Das Zauberwort heißt Zwischensequenzen
Trotz der durchaus beachtlichen Geschwindigkeit, mit der mir in den ersten Stunden und nach der oben beschriebenen, komplexen Einführung, eine ganze Herzogsfamilie samt interner Differenzen vorgestellt wird, gelingt es dem Spiel, mich nicht zu verlieren oder zu überfordern und mir noch dazu ein klares Bild von dem gegenwärtigen Zustand Valistheas zu liefern. Vor allem die geopolitischen Spannungen spielen im Verlauf der weiteren Geschichte immer wieder eine wichtige Rolle und zeigen Kriege auf dem Schlachtfeld und in Verhandlungsräumen, wobei sowohl Setting als auch Thematiken mit einem angemessen düsteren und ernsthaften Tonfall behandelt werden. Ganz verkneifen kann sich Final Fantasy 16 die Genre-Klischees dann aber nicht, weshalb am Ende des Spiels natürlich wieder die Rettung der Welt auf dem Plan steht.
Allerdings hat mich nicht nur das Schicksal Valistheas, sondern vor allem das einzelner Charaktere begeistert: Die Figuren wirken real und authentisch, ihre Bedürfnisse werden überzeugend dargelegt und mit ihren Fehlern, Emotionen und sozialen Bindungen verwebt. Angesichts der Reise, die ich mit Clive Rosfield unternehme und erlebe, wie der Schild Rosarias scheitert und lernt, wütet und weint, neue Beziehungen knüpft oder alte wiederfindet, kann man das Rollenspiel daher getrost als Bildungsroman bezeichnen. Auch die anderen Charaktere sind nicht weniger facettenreich geworden und können ihre emotionalen Zustände in verschiedensten Situationen entfalten: Ruhige Romantik unter dem Sternenhimmel wechselt sich mit schweißtreibenden Schlachtmomenten ab und bringt mir die Verbündeten genau wie die Feinde von Clive näher. Hier kommen die mal mehr, mal weniger langen Zwischensequenzen zum Einsatz.
Da darf ich den Controller dann auch schon mal 15 oder 20 Minuten aus der Hand legen und wahlweise politischen Intrigen oder gigantischen Esper-Kämpfen in Echtzeit beiwohnen, während meine Finger gerade eine wohlverdiente Pause einlegen. Auch wenn das Gameplay insgesamt nicht die zweite Geige spielt: Die Anzahl, Dichte und Länge an Zwischensequenzen in Final Fantasy 16 ist besonders zu Beginn (und dann im späteren Spielverlauf wieder) sehr hoch. Für mich hat die Mischung aus filmischen und spielerischen Einlagen aber hervorragend funktioniert, nicht zuletzt, weil die deutschen Synchronsprecher und Synchronsprecherinnen mit einer Bandbreite an Emotionen einen hervorragenden Job machen und die Sequenzen selbst mit interessanten Blickwinkeln und gelungener Kameraführung aufwarten.
Nachdem mir in den ersten zehn Stunden ein spektakuläres Set Piece nach dem anderen um die Ohren geklatscht wird, schaltet Final Fantasy 16 in der Mitte seiner Laufzeit mindestens drei Gänge zurück und gibt mir Zeit, wirklich in Valisthea anzukommen, um die Bewohner samt ihrer Sorgen und Nöte kennenzulernen und die mittelalterliche Welt zu erkunden. Ein willkommener Moment zum Luft holen, auch wenn ich lange zu Atem gekommen bin, bevor die Geschichte endlich wieder auf das Gaspedal drückt. Mitunter verliert die Hauptstory dabei etwas an Dampf, beispielsweise wenn ich Bauteile für ein Wärmeverschubaggregat besorgen muss und von einer Station zur nächsten geschickt werde, als wäre ich auf der Suche nach Passierschein A38. Das erinnert zu sehr an Rollenspiel-typische Fetch-Quests und sollte angesichts der sehr interessanten Hauptstory lieber optional sein. Das sonst gelungene Pacing wird davon aber nicht überschattet.
