel“ von Barbara Tuchmann schreiten. Weil die Herren auch noch so gestelzt von Ehre und Tugend reden sowie recht steife Sitten pflegen, ist selbst der weit gereiste Geralt köstlich irritiert. Die deutsche Sprachausgabe ahmt – zum Glück – die Dialekte der englischen Version nicht nach und überzeugt mit guten Sprechern.
Neuschwanstein und Ritterromantik
CD Projekt RED legt für diese Erweiterung technisch nochmal nach. Auch wenn es auf den Konsolen leider keine konstant flüssige Bildrate sowie sporadische Abstürze gibt, ist die Kulisse schlichtweg fantastisch – von der fein geschnittenen Mode (achtet auf die Nähte, die Stoffe…) über die Plattenrüstungen (achtet auf die Scharniere, die Übergänge…) bis zur mediterran anmutenden Architektur (achtet auf die Wandmalereien, den bröckelnden Putz…). Wenn euch die Wilde Jagd zu bunt vorkam, braucht ihr hier jedenfalls eine Sonnenbrille. Denn gegen diese Gefilde wirkt selbst das repräsentative Novigrad etwas blass.
Ich war ein Jahr nicht mehr mit dem Hexer unterwegs und bin hier ganz langsam, ganz genüsslich spazieren gegangen, zumal auch Kinder, Bauern und Höflinge ihrem Alltag nachgehen – all das sorgt für Milieu und Stimmung. Dabei fällt einem allerdings auch auf, dass man Geralt nicht immer punktgenau bewegen kann; es gab auch ein, zwei Stellen, die ich mehrmals anlaufen musste, bevor z.B. das aktivierbare Icon erschien. Schade ist zudem, dass die Stadt um Beauclair zwar inklusive reicher und armer Viertel recht groß, aber nicht gerade sehr belebt ist; manchmal trifft man kaum Passanten. Zwar wirkt dieses Abenteuer gerade zu Beginn recht grell, doch keine Bange: Es folgen einige verfluchte, düstere und sehr gefährliche Schauplätze sowie Katakomben. Denn unter dieser Neuschwanstein’schen Künstlichkeit lauert – den Göttern der Dramaturgie sei Dank – das Abgründige.
Cyberpunk 2077 wird nie diese Perfektion von Witcher 3 erreichen.
Witcher 3 und dieses DLC gehören einfach zum besten, was es im Bereich Videospiel gibt.
Witcher 3 reifte auch erst mit den Folgemonaten. Aber hauptsache wieder rummeckern...
Fazit Herr Luibl:
"Wenn die Polen mit diesem Service und dieser Leidenschaft an Cyberpunk 2077 rangehen, kann man sich als Rollenspieler nur diebisch freuen"
Tjaja, was soll man sagen. Witcher 3 wurde mit seinen Addons immer besser und gipfelte (für mich zumindest) in nie da gewesener epicness. Blood and Wine gehört für mich zu den Top 3 Spielen aller Zeiten.
Und Cyberpunk? Das ist dagegen wirklich eine Gurke. Total der Rückschritt.
Nachtrag: Wenn man aus dem Spiel heraus B&W startet, können zwar einige Hinweise, aber nichts zur Hauptstory.
Und vermutlich steht dann auch ein Level daneben, das rein von der Höhe schon signalisiert "nach dem Hauptspiel".
Aus meiner Sicht kann man da nirgends heraus ableiten, dass man B&W jederzeit spielen könnte, sondern dass schon eine Reihenfolge gedacht ist.