Das kann aber auch daran liegen, dass die Story weit weniger bizarr und geheimnisvoll wirkt, wals man es gewohnt ist. Man hat fast das Gefühl, als wären die Entwickler plötzlich zu Moralaposteln mit erhobenem Zeigefinger und abgedroschenen Populismen mutiert, die eine Parallelwelt mit visualisierten Menschheitssünden wie Dekadenz, Umweltverschmutzung oder Krieg auffahren, die wie eine futuristische Sintflut die Erde reinwaschen will, während man selbst religiöse Zugehörigkeiten abwägt. Zum Glück ist aber nicht alles so plump wie es scheint, auch wenn dieses bisher so gekonnt implementierte bizarre Antlitz des Unerklärlichen in Strange Journey einfach zu selten aufblitzt. Vieles wirkt trotz neu hinzugefügter Fertigkeiten, Figuren, Story-Elemente und Schauplätze zu gewöhnlich, zu simpel, zu vordergründig.
Zudem lässt sich der Anzug individuell mit sekundären Applikationen bestücken, die von regenerativen Kräften über Beuteboni und Kampfvorteile bis hin zur Beeinflussung von Dämonenverschmelzungen reichen. Wie von anderen Shin-Megami-Episoden gewohnt, lassen sich Dämonen nicht nur rekrutieren und trainieren, sondern auch fusionieren. Die Zuchtmöglichkeiten sind üppig und facettenreich: Strange Journey bietet über 300 verschiedene Kreaturen mit abweichenden Fähigkeiten, die sich nicht nur bei der Erschaffung, sondern auch ihrer weiteren Evolution beeinflussen lassen. Auf die allgemeine Entwicklung hingegen kann man keinen Einfluss nehmen. Stärke, Schnelligkeit und andere Attribute steigen sowohl bei den Dämonen als auch beim Protagonisten automatisch an. Da sind Persona-Fans mehr Mitspracherecht gewohnt. Auch das Verwandeln in übernatürliche Alter-Egos wie in der Schwesterserie vermisst man hier.
Die Party besteht quasi immer aus dem menschlichen Protagonisten, der bis zu drei dämonische Mitstreiter im Schlepptau hat, die er aus einem schrittweise anwachsenden Pool an Begleitern beschwören kann. Praktisch ist dabei die Möglichkeit, einmal beschworene Dämonen sowohl in ihrer ursprünglichen als auch aktuellen Form dauerhaft in einem Kompendium verewigen und jederzeit gegen einen entsprechenden Obolus wieder reaktivieren zu können. Man kann seine Kreationen sogar in einen Passcode verwandeln, um verschiedene Versionen derselben Gattung auf Abruf bereit zu halten oder sie anderen Spielern zur Verfügung stellen, wenn sie über das nötige Kleingeld zur Beschwörung verfügen, das bei besonders mächtigen Exemplaren natürlich entsprechend hoch ausfällt. Bezüglich Zucht- und Archivierungsmöglichkeiten lässt Strange Journey jedenfalls kaum Wünsche offen.
Taktische Weichspülung
Anders sieht es hingegen bei den Team- bzw. Bonusattacken aus, die weniger die Verkettung von Angriffen auf individuelle Schwachstellen, sondern eher die moralische Integrität der Kampfteilnehmer belohnen. Natürlich muss man auch in Strange Journey gezielt Schwachstellen ausfindig machen und aufs Korn nehmen, um zusätzliche Treffer landen zu können. Aber statt diese gekonnt miteinander zu verknüpfen, reicht es, einmal zu treffen, und alle Party-Mitglieder gleicher Gesinnung hauen automatisch mit drauf.
Das klingt anfangs vielleicht gar nicht so schlecht, aber da es nur drei Gesinnungen mit jeweils genügend Vertretern gibt, formt man einfach eine einheitliche Multifunktions-Party um die moralische Ausrichtung des Protagonisten und teilt so immer feste aus. Bonusattacken der Gegner fehlen hingegen gänzlich, so dass man sich um die eigenen Schwächen nicht mehr so viele Gedanken machen muss.
Spielfluss und Zugänglichkeit profitieren zwar davon, Taktik und Anspruch nehmen im Gegenzug aber natürlich ab. Was einem lieber ist, muss jeder selbst entscheiden – ich persönlich hätte auf diesen Weichspülgang aber gern verzichtet. Nicht, dass das Spiel dadurch zu einfach wird, fordernde Bossfights gibt es nach wie vor. Aber diese erfordern weit weniger taktische Spezialisierungen als stupides Aufleveln. Das grundlegende Schwachstellensystem ist zwar nach wie vor da und weiß zu gefallen, aber es fehlen einfach die Feinheiten.
Eine Frage der Moral
Abseits der Kämpfe ist das Moralsystem aber durchaus interessant. Es wirkt sich nicht nur auf die leider etwas zu willkürlich ablaufenden Rekrutierungsdialoge, sondern auch auf das zu erwartende Spielende aus. Auf dem 3DS gibt es sogar zusätzliche Enden. Trotzdem ist es oft so, dass man seine gesinnungsändernden Entscheidungen eher aufgrund der bevorzugt verwendeten Dämonen fällt, als dass man sich Gedanken darüber macht, wie man persönlich zu einem bestimmten Thema steht.
Im Grunde wird nichts bezüglich deines Charakters in irgendeiner relevanten Form behandelt.
Finde den Kritikpunkt von stillen protagonisten irgendwie redundant, das es ein Stilmittel ist, welches man subjektiv gut oder schlecht finden kann. Es wird hier nämlich der MC als Avatar des Spielers gesehen und nicht als eigenständiger Charakter. Das ist so als würde ich den Witcher vorwerfen, dass ich mich mit ihm nicht identifizieren kann, da volkommen eigenständiger Charakter. Oder Dark Souls, da ist der Mc auch nicht mehr als hier.
Hab die DS-Version damals nie durchgeschafft. Da war irgendein Boss im letzten Drittel, der sich einfach schneller regeneriert hat, als ich kloppen konnte - und da hab ich dann die Lust verloren.