Eine Zug-Simulation, bei der die Züge tatsächlich abfahren und pünktlich ankommen? Keine Fahrplan-Kürzungen? Kein Streik? Das ist ja kaum realistisch. Zugegeben: Für einen kurzen Moment habe ich tatsächlich überlegt, dem auch mich als Pendler beeinflussenden Streik der GDL Tribut zu zollen und eine leere Seite anzubieten. Doch das wäre zu viel der Ehre für die in den Ausstand getretenen Bahner, deren berufliche Verdienste ich damit nicht schmälern möchte. Denn ich habe es auf der etwa 400 Meilen langen Strecke von z.B. Edinburgh nach London nicht geschafft, den Zeitplan einzuhalten. Und das, obwohl mir die umfangreichen Tutorials sowohl die einfache als auch die komplexe Steuerung erklärten. Bei der „realistischen“ Kontrolloption, in der man entweder stilecht im Führerhäuschen die Schalter und Hebel betätigt oder aber über ein Widget auf dem Hauptbildschirm alle Funktionen griffbrereit hat , werden einem sogar die spezifischen Unterschiede beigebracht, die für das Bedienen einer Dampflok nötig sind und die man tunlichst beachten sollte, wenn man den Zug in Bewegung setzen möchte.
Die einfache Variante hingegen funktioniert im Wesentlichen wie bei einer Modelleisenbahn: Über einen Drehregler legt man den Krafteinsatz der Maschinen fest, der auf die Schiene übertragen werden soll. Man muss sich nicht haarklein um die unterschiedlichen Bremstypen kümmern. Ein Dreh nach rechts oder links und die Lokomotive samt Fracht- oder Passagierwaggons wird schneller oder langsamer bzw. fährt in die Gegenrichtung. Beinahe so wie in meiner Kindheit, als ich im Keller auf einer drei Quadratmeter großen Sperrholzplatte meine Spur-Z-Züge von Märklin über die Schienen hetzte, bis sie aus den Kurven flogen. Im Gegensatz zum Train Simulator gibt es hier sogar noch eine weitere Parallele zur Modellbahn: Man kann abhängig vom Spielmodus auch die Weichen stellen anstatt nur als Lokführer hinter den Schaltern zu sitzen.
Zwischen Langeweile und Faszination
Nicht nur bei den staubtrockenen, aber immerhin interaktiven Tutorial-Missionen wurde ich ständig zwischen Langeweile und einer vermutlich auch den Modellbahn-Kindheitserinnerungen entspringenden Faszination hin und her gerissen. Auf den vier mitgelieferten Strecken, die vornehmlich im englischsprachigen Ausland platziert sind (USA, England, Australien)
wurde ich ebenfalls durch ein Wechselbad der Gefühle geschleust – insofern man dies bei einer derart unspektakuklären Materie sagen kann. Auf der einen Seite war es interessant herauszufinden, welchen Mindestanforderungen man sich hier gegenübersieht. Signale müssen beachtet und auf der Strecke in England sogar per Knopfdruck bestätigt werden, da sonst eine Notabschaltung stattfindet. Man sollte auch auf Geschwindigkeitsbegrenzungen achten und darf bei Passagierzügen zudem nicht den Fahrplan aus den Augen verlieren. Das Problem: Die Konsequenzen bei Nichtbeachtung sind irrelevant. Es gibt leichte Punktabzüge in der Endabrechnung, aber das war es auch. Geht man bei entsprechenden Zügen mit zu viel Tempo in den Endbahnhof oder rast mit überhöhter Geschwindigkeit durch eine Kurve, sorgt die akkurat wirkende sowie natürlich Auswirkung auf den Bremsweg zeigende Physik für Entgleisungen, die jedoch (analog zu Modellbahnen) weitgehend unspektakulär ablaufen. Und das ist dann bereits die größte Strafe.
Apropos: Wieso bleibt man bei den wenigen mitgelieferten Sessions (entsprechen im Wesentlichen Missionen) erzkonservativ und geht keinerlei Risiko ein? Es gibt abseits von roten Signalen keine Zwischenfälle in irgendeiner Form. Man verzichtet auf Fahrzeuge, die auf Bahnübergängen liegen geblieben sind und vor denen man abbremsen müsste – obwohl man in der Landschaft sogar das eine oder andere Fahrzeug sehen kann, dass irgendwo von A nach B rollt. Es gibt keine Sonderfälle, in denen man z.B. bedingt durch einen Streik auch neue Stationen bedienen muss, die man vorher durchfahren hätte, während man tunlichst nicht aus dem Zeitplan fällt. Mit solchen kleinen Modifikatoren hätte das staubtrockene Simulieren nicht nur aufgewertet, sondern das Missionsdesign gleichzeitig auch „realistischer“ gestaltet werden können.
Unkomfortable „Download-Station“
Abhilfe könnte durch die rege Community entstehen, die sich die Trainz-Serie in den letzten 15 Jahren aufgebaut hat und die vor nicht erst mit den letzten Ausgaben Trainz Simulator 12 sowie Trainz Simulator 10 haufenweise Inhalte erstellte. Zu finden sind diese Kreationen zum einen auf der Trainz Download Station, zum anderen aber auch durch einen Browser, der aus dem „Inhalte erstellen“-Menü heraus aufrufbar ist. Allerdings ist dieser im Vergleich zum Vorgänger unübersichtlicher und damit auch deutlich unkomfortabler zu bedienen. Was bringt mir der Zugriff auf gut 250.000 verfügbare Inhalte, wenn es keine übersichtliche Suche gibt? Wenn ich als Anfänger einfach nur neue Strecken, Missionen oder Lokomotiven haben möchte, finde ich zwar schließlich, was ich mir ungefähr vorgestellt habe, doch der Weg dorthin ist beschwerlich – zu beschwerlich, um zum Spaß beitragen zu können. Selbstverständlich gibt es auch „offizielle“ Add-Ons, mit denen man sein Spiel sofort aufwerten kann. Doch mit etwa 40 Dollar für z.B. eine Routen-Erweiterung muss man tief in die Tasche greifen. Also bin ich erstmal bei den Community-Inhalten geblieben.