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Indika im Test: Ein Spiel zwischen Himmel und Hölle

Als Indika im Oktober 2023 enthüllte wurde, schlug das Spiel des aus Russland geflohenen Studios Odd Meter nicht nur Wellen, weil sich die Entwickler offen gegen den von Putin initiierten Angriffskrieg auf die Ukraine positionierten, sondern auch aufgrund seiner abstrusen Ästhetik. Der Trailer wirkte mehr wie ein Fiebertraum oder ein neuer Film aus dem A24-Repertoire, mit irren Kameraperspektiven, Farbakzenten und bedrohlichen Bildern. Seit Anfang Mai ist das Adventure auf dem PC erhältlich, am 17. gesellten sich auch die PlayStation 5- und Xbox Series X | S-Versionen dazu. In unserem Test sind wir in die Kluft der namensgebenden Nonne Indika geschlüpft, ins Kloster eingekehrt und verraten, ob euch hier ein himmlisches Abenteuer oder ein echter Höllen-Trip erwartet.

© Odd Meter / 11 bit studio

Indika: Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!
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Indika scheut sich nicht davor, gleich von Anfang an richtig schön seltsam zu sein: Nach einem Pixel-Sturz folgt eine verwirrende Messe. © 4P/Screenshot

Seit wann fallen Nonnen vom Himmel? Eine Frage, die der Beginn von Indika durchaus aufwerfen könnte, denn das Spiel startet mit einem pixeligen Arcade-Minispiel, bei dem ich in freiem Fall goldene Sterne einsammeln muss. Ich falle und falle und falle – bis ich auf dem Boden der Tatsachen lande und mich in einem Altarraum befinde, mitten in einer Messe. Die Nonne Indika hat offenbar vor sich hin geträumt und wird für ihr Fehlverhalten auch sogleich bestraft. Der Klosteralltag empfängt mich ruppig: Wer Gott oder einem seiner Stellvertreter nicht den nötigen Respekt zollt, muss über seine Sünden nachdenken und wird mit niederen Aufgaben betreut.

 

Entsprechend darf ich dann auch gleich einen Korb Kartoffeln durch das halbe Kloster schleppen, während ich mich in der verwirrenden Levelstruktur verirre: Zwar wird mein Ziel durch einen weit entfernten Punkt markiert, doch der Weg dorthin gleicht einem Labyrinth und führt mich vorbei an zufällig platziert wirkenden Holzkonstruktionen, die in Sackgassen enden. Der kleine Botengang fängt die Klosterstimmung hervorragend ein: Hohe Mauern, schlamm- und schneebedeckte Wege, ein Mix aus grau, braun und weiß – alles wirkt einschüchternd und abschreckend, kalt, beklemmend.

 

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Da bilden sich fast schon Eisblumen auf dem Bildschirm: Angesichts der klirrenden Kälte muss sich Indika mit ihrer Nonnenkutte und der Klosterarbeit warm halten. © 4P/Screenshot

Untermalt wird das Ganze von einer atmosphärische Soundkulisse: Meine Fußstapfen durch Schnee und Pfützen hallen zwischen den wolkenkratzenden Wänden hin und her wie ein Pingpong-Ball der Trostlosigkeit, der heulende Wind und in der Entfernung quietschende Türen oder Ketten tun ihr Übriges. Die grimmige Ordensschwester, die mir die Ladung Gemüse vor die Füße knallt und nicht einmal ein Wort des Dankes für mich übrig hat, passt natürlich ebenfalls in diese von jeglicher Freude befreite Atmosphäre: Klar, das Leben in einem russischen Kloster des 19. Jahrhunderts war kein Zuckerschlecken, auch, wenn es sich hierbei um ein fantastisch angehauchtes Paralleluniversum handelt.

 

Manie und Monotonie

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Die pixeligen Einblendungen von Punkten und Zielen sind angesichts des ernsten Settings zunächst befremdlich, im Verlauf des Spiels erschließt sich aber ein narrativer Sinn dahinter. © 4P/Screenshot

Wenn ich gehofft habe, dass ich nach der erfolgreichen Lebensmittelbeschaffung spannenderen Aufgaben zugeteilt werde, dann stellt mir Indika direkt das nächste Bein: Es muss Wasser geholt werden, und das nicht zu knapp. Fünf Mal lässt mich das Spiel zum Brunnen laufen, den Eimer herunterlassen und wieder hochholen, um ein nahestehendes Fass zu befüllen. Klingt langweilig? Ist es auch, und als ich endlich fertig bin, leert eine andere Schwester das Holzbehältnis einfach wieder aus und macht meine Arbeit vollends zunichte. So muss sich Wahnsinn anfühlen.

 

Indika ist sich dieser extremen Eintönigkeit natürlich bewusst, und damit meine ich Nonne wie Spiel gleichermaßen: Die Erzählerstimme, die mich auf Schritt und Tritt in meinem Kopf verfolgt, neckt mich mit den Worten „unnütze Arbeit ist die Grundlage geistlicher Entwicklung“, während eine verpixelte Zahl am oberen Bildschirmrand anzeigt, wie oft ich noch zum Brunnen latschen muss. Es ist ein krasser Kontrast, denn die manische Monotonie des Nonnenalltags wird mit einer bizarren Art der Gamification versehen: Schon beim eingangs erwähnten Minispiel sammle ich Punkte, die in der linken oberen Ecke des Bildschirms permanent präsent sind.

 

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Pflicht! Mein erster Auftrag in Indika ist das Beschaffen von Gemüse, typisch in einer Selbstversorgergemeinde. © 4P/Screenshot

Sie dienen meinem Stufenaufstieg, der im Menü in einem Talentbaum festgehalten wird: Bei jedem Abschnitt kann ich mich zwischen zwei religiös konnotierten Attributen wie Schande, Buße, Trauer, Schuld, Demut oder Reue entscheiden, die jedoch keinen erkennbaren Nutzen haben – außer, noch mehr Punkte zu verdienen, um die Eigenschaften schneller zu leveln. Dann wäre da aber natürlich noch der metaphorische Aspekt, bei dem Indika mehr und mehr Schuld, Schande oder Buße auf sich lädt, weil sie dies im Rahmen ihres Glaubens als notwendig erachtet. Ganz am Ende werden die zunächst sinnlos wirkenden Punkte und Stufenaufstiege dann aber clever in die Gesamtheit des Spiels einordnet, werfen neues Licht auf die dunkle Reise der Nonne und bieten einen spannenden Interpretationsansatz.