Rückblickend betrachtet war Warlords of Draenor die bisher schlechteste Erweiterung für World of WarCraft – mit Abstand. Der Anfang sah mit der Garnison, den Anhängern, der Garnisons-Kampagne etc. noch vielversprechend aus, aber die Entwickler schafften es nicht, kontinuierlich Inhalte nachzuliefern. Zu schnell war alles gesehen, die Garnison langweilig und da die 5er-Dungeons aus Beutesicht uninteressant waren, blieb abseits von Schlachtzügen und PvP nichts zu tun. Und Schlachtzüge waren im fast zweijährigen Draenor-Zyklus Mangelware, weil es nur zwei Raid-Stufen gab. Alle anderen Add-ons boten mindestens drei. Relevante Endgame-Inhalte wurden mit den mythischen 5er-Dungeons und dem Tanaandschungel (Patch 6.2) viel zu spät nachgeschoben, nämlich acht Monate nach Verkaufsstart.
Kein Wunder, dass die Abonnentenzahlen in den Keller gingen. Und danach kam nichts mehr. Man hatte das Gefühl, dass die Entwickler vorzeitig den Stecker gezogen hatten, um am nächsten Add-on zu arbeiten. Es fehlte bei Draenor einfach an relevanten Inhalten, denn wer geht schon in Dungeons, wenn es dort nur weitgehend sinnlose Belohnungen gibt? Es ging also abwärts mit World of WarCraft. Doch mit Legion, der sechsten Erweiterung, soll alles besser werden, versprach Blizzard Entertainment.
Aus den Fehlern gelernt
Da Warlords of Draenor seine Schwächen vor allem in Endgame offenbarte, werde ich bei World of WarCraft: Legion hauptsächlich auf diese Aspekte eingehen. Für Details zum Level-Up-Prozess auf Stufe 110, der ungefähr so lange dauert wie bei Draenor und in dem sowohl sehr schöne als auch ziemliche maue Geschichten erzählt werden, verweise ich auf die Vorschau. Und schon jetzt kann ich sagen, dass der Endgame-Inhalt bei Legion drastisch ausgebaut und verbessert wurde. Man hat fast das Gefühl mit Quests, Szenarien, Weltquests, Dungeons für fünf Personen, Berufsquests und Fortschrittschancen nur so bombardiert zu werden. Ach ja und dann ist da noch das Artefakt, um das sich alles dreht.
Das Artefakt ist eine einzigartige Waffe pro Klasse und pro Spezialisierung, die man nach der Überfahrt auf den „Verheerten Inseln“ in einem speziellen mehrstufigen Story-Szenario erhält. Es ist die einzige Waffe, die man bei Legion bekommt, kann aber verbessert und verstärkt werden. Aufgewertet wird das Artefakt in der Klassenordenshalle. Dies ist eine abgespeckte Version der Garnison, in der man ausschließlich auf andere Spieler der gleichen Klasse (Allianz und Horde) in stimmigem Ambiente trifft.
Abgesehen davon, dass es dort weitere Quests zum Artefakt und zur Klasse (Klassenkampagne) warten, lässt sich an einem Altar das Artefakt mit Artefaktmacht verbessern. Diese Macht erhält man durch das Abschließen von Quests, als Beute, für Weltevents, für abgeschlossene Dungeons, für getötete Bosse, durch das Sammeln von Schätzen etc. – also für die WoW-Standard-Aktivitäten. Mit zunehmender Macht kann man im individuellen Talentbaum des Artefakts vorankommen. Jedes Artefakt hat einen eigenen Talentbaum, der ein bisschen an World of WarCraft 1.0 erinnert und (viele) passive Talente sowie (wenige) aktive Fähigkeiten bietet. Hat man alle Talente erreicht, wird ein globales Talent freigeschaltet, das die Rollenaufgabe weiter verbessert.
Schwindene Klassen-Komplexität
Die durch den Legion-Pre-Patch stellenweise radikal veränderte Spielweise der Charaktere wird durch das Artefakt und den Fortschritt kaum beeinflusst, was eine vertane Chance ist, denn viele Spielweisen der Charaktere
wurden doch arg vereinfacht. Mehr als vier oder fünf aktive Fähigkeiten müssen bei vielen Spezialisierungen gar nicht beherrscht werden und beim Tierherrschaftsjäger ist es manchmal so, dass ich einige Sekunden keine der aktiven Fähigkeiten drücken kann, weil alles Abklingzeit ist oder ich auf den Fokus (Ressource) warten muss. Und das ist blöd! Das Ziel der Entwickler ist es zwar, den Schwierigkeitsgrad durch die jeweiligen Bosskämpfe in den Schlachtzügen und den Dungeons zu gestalten, was vor allem auf dem Schwierigkeitsgrad Mythisch gelingt, aber ein bisschen mehr Komplexität hätte den Klassen bei den normalen Kämpfen auf den Verheerten Inseln gut getan – das gilt nicht nur für die Klasse des Jägers.
Die offiziellen Foren sind halt immer voll mit Geheule, da geht konstruktives Feedback an den Klassen sowieso unter, ich bin ohnehin immer schon der Meinung gewesen dass die Entwickler nur teilweise Feedback-orientiert handeln sollen, ein bisschen selbst entscheiden sollten sie auch dürfen, Populismus ist im Spieledesign genauso nicht immer sinnvoll wie in der Politik.