Die Batterien wieder aufladen
Nach dem Flashback rund um Clives Jugend geht es zurück in die Gegenwart, wo die Mission des Schwertkämpfers und seiner Kaiserreich-Kollegen gerade mächtig in die Hose geht, weshalb Clive schließlich von Cid aufgegabelt wird, der ihn in sein Versteck einlädt: Ein Rückzugsort der Rebellen, die sich mitten im toten Land verschanzt haben, um den Machtkämpfen der herrschenden Nationen und Domini zu entgehen, den überall versklavten Trägern zu helfen und als freie Menschen zu leben. Das Versteck versammelt alle wichtigen Anlaufstellen, die mir auf meiner Reise nützlich sein werden: Beim Schmied Schlehdorn bekomme ich die passende Ausrüstung, während ich mich bei Charons Büdchen mit Heiltränken und anderen Wundermitteln eindecken kann. Ausprobieren kann ich meine neue Ausrüstung dann am Arete-Stein, wo mich neben dem Halle des Ewigen Eifers getauften Übungsbereiches auch ein Arcade-Modus und die Möglichkeit erwartet, bereits abgeschlossene Spielabschnitte zu wiederholen.
Für ein Päuschen von der schweren Arbeit bietet sich derweil ein Ausflug in den Chocomoppel an, wo ich mit einem kühlen Bier meine vom Schlachtfeldstaub ausgetrocknete Kehle wieder auffrische und die neuesten Geschichten aus dem Versteck aufschnappe. Falls es mich eher nach geballtem Wissen über Valisthea dürstet, schaue ich bei dem Gelehrten Harpokrates und der von ihm geleiteten Mnemothek vorbei. Hier finde ich Informationen zu den verschiedenen Charakteren, zu Politik und Landeskunde sowie zu Flora und Fauna, also allem, was in Valisthea so kreucht und fleucht. Wem der Sinn danach steht, tief in die Lore der Spielwelt einzutauchen, für den sind der weißbärtige Historiker und das erwähnte Kompendium die besten Anlaufstellen – eine gute Möglichkeit, um die lange Wartezeit auf The Winds of Winter ein bisschen zu verkürzen.
Optisch etwas uninspiriert, ist das Versteck ein angenehmer Hub, bei dem ich zwischen den in den ersten zehn bis fünfzehn Stunden noch sehr durchstrukturierten Hauptmissionen immer wieder vorbeischaue, um mir die steten Veränderungen anzusehen, neue Aufträge anzunehmen und später auch eintrudelnde Briefe von anderen Charakteren zu lesen. Auch später, wenn mich das Spiel mit zahlreichen Nebenquests ein wenig von der zunächst strengen Leine lässt, bieten sich deshalb gelegentliche Besuche im Versteck an.
Belebt wird der Stützpunkt der Träger-Unterstützer dabei durch das stetige Hintergrundgemurmel: Viele der herumstehenden NPCs haben Phrasen, die sie beim Vorbeilaufen ab und an aufsagen und so entweder Gespräche mit mir oder anderen Charakteren simulieren. Die Dialogfetzen verleihen den sonst nur der Dekoration dienenden Figuren einen Hauch von Individualität und verändern sich im Laufe der Geschichte, um aktuelle Geschehnisse abzubilden. Ein bisschen repetitiv wird das ganze beizeiten leider trotzdem: Wenn ich auf meinem Rundgang durch das Versteck noch einmal die Worte „Dung ist ja vielseitig einsetzbar“ höre, muss ich meinen Fernseher eventuell stumm schalten.
89 Bewertung nun ja, ich muss es nicht verstehen. Gamer die schlauchige Level, Entdeckung Null, Automatisierungen lieben, zusätzlich schhlechte Synchronstimmen von NPC's uns schlechte Lippensynchronisation .... also wer das liebt dem nehme ich diese Bewertung ab. Nur kenne ich niemand, aber da habe ich wahrscheinlich zu wenig recherchiert?
Ich gehöre nicht dazu und ich bedanke mich dafür, dass all diese Dinge nicht erwähnt worden sind.
Danke
@Pingu & @LeKwas
So ist es, ihr habt vollkommen recht
Da war ich auch verwundert, weil das nahezu keine Presse bekommen hat, aber zumindest bei Steam ziemlich gute Reviews.
Hab mich trotzdem noch nicht getraut. Sah mir einfach zu billig aus.
Das hat zwar einige Probleme, die Story und Dialoge reichen von albern bis trashig, und man merkt auch, dass deren Budget sicherlich nicht ansatzweise so hoch war wie das hier von FF16, aber das Kampfsystem dort ist meiner Meinung nach echt toll mit den zig verschiedenen Waffen und Klassen mit eigenen Skills, da gibt's auch kein solches Automatisierungs-Gedöns, keine ewig langen Cutscenes oder Quicktime-Sequenzen, man muss schon selber mit richtigem Timing in die Tasten hauen, kann Zauber vom Gegner abfangen und dann selber einsetzen usw. usf.
Ging 2022 quasi komplett unter, aber ist imho nen Blick wert. Dort am besten auch den Schwierigkeitsgrad von Beginn an direkt auf 'Schwer' stellen.