Wie groß der chinesische Gaming-Markt wirklich ist, das stellt Black Myth: Wukong an seinem heutigen Release-Tag mit mehr als zwei Millionen gleichzeitigen Spieler*innen auf Steam bestens unter Beweis. Sie alle konnten es nicht erwarten, in die Haut des haarigen Protagonisten zu schlüpfen und die bizarren Kreaturen der chinesischen Mythologie die harte Kante ihres Stabes spüren zu lassen.
Auch wir haben uns dieser Aufgabe angenommen – wenn auch mit deutlich weniger Vorlauf als wir gerne gehabt hätten. Letzten Freitag zum Embargo erfolgte unser Ersteindruck, nun bekommt ihr den ausführlichen Test zu lesen. Beim Weiterspielen bestätigten sich die positiven Punkte, es haben sich aber auch einige Makel herauskristallisiert, die Kratzer in der Hochglanzgrafikfassade hinterlassen. Welche das sind und ob sich Black Myth: Wukong trotzdem lohnt, verraten wir euch im Test.
Black Myth: Wukong – Auf den Spuren einer Legende
Black Myth: Wukong beginnt nicht nur mit einer beeindruckenden Zwischensequenz, sondern auch mit einer Überraschung: Denn nachdem sich der titelgebende Affenkönig am Ende seiner Reise mit den zahlreichen Göttern im Himmel anlegt und dabei versagt, wird er zurück auf die Erde geworfen und in einem Stein versiegelt. Eben jenes Siegel gilt es nun zu lösen und natürlich wird diese Aufgabe mir als auserkorenem Affen zuteil, weshalb ich auf den Spuren Sun Wukongs wandle.
Nicht nur mit der Prämisse, sondern auch mit der Reise selbst adaptiert Black Myth: Wukong den berühmten chinesischen Roman „Die Reise nach Westen“, verfasst im 16. Jahrhundert von Wu Cheng’en. Wer die Geschichte schon einmal gelesen hat, wird viele Referenzen sicherlich wiedererkennen – für alle anderen ist die Story eher ein Abhaken von Stationen, die im Kontext des größeren Ziels ein wenig willkürlich wirken und bei denen ich oft mit dem Gefühl zurückblieb, ich hätte gerade in einen Film eingeschaltet, der bereits seit einer Stunde läuft.
Der Story mangelt es ohne Vorkenntnisse damit gelegentlich an erkennbarer Kohärenz, trotzdem lassen sich die schicken Zwischensequenzen und die vielen Anleihen aus der chinesischen Mythologie durchaus als Spektakel genießen. Besonders authentisch wird’s mit der chinesischen Sprachausgabe; wer keine Lust auf Untertitel lesen hat, kann sich aber auch der englischen bedienen. Die Texte sind überraschenderweise alle auch auf Deutsch verfügbar, hier und da ist man aber mit der Übersetzung noch nicht fertig gewesen, weshalb einige Menüfunktionen nur auf Englisch oder in seltenen Fällen sogar nur auf Chinesisch dargestellt wurden.
Mit Stab statt Schwert
Obwohl ich nur einen Nachfahren Wukongs steuere, darf sein berühmt-berüchtigter Stab natürlich nicht fehlen: Die ausfahrbare Waffe aus stabilem Holz liefert schlagkräftige Argumente, bei denen Martial-Arts-Mönchen, Kreuzungen aus Tigern und Schlangen sowie Käferkriegern gerne mal die Worte fehlen – vielleicht auch, weil sie ohnmächtig im Staub liegen. Und wenn es eines gibt, das Black Myth: Wukong wirklich perfekt umgesetzt hat, dann ist es der Umgang des Affen mit seinem Stab – der ist nämlich nicht nur optisch, sondern auch spielerisch die reinste Freude.
Leichte Schläge verwandeln sich in akrobatische Drehungen und kulminieren in fiesen Sprungattacken; aufgeladene Angriffe machen den Stab noch stärker, lassen ihn mit großer Reichweite blitzschnell ausfahren oder erlauben mir, an der Spitze zu balancieren, während ich Feinden auf dem Boden entgehe. Dazu kommen Ausweichhüpfer, die bei perfekter Ausführung einen Klon hinterlassen, der später auch schmerzhaft explodieren kann: Wukong war schließlich schon immer ein listiger Bursche, gleiches gilt also auch für seinen Nachfahren. Parieren oder Blocken kann ich nicht, Angriff ist demnach die beste Verteidigung.
Alle Aktionen verbrauchen dabei ungewöhnlich wenig Ausdauer und eigentlich hätte man sich die entsprechende Leiste gleich sparen können: Management ist kaum nötig, Konsequenzen kaum vorhanden, also wird wild geschlagen und gehüpft. Ein Kritikpunkt ist das nicht, ganz im Gegenteil, passt es doch wunderbar zum Charakter: Da ich einen Affen spiele und keinen dick gepanzerten Ritter, möchte ich mich natürlich auch entsprechend akrobatisch fühlen und bewegen. Das Treffer-Feedback leidet darunter nicht; jeder Schlag fühlt sich wuchtig, aber nicht schwerfällig an.
Etwas schade: Die unterschiedlichen Haltungen, bei denen sich mein schwerer Angriff unterscheidet, haben keinen Einfluss auf die leichten Schläge oder darauf, wie mein Affe mit seiner Waffe optisch umgeht. Hier hätte ich mir ein System wie bei Team Ninjas Nioh gewünscht, wo jede Haltung dafür sorgt, dass das ausgerüstete Mordinstrument anders gehalten wird und Auswirkungen auf die Art der Angriffe, die Ausdauer und sogar die Effektivität gegen manche Feinde hat.