Ein Meister der Täuschung
Doch der Auserkorene verlässt sich nicht nur auf rohe Gewalt, sondern hat auch einige magische Asse im affigen Ärmel. Direkt zu Beginn bekomme ich einen Lähm-Zauber in die Hand gedrückt, mit dem ich Gegner kurzzeitig einfrieren und dann hemmungslos verdreschen kann. Später folgen der „Wolkenschritt“, mit dem ich unsichtbar werde und eine Kopie zur Ablenkung hinterlasse; die Fähigkeit „Felsenfest“, die mir temporäre Versteinerung erlaubt; sowie ein Zauber, bei dem ich aus meinen Haaren eine Reihe Doppelgänger erschaffe, die dann mit mir in den Kampf ziehen.
Die magischen Fähigkeiten lockern die Auseinandersetzungen angenehm auf und lassen Black Myth: Wukong weniger wie Dark Souls oder Devil May Cry wirken, sondern wie das dazwischen positionierte God of War (2018), bei dem bodenständiger Nahkampf auf zusätzliche Talente trifft. Die Mischung passt hervorragend zu der Darstellung Wukongs und erlaubt mir spielerisch unterschiedliche Gewichtungen, je nachdem, welche Zauber mir am besten gefallen. Bei der Individualisierung hilft auch der wirklich gigantische Talentbaum, in den sich über 200 Fähigkeitspunkte investieren lassen.
Fokussiert bleiben
Da das Parieren fehlt, kommt Black Myth: Wukong nicht ganz an das pure Adrenalin heran, das Stellar Blade Ende April in meine Venen gepumpt hat – trotzdem gehört das Kampfsystem zu den spaßigsten, die ich in den letzten Jahren im Bereich der Action-Rollenspiele erlebt habe. Die fehlende Waffenauswahl ist dabei ebenfalls eine Stärke, weil man sich – abseits der seicht ausfallenden Haltungen – so ganz darauf konzentrieren konnte, alles aus Wukongs Stab herauszuholen.
Deshalb unterscheiden sich die verschiedenen Stäbe auch nur optisch und in ihrer Stärke, nicht aber in ihren spielerischen Qualitäten. Weitere Anpassungsmöglichkeiten liefern die verschiedenen Rüstungen, die meinen haarigen Helden allesamt in eine stylische Bedrohung verwandeln, meine Verteidigung steigern und verschiedene Boni bieten; sowie meine Kürbisflasche, die je nach Zutaten zusätzlich zur Heilung vorübergehende Buffs auftischt.
Nur eine Prise Soulslike
Letztere füllt sich übrigens nur auf, wenn ich an einem Schrein raste. Die Speicherpunkte in Black Myth: Wukong funktionieren ähnlich wie die Leuchtfeuer in Dark Souls oder die Orte der Gnade in Elden Ring, heilen mich also und lassen auch besiegte Gegner wieder auferstehen, mit einem kleinen Unterschied: Ich kann mit den Schreinen interagieren und alle Funktionen nutzen, ohne rasten zu müssen. Das Heilen und Respawnen der Gegner ist also eine bewusste Entscheidung, die mich nicht davon abhält, etwa meine Fähigkeitspunkte neu zu verteilen oder einen stärkeren Stab zu schmieden.
Abseits der Speicherpunkte hat Black Myth: Wukong dabei überraschend wenig mit dem von FromSoftware gemeißelten Genre gemein: Da wären noch die erwähnte Ausdauerleiste und natürlich eine ganze Reihe an brachialen Bosskämpfen, aber an dieser Stelle hören die Gemeinsamkeiten dann auch auf. In Sachen Level-Design erwartet euch statt einer verzweigten Welt mit vielen Abkürzungen, Türen und Aufzügen ein recht linearer Open-Schlauch, bei dem ihr vorrangig Gegner verkloppt und nur vereinzelt ein paar Schatztruhen findet.
Auch das Ableben bleibt unbestraft: Keine verlorenen Erfahrungspunkte, die ich wieder aufsammeln muss und dabei riskiere, dass sie für immer verschwinden, wenn ich auf dem Weg dorthin erneut ins Gras beiße. Dazu kommen lächerlich kurze und größtenteils gegnerfreie Laufwege: Fast immer befindet sich direkt vor einem großen Bosskampf auch ein Speicherpunkt, sodass ich mich beim Versagen direkt wieder ins Getümmel stürzen kann. Was selten vorkommt, denn über große Strecken ist Black Myth: Wukong überraschend einfach.