Kampf? Ach, lass mal …
Kriegerisch zu spielen ist im Prinzip möglich. Aber:
Wer Krieg erklärt und führt, bekommt Chaospunkte, die einzigen Punkte im Spiel, die man nicht haben will. Sie laufen wie Innovation auf einem Konto auf und sorgen irgendwann bei mehr als 100 für ein Ereignis, das bestenfalls lästig, aber harmlos ist, schlimmstenfalls aber ganze Reiche verwüstet. Eine Barbarenattacke auf alle Regionen eines Spielers etwa sorgt ziemlich sicher für großflächige Zerstörungen der Ausbauten auf den Geländefeldern – und damit für einen großen Rückschritt.
Hier wird der Entwickler sicher noch einmal Hand anlegen müssen, denn momentan macht Kriege führen so gar keinen Spaß, weil erst spät in einer Partie Technologien vorkommen, die Chaos etwas abfedern können. Besser läuft es hingegen, wenn eine andere Nation den Krieg erklärt, weil die Chaospunkte dann niedriger für den Spieler ausfallen. Doch ein Haken bleibt: Nutzt man die Gelegenheit, sich gegnerische Städte zu holen, gibt es wieder Chaos satt, dieser Pest ist also schwer zu entkommen.
Dabei ist die Idee negativer Punkte eigentlich ganz gut. So sinken beispielsweise für jede neue Region, die ein Spieler übernimmt (selber siedeln, neutrale Siedlung erobern oder diplomatisch übernehmen), die Menge an Kulturpunkten, dafür steigt der Chaoswert durch Tumulte in den Städten. Während man bei Civ 6 weitgehend zwanglos siedeln kann, muss hier jede neue Siedlung gut überlegt sein, Rohstoffe lassen sich schließlich auch in Form von Außenposten einsammeln. Da ist vor allem für erfahrene 4X-Spieler reizvoll, weil die Partie so wirklich gut geplant werden muss, zumindest auf höheren Schwierigkeitsgraden (es gibt fünf).
Diplomatie mit den standardmäßig sieben anderen Nationen ist möglich, aber deutlich rudimentärer als bei Civ 6. Unschön ist vor allem, dass ein Allianzpartner einen Spieler jederzeit in einen Krieg mit anderen Nationen verwickeln kann – ob man will oder nicht. Daher ist hier wirklich der Starke am mächtigsten allein, zumindest besser vor Kriegen geschützt als mit so genannten Allianzen. Trotzdem können Bündnisse sinnvoll sein, allerdings hat die KI bislang in Sachen Kriegsführung noch nicht beeindruckt.
Mit genug Übermacht, weil der Spieler eventuell das regelmäßige Aufrüsten verschlafen hat, kann die KI dennoch schmerzhafte Schläge landen. Abhilfe schafft da ein Gesandter in einer Stadt der anderen Nationen, allerdings muss der es erst einmal lebend dorthin schaffen. Ohne militärische Begleitung ist das aber unwahrscheinlich. Denn die Barbaren, allen Civ-Spielern seit Jahrzehnten als Nervensägen bekannt, sind in Millennia besonders üppig gesät und können einem richtig auf de Nerven gehen, nicht nur auf Reisen.
Nur noch eine Runde
Dennoch biete Millennia eines der wichtigsten Merkmale eines guten 4X-Spiels: Man will einfach weiterspielen. „Ach, komm, eine Runde noch“: Das werden viele Spieler im Kopf haben – und plötzlich ist es mitten in der Nacht. Denn Millennia bietet viele Faktoren, die dafür entscheidend sind. Es gibt immer etwas zu tun: Naturwunder entdecken und später im Spiel erforschen, jede Runde wieder über neue Bauaufträge entscheiden, je nachdem, welche Punkte man gerade am dringendsten braucht, die Verteidigung im Blick haben, zur richtigen Zeit die Forschung boosten, das Wachstum der Hauptstädte im Auge haben (immer auf 200 Prozent wäre perfekt) und vieles mehr.
Hier macht das Spiel einfach vieles richtig, zumindest im Prinzip. Denn wie bereits erwähnt, gut ausbalanciert ist Millennia bislang noch nicht. Und auch technisch zeigen sich später im Spiel Probleme mit der Framerate – große Imperien ziehen im Moment noch deutlich zu viel Grafikleistung.