In einem Rededuell müsst ihr z.B. die Ehre der Asiaten gegenüber einem pöbelnden Europäer bewahren, der sich über die armselige Kultur lustig macht. Hier müsst ihr mit überzeugenden Argumenten Richter auf eure Seite bringen. Aber der eine liebt eher patzige, der andere weise, ein anderer wieder zurückhaltende Antworten. Meistert ihr diesen rhetorischen Spagat, redet man danach in höchsten Tönen von euch in den Straßen der Hauptstadt. Ein Highlight ist zudem euer Auftritt in einem Theaterstück. Hier sollte nicht nur die Reihenfolge eures Textes stimmen, ihr könnt auch zwischen zwei Varianten wählen: entweder kaiserfreundlich harmlos oder kaiserfeindlich satirisch. Das Problem ist: Ersteres bringt euch Ärger mit dem Autor, Letzteres alarmiert die anwesenden Spitzel…
Eine gegen alle: Nur in der Überzahl und mit Fernkämpfern sind Gegner eine Herausforderung. |
Auch die Rätsel kommen nicht zur kurz, obwohl sie lange Zeit vernