Glaubt ihr an Feng-Shui? An Harmonie und Geister im Raum? Schauen wir uns mal um: Wenn ich sitze, blicke ich auf eine mandeläugige Kämpferin mit brennendem Krummsäbel. Wenn ich mich umdrehe, sehe ich einen blutroten Samurai. Wenn ich in meine Schublade greife, finde ich eine vergilbte Kinokarte von House of the Flying Daggers – das chinesische Schwertkampfepos von Yimou Zhang.
Seit der ersten News vom 11. September 2003 haben sich immer mehr martialische Spuren fernöstlicher Kultur um meinen Schreibtisch herum angesammelt. Selbst die Fensterbank blieb nicht verschont: Dort thront ein Pappaufsteller von Jade Empire, handsigniert von allen Bioware-Größen: Greg Zeschuk, Ray Muzyka, James Ohlen, Rob Bartel – die Kreativköpfe hinter Fantasy-Abenteuern wie Baldur`s Gate, Neverwinter Nights und Star Wars: Knights of the Old Republic (KotOR).
Ein Held, eine Aufgabe: Rettet die kosmische Balance des Jade-Imperiums!
Was ich damit sagen will? Der Arbeitsplatz ist ein Spiegel der Testerseele. Ich bin ein Bioware-Verehrer. Meinetwegen ein Fanboy. Ich habe mich wie ein frisch gebackener Glückskeks gefreut, als die Kanadier ihr asiatisches Epos ankündigten. Kein Wunder: Ich liebe Martial Arts. Ich liebe Rollenspiele. Jade Empire schien beide Leidenschaften in einem großen Meisterwerk vereinen zu können. Und genau das habe ich erwartet: einen Blockbuster in vollendet veredeltem Platinglanz. Was sollte auch schief gehen? Schließlich hat bereits das erste Star Wars-Epos die Xbox im Sturm erobert. Es wurde auch bei uns mit satten 91% gefeiert.
Und es gab Augenblicke, da habe ich auch Jade Empire bejubelt: Wenn man bei gleißendem Sonnenlicht mit einer Seitwärtsrolle dem tödlichen Tritt eines schnaufenden Elefanten-Dämonen ausweicht, der das sanft wehende Gras mit seiner Magie plötzlich in eine Steinwüste verwandelt – die Kulisse ist grandios. Oder wenn man grübelnd vor einem Damm steht, dessen Öffnung einerseits viele soziale Vorteile, andererseits jedoch persönliche Nachteile bringen würde – die Entscheidungen sind frei. Oder wenn man sich geschickt durch die Dialoge argumentiert, um den freundlich lächelnden Gesprächspartner als mordenden Scharlatan zu entlarven – die Texte sind lesenswert. Jade Empire hat ohne Zweifel viele starke Seiten, viele bemerkenswerte Momente.
Gutes Abenteuer, böse Geister
Aber während der knapp 20 Stunden währenden Reise durch verfluchte Höhlen, gespenstische Wälder und pulsierende Städte schlichen sich immer wieder böse Geister der Ernüchterung ein, die einige schwache Seiten enthüllten und die Euphorie dämpften. In der Kombination sorgen sie letztlich dafür, dass dieses Abenteuer trotz seiner Reize auf gutem bis
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sehr gutem Niveau stagniert, statt wie vermutet und erhofft höchste 90er-Gipfel zu erklimmen. Jade Empire erinnert in dieser Hinsicht an Fable, denn beide Spiele haben im Vorfeld eine hohe Erwartung, fast schon eine Euphorie ausgelöst – am Ende bieten beide auch sehr gute Unterhaltung, aber lassen gleichzeitig viele Wünsche offen.
Woran liegt das? Als eingefleischter Rollenspieler habe ich ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Auf der einen Seite gibt es nicht nur viele unerwartete Ähnlichkeiten, sondern auch klare Beschneidungen im Vergleich zu KotOR. Mathias hat in seiner Vorschau daher schon zu Recht von „Knights of the Chinese Republic“ gesprochen – ich würde sogar noch ein „light“ hinzufügen, wenn es um die Rollenspielaspekte und die Spieltiefe geht Auf der anderen Seite gibt es wunderbare Höhepunkte in Sachen Quests und Erzählkultur. Auch als Kampfkunst-Fan wurde ich zwar dank der Taktik gut unterhalten, aber aufgrund der Leichtigkeit nicht begeistert. Und selbst die Mini-Spiele, das Party-Management und die Technik hinterlassen gemischte Gefühle: Heiß und kalt, hoch und tief – das zieht sich durch das ganze Spiel wie Yin und Yang durch die chinesische Philosophie.
Jade Empire war (leider) nicht gerade ein erfolgreiches Spiel.
Hingegen hat BioWare aber alle Hände voll zu tun mit Mass Effect 3, Dragon Age 3 und natürlich TOR, allesamt Melkmaschinen.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich da allzu viel Zeit für JE nehmen wird, daher würde ich auf solche Gerüchte nicht allzu viel geben. :wink:
Edit:
Du beziehst Dich vermutlich auf diese Aussage von Muzyka: Aber im Endeffekt heißt das auch nur:
"Ja, wir mögen JE, aber andere Spiele sind momentan wichtiger. An JE2 arbeiten tun wir jedenfalls gerade nicht, aber vielleicht irgendwann in Zukunft."
Soll mir aber auch recht sein. ME und DA sind mindestens genauso interessant.
Edit 2:
Oh, da gibt's ja auch nen ganzen Thread drüber..
Inzwischen sind ein paar Jährchen vergangen, wir schreiben 2011, und es gehen Gerüchte von einem JE- Sequel um- Grund genug sich noch mal Jörgs alten Test vorzunehmen.
Und, Jungejunge, nur etwas über dreissig Kommentare für einen Jörg-testet-ein-dolles-Rollenspiel-Test ?
DAS waren noch Zeiten.
Aber Gnade dir, Jörg, wenn du es WAGEN solltest ein eventuelles Sequel unter 80 zu bewerten- jetzt KENNEN wir das Ding
Ich hab die Spiele auf dem PC durchgespielt und kann beide für Leute, die auf Action-RPGs stehen, empfehlen. Gute Story, gute Action. Wer reinrassige Rollenspiele erwartet, wird aber enttäuscht. Ist eher was für zwischendurch.
Ich hab es auf dem PC gespielt. Ist wirklich ein gutes Spiel. Die 10 Euro, die es mittlerweile kostet, ist es auf jeden Fall wert.