Spürbar mehr Abwechslung
Die neuen Fähigkeiten schaffen dabei erfreulich viel Abwechslung: Zunächst zeichne ich eine magisches Efeugewächs an die glühende Wand, so dass Quill auf die Empore zum Schalter klettert. Danach male ich eine Rankenbrücke zwischen zwei Ankerpunkte und führe einen klappernden Käfer auf einen weiteren Schalter. Auch in Kämpfen lassen sich die Biester wieder effektiv von Quill wegzerren.
Solche Manöver gehen mit den zwei Controllern der Quest 2 noch entspannter von der Hand als den einzelnen PS4-Controller zweihändig durch die Luft zu bewegen. Mit Metas Hardware fühlt sich all das noch einen Deut natürlicher an. Ich benutze einfach die nächstgelegene Hand oder bediene das Waffen-Inventar praktisch nebenbei – sehr lässig. Das soll nicht heißen, dass kein Drama geboten wird: Auf der Reise kommt es zu unerwartet emotionalen Momenten, die mir schon mal einen Kloß im Hals bescherten. Auch der ruhige, sporadisch eingestreute Soundtrack spielt dabei eine wichtige Rolle.
Großes Abenteuer oder kleiner Snack?
Ein wenig traurig war ich auch über die Kürze des Spiels. Nach rund fünf bis sechs Stunden ist die magische Reise schon wieder vorbei. Trotzdem fühlte ich mich hinterher deutlich „satter“ als nach Teil 1. Vor allem in der zweiten Spielhälfte greifen viele Mechaniken schön ineinander und sorgen für einen guten Kampf- und Knobel-Rhythmus. Quill manipuliert beispielsweise Mechanik-Puzzles mit einem fetten Hammer. Oder sie lässt ihn auf einen Gegner krachen, während ich eigenhändig an der groben Mechanik zerre oder drehe.
Bei solchen Multitasking-Aktionen bekommen Quest-2-Spieler übrigens einen unfairen Vorteil, der das Spiel zu leicht machen könnte. Trotz beidhändiger Bedienung dürfen sie nicht an zwei Dingen gleichzeitig zerren, sondern immer nur an einem zur selben Zeit. Besonders cool ist es, einen Raupengegner zu spannen. Danach kugelt er wie eine Flipperkugel über Rampen, um etwa die Panzerplatten an einem Boss zu zerdeppern. Nimm das, vermaledeiter Lavakäfer! Die größeren Gefechte bringen eine angenehm fokussierte Abwechslung in den Spielrhythmus.
Ansehnliche Quest-Umsetzung
Trotz Quills etwas behäbiger Laufgeschwindigkeit und ihrer Trägheit zwischen Animationen ist die Steuerung präzise umgesetzt. Gut gefallen haben mir auch die Fähigkeiten einer neuen spielbaren Figur, zu der ich aber noch nicht zu viel verraten möchte. Ihre verschneite Winterwelt, das Schloss und die überwucherten Gärten gehören zu den schönsten VR-Kulissen des Jahres! Auf der PlayStation VR (getestet mit der PS4 Pro) kommen die magisch glühenden Pflanzen besonders gut zur Geltung.
Quest-2-Besitzer müssen leichte Abstriche in Kauf nehmen, z.B. bei Beleuchtung, gröberen Pixelkanten und mitunter unschärferen Texturen. Im Gegenzug profitiert die mobile Umsetzung von der höheren Auflösung: Dank vieler Detailstufen bleiben Gemälde sogar dann knackig scharf, wenn ich mich nah an sie heranlehne. Im Vergleich zur Quest-Umsetzung von Teil 1 hat sich Entwickler Polyarc richtig ins Zeug gelegt. Hintergründe wie Säulen oder Steinskulpturen wirken deutlich weniger stumpf. Vor allem Wasseroberflächen glänzen in Teil 2 eine ganze Ecke hübscher. Auch ohne animierte Welleneffekte hatte ich diesmal eher den Eindruck, einen erfrischenden kühlen Tümpel vor mir zu haben. Ein wenig schade ist, dass es auf beiden Systemen nur einfache, runde Schatten gibt. Eine dynamischere Beleuchtung hätte schließlich prima in die mystische Welt gepasst.
Weniger Fehler zum Quest-2-Start
Die Umsetzung für die Quest 2 bietet sogar einige Vorteile: Das Bild bleibt dank einer stabil hohen Framerate noch ruhiger. Außerdem leidet es nicht unter dem leichten Tracking-Wackeln der PS4-Kamera. Allgemein hilft das saubere Roomscale-Tracking. Sonys veraltete PS4-Kamera erfasst bekanntlich nur einen relativ schmalen Kegel. An dessen Rändern kann es schon mal zu mühsamen Ungenauigkeiten kommen. Greift also möglichst zur Quest-2-Version, falls ihr die Wahl habt – gerade in einem Spiel, das so stark auf die Einbindung des Spielers setzt. Schön auch, dass ich mich zum Quest-2-Start nicht mehr mit fiesen Bugs herumschlagen muss. Auf PSVR zwangen sie mich früher manchmal zum Neuladen der Speicherpunkte, die es zum Glück in jeder Szene gibt. Mal blieb ein Flipperkäfer unerreichbar hängen, anderswo ließen sich Ranken nicht mehr beklettern. Das führte gelegentlich dazu, dass ich ahnungslos durchs Level irrte.
Mittlerweile haben die Entwickler aber auch in der Sony-Fassung fleißig nachgepatcht. Bei meinen aktuellen Spiel-Sessions auf beiden Systemen ist mir nur noch ein einziger harmloser Fehler begegnet. Er ließ meine Heldin plötzlich hoch über einen Abgrund schweben und dann abstürzen. Nicht gerade die feine Art, aber auch nicht wirklich ärgerlich – der Respawn folgte prompt. Auf der Quest 2 fallen die Ladezeiten mit Schwarzblende übrigens deutlich kürzer aus als auf der PS4 Pro mit ihrer klassischen Festplatte. PSVR-Spieler mit einer PS5 dürften dank schneller NVMe-SSD ebenfalls nur kurze Wartezeiten vorgesetzt bekommen.
Warum nicht für Quest 1?
Danke für den Test.
Wäre schön wenn es noch zu einer PSVR-2 Umsetzung käme, bei der man dann eine bessere Steuerung ohne die leichten grafischen Abstriche bekommt.