Bei der Hardware hat Sega fast alles richtig gemacht. Aber wie sieht es bei der Software aus? Schaltet man die Konsole wie früher mit dem Power-Schalter ein, landet man nach der erstmaligen Sprachwahl in einem aufgeräumten Menü, in dem die Original-Cover der damaligen Verpackungen gezeigt werden. Dabei sticht zunächst die reine Masse positiv hervor: Mit seinen 42 vorinstallierten Spielen beinhaltet das Mega Drive Mini mal eben mehr als ein doppelt so große Bibliothek verglichen mit dem, was Nintendo beim direkten 16-Bit-Konkurrenten SNES Mini aufgefahren hat. Willkommen sind zudem die Sortierungsoptionen nach Alphabet, Erscheinungsjahr, Genre und Spielerzahl.
Schön auch, dass kleine Icons das Genre andeuten und es vor jedem Spielstart noch kleine Infotexte zu den jeweiligen Titeln gibt. Hinsichtlich der Grafikoptionen und Filter bekleckert sich Sega allerdings genauso wenig mit Ruhm wie die Konkurrenz. Zur Auswahl stehen lediglich das 4:3-Originalformat oder eine gestreckte 16:9-Anpassung, wobei sich beide Varianten mit einer optionalen CRT-Darstellung verschandeln lassen. Ernsthaft: Das Bild sieht dabei so unfassbar hässlich und schwammig aus, dass es in den Augen schmerzt. Das hat nichts, aber rein gar nichts mit dem Flair und der Qualität alter Röhrenmonitore gemeinsam! Schade, dass man nicht weitere Filteroptionen wie z.B. eine Kantenglättung anbietet, die man bei Emulatoren schon seit Jahren vorfindet. Ebenfalls nicht gelungen sind die mageren zwei Hintergrundmotive, die man beim Spielen im 4:3-Format aktivieren kann, um die Bildränder zu füllen. Angesichts der bescheidenen Qualität ist es daher die bessere Entscheidung, es einfach bei den schwarzen Balken rechts und links zu belassen. Keinen Grund zur Klage gibt es dagegen bei der Menü-Musik, die exklusiv von Segas Kult-Komponist Yuzo Koshiro (Streets of Rage) für die Mini-Konsole geschrieben wurde und mit typischen Chipklängen passend auf die Retro-Erlebnisse einstimmt.
Viele Hits
Genau wie bei den großen Brüdern steht und fällt die Hardware mit der angebotenen Software. Das gilt insbesondere für die Mini-Konsolen mit ihren fest installierten Spielen, obwohl es auch beim Mega Drive Mini nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis man die Bibliothek durch Hacks mit eigenen ROM-Dateien erweitern kann. Zum Start muss man allerdings mit der Auswahl aus 42 Spielen leben, die Sega für das Gerät zusammengestellt hat. Selbstverständlich finden sich darunter einige Klassiker, die das Mega Drive schon damals ausgezeichnet haben und selbst heute noch einen gewissen Charme besitzen. Sonic The Hedgehog und dessen Nachfolger sind quasi Pflichtprogramm und dürfen auch hier nicht fehlen. Doch auch andere Plattformer wie Shinys lustiges Kreativ-Feuerwerk Earthworm Jim oder die zauberhaften Abenteuer von Mickey Maus in Castle of Illusion und World of Illusion zeigen immer noch ihre Klasse. Rollenspieler und Abenteurer kommen dagegen mit Titeln wie Landstalker oder Phantasy Star 4 auf ihre Kosten. Ebenso zählen das Beat’em-Up Streets of Rage, das Taktik-Rollenspiel Shining Force, das herrliche Gemetzel Golden Axe und Konamis Baller-Action Probotector zu den Höhepunkten der Bibliothek. In diesem Zusammenhang würde man normalerweise auch die Street Fighter 2: Special Championship Edition nennen, doch mit der Beschränkung der mitgelieferten Drei-Knopf-Pads ist das Fighting Game von Capcom nahezu unspielbar, weil man mit der Start-Taste ständig zwischen Faust- und Beinangriffen umschalten muss. Genau wie beim mauen Eternal Champions ist ein Sechs-Button-Controller einfach Pflicht! Da stellt sich die Frage, warum man das Spiel angesichts der nervigen Controller-Beschränkungen überhaupt auf die Konsole gepackt hat.
Die Kraft des Donners
Auch bei Thunderforce 3 und Shinobi 3 war ich zunächst etwas stutzig, warum man nicht die moderneren Nachfolger in die Liste gepackt hat. Immerhin stimmt es versöhnlich, dass es das technisch eindrucksvolle Shoot’em-Up von Technosoft damals nicht nach Deutschland geschafft hat und man die spektakuläre sowie grafisch imposante 2D-Action jetzt auch ohne Import-Umwege genießen darf. Und nicht nur das: Sega wollte offenbar mit Nintendo gleichziehen und hat nach dem Vorbild von Starfox Adventures 2 das Repertoire mit zwei bisher unveröffentlichten Bonus-Spielen erweitert. Bei dem einen handelt es sich um Tetris, von dem aufgrund eines Rechtsstreits nur wenige Exemplare in den Handel gelangten, die aufgrund des Seltenheitswerts heute ein kleines Vermögen wert sind. Beim anderen handelt es sich um die Umsetzung des gelungenen Arcade-Shoot’em-ups Darius, die exklusiv für das Mega Drive Mini entwickelt wurde.
Mit schlechtem Gamedesign hatte das mMn nur selten was zu tun. Klar gab‘s damals auch schlechte Spiele, aber das Hauptproblem war wohl, dass schlicht die Menge an Inhalt nicht gereicht hätte, um eine angemessene Spielzeit zu erreichen. Wenn Contra 3 z.B. einfacher wäre, dann würde man es in einer Dreiviertelstunde oder weniger einmal durchspielen und das war’s dann. So aber muss man das Spiel lernen. Die Level und Bosse beherrschen und ja, auswendig kennen. Da gehen dann schonmal etliche Stunden ins Land, und es macht trotzdem Spaß, wenn man in jeder Sitzung ein Stück weiter kommt (mir zumindest ^^). Ein „Game Over“ hatte damals noch eine Bedeutung, das Ziel war eben, dieses Game Over in jeder Sitzung etwas weiter nach hinten zu verlagern. Den nächsten Level zu sehen, das war eigentlich die Belohnung für die Mühe.
Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Spiele damals noch einen viel engeren Bezug zu den Arcades hatten. Da hat man ja genau das Profil, das dieses Design erfordert: Relativ kurze Sitzungen, viel Spektakel, und vor allem: Die Leute sollten wiederkommen.
Heutzutage ist das sicher nicht mehr genug, wenn ich ein neues Spiel auf den Markt bringen will. Dafür ist die Konkurrenz zu stark. Das hat nichts damit zu tun, dass heutige Spieler das nicht „können“, sie werden vielleicht nur nicht so leicht motiviert, weiterzukommen, weil sie im Prinzip auch alles schonmal irgendwo gesehen haben. Der nächste Level zieht nicht mehr so.
Trotzdem, manchmal genieße ich es durchaus noch, mir so ein bockschweres Machwerk von damals vorzunehmen und „mal zu gucken, wie weit ich komme“.
Bei den ersten Abpraller-Toren dachte ich mir noch "ist mir auch ab und zu zufällig passiert", aber die Kontrolle in der Luft, die da viele haben, ist wirklich sehr schwer und braucht viel Übung.
Sehe das also auch so wie du. In den Fähigkeiten hat sich sicher nix geändert.
Was damals schon etwas anders war, waren AAA Spiele, die eigentlich für den Mainstream gedacht waren und trotzdem bockschwer bis unfair waren.
Ganz ohne Schwierigkeitsgrad-Optionen und irgendwie einfach nur unzugänglich.
Rocket League hat ja Bots mit diversen Schwierigkeitsgraden bzw. Matchmaking und man kann sich dadurch auch als Anfänger recht erfolgreich fühlen. Das hat sich schon alles etwas verändert (ich finde, zum Glück).
Sowas wie Battletoads und Ghouls n' Ghosts braucht doch niemand mehr...
Damals war ein hoher Schwierigkeitsgrad ziemlich oft durch schlechtes Gamedesign bedingt, meiner Meinung nach.
Das haben dann zurecht nur ein paar Leute durchgezockt, die die Geduld aufgebracht haben zB bei Battletoads alles auswendig zu lernen.
Aktuell gibt es ja mit Spielen wie Dark Souls (und Klone), Darkest Dungeon etc. auch wieder Spiele, wo man seine Frustresistenz auf die Probe stellen muss. Die Genres haben sich vielleicht etwas verlagert, aber ansonsten gab und gibt es damals wie heute, schwere und leichte Spiele.
Heute gibt es aber sicherlich mehr leichte bis eher schon seichte Spiele. Finde ich jedoch auch okay.
Gaming ist eben stark in die Breite gewachsen.
Rocket League wird von Jugendlichen Hunderte bis Tausende von Stunden eingeübt, um Moves vom Controller zu zaubern, die kaum ein 25plusser noch hinbekommt, weil da bereits die Reflexe abbauen.
Ecco und Lion King hätten die in einem Bruchteil der Zeit zehnmal durchgespielt.
Außerdem ist dann alles schön verstaubt, nur der On/Off-Schalter nicht.
Wie sieht denn das aus? Was sollen die Nachbarn denken?
Das ist mir zu neumodischer Kram!