Bereits der Einstieg lässt kleine Alarmglocken läuten: Das Star Wars-Epos konnte mit seiner kargen Charaktererschaffung schon nicht glänzen; Jade Empire erweitert zwar das Angebot, bleibt aber leider dem einfachen Prinzip treu. Ihr habt die Wahl unter sechs männlichen und weiblichen Figuren, die sich auf vier Kampftypen (schnell, stark, ausgewogen, magisch) verteilen, aber ihr könnt ihr Aussehen nicht verändern und lediglich die Ausgangsstile wechseln. Außerdem werden noch
Tigerkrallen und Kicks: Martial Arts-Fans können sich frei austoben. |
Punkte auf die drei Attribute Körper, Seele und Geist verteilt. Aber da niemand exklusive Fähigkeiten wie Schlösser knacken, Fernkampf oder Verwandlung besitzt, bleibt das Spiel- und Aufstiegserlebnis mit allen Figuren in etwa gleich. Jeder kann sich mit der Zeit all das aneignen, was andere können: Wer als starker Nahkampf-Hüne startet kann später ebenso Feuermagie einsetzen wie ein arkaner Typ. Warum hat man nicht wenigstens die Kämpfer in ihren Magiefähigkeiten beschnitten, um für etwas mehr Konturen zu sorgen?
Diese offenen Wünsche wirken sich natürlich gerade beim ersten Spielen nicht negativ auf die Motivation aus – egal, welchen Charakter man nimmt: In den ersten Stunden kann man jede Menge ausprobieren und das macht einen Heidenspaß. Und der Vorteil dieses offenen Systems ist, dass man nicht an Klassengrenzen gebunden ist, sich also frei entfalten darf: Jeder kann alles werden. Der Nachteil dieser Gleichmacherei ist allerdings, dass der Wiederspielwert sinkt. Auch wenn man die drei Schlüsselattribute Körper, Seele und Geist bei einem Aufstieg nicht gleichrangig, sondern einseitig verstärkt, ergeben sich keine neuen Wege, keine neuen Erlebnisse. Und da das Spiel selbst zu einer Balance zwischen den drei Kräften rät, um allen Herausforderungen gewachsen zu sein, gestaltet sich der Levelaufstieg recht langweilig: Man erhöht einfach alle Werte. Nur die Tatsache, dass man seine Kampfstile noch einzeln in Punkten wie Schnelligkeit, Schlagkraft oder Energieverbrauch verbessern kann, sorgt für ein wenig Würze im sonst blassen Charakter-Management. Aber dieses System der Alleskönner wertet auch die Taktik in der Party ab: Wenn mein Held ohnehin sowohl kämpferisch als auch magisch alle Kniffe beherrscht, warum soll ich mir noch Gedanken bei der Auswahl meines Gefährten machen? Ob er jetzt ein Säbel schwingender Nah- oder ein feuriger Fernkämpfer ist, spielt keine Rolle.
Lampions & Räucherstäbchen
Immerhin kommt mit der Kulisse prächtige Farbe ins Spiel. Jade Empire ist eine ganze Klasse beeindruckender als das teilweise graue und dröge KotOR: Wenn man nach der Figurenwahl mit ersten zaghaften Schritten das Kloster erkundet, wird man gleich von einer Fülle an Farben und Eindrücken überflutet. Man betritt eine zauberhafte Welt, die mit ihren weichen Gold- und Rottönen, mit ihren leuchtenden Lampions und steinernen Statuen umgehend exotische Neugier entfacht. Gras und Laternen wehen im Wind, Räucherstäbchen qualmen idyllisch vor sich hin. Das absolute Sahnehäubchen genießt man später im göttlichen Himmel: Man wandert durch ein paradiesisches Panorama, umgeben von Regenbögen und gleißenden Lichtstrahlen – fantastisch!
Auch gute alte Oger haben es in die bizarre Figurenwelt geschafft. |
Bioware hat viel recherchiert, um ein ebenso glaubwürdiges wie exotisches asiatisches Reich zu präsentieren. Man spürt immer wieder die Sorgfalt, die nicht nur in die Grafik, sondern auch in die Seele des Spiels investiert wurde: Es gibt z.B. eine alte Sprache namens Tho Fan, die ab und zu als unverständliches Kauderwelsch ertönt. Hinzu kommen viele sprechende Namen: Ihr bekommt kein Langschwert +3, sondern den „Günstling des Glücks“, keinen Stab +4, sondern den „Goldstern“. Und natürlich haben all diese Waffen noch kleine Geschichten ihrer Entstehung parat, die zum Stöbern einladen.
Jade Empire bedient sich dabei frei aus dem reichhaltigen architektonischen und historischen Fundus asiatischer Kultur. Die Entwickler haben Fakten der chinesischen Geschichte mit mythologischen Stoffen und einem Schuss westlicher Fantasy vermischt: Es gibt Akupunktur und Fluggeräte, Kung-Fu und Magie, eine große Mauer und wilde Pferdefürsten, Prostitution und Steuereintreiber, Drachengeister und gehörnte Oger. Wer sich die Mühe macht, und all die Schriftrollen liest, kann sogar in die stürmische Chronologie dieses Reiches abtauchen, die viele Parallelen zur Entstehung Chinas offenbart, wie z.B. Anspielungen auf die Mongolen, die Große Mauer oder Tibet. Fleißige Leser werden zudem mit netten Boni belohnt, wenn sie alle Manuskripte eines Themas gefunden haben.
Jade Empire war (leider) nicht gerade ein erfolgreiches Spiel.
Hingegen hat BioWare aber alle Hände voll zu tun mit Mass Effect 3, Dragon Age 3 und natürlich TOR, allesamt Melkmaschinen.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich da allzu viel Zeit für JE nehmen wird, daher würde ich auf solche Gerüchte nicht allzu viel geben. :wink:
Edit:
Du beziehst Dich vermutlich auf diese Aussage von Muzyka: Aber im Endeffekt heißt das auch nur:
"Ja, wir mögen JE, aber andere Spiele sind momentan wichtiger. An JE2 arbeiten tun wir jedenfalls gerade nicht, aber vielleicht irgendwann in Zukunft."
Soll mir aber auch recht sein. ME und DA sind mindestens genauso interessant.
Edit 2:
Oh, da gibt's ja auch nen ganzen Thread drüber..
Inzwischen sind ein paar Jährchen vergangen, wir schreiben 2011, und es gehen Gerüchte von einem JE- Sequel um- Grund genug sich noch mal Jörgs alten Test vorzunehmen.
Und, Jungejunge, nur etwas über dreissig Kommentare für einen Jörg-testet-ein-dolles-Rollenspiel-Test ?
DAS waren noch Zeiten.
Aber Gnade dir, Jörg, wenn du es WAGEN solltest ein eventuelles Sequel unter 80 zu bewerten- jetzt KENNEN wir das Ding
Ich hab die Spiele auf dem PC durchgespielt und kann beide für Leute, die auf Action-RPGs stehen, empfehlen. Gute Story, gute Action. Wer reinrassige Rollenspiele erwartet, wird aber enttäuscht. Ist eher was für zwischendurch.
Ich hab es auf dem PC gespielt. Ist wirklich ein gutes Spiel. Die 10 Euro, die es mittlerweile kostet, ist es auf jeden Fall wert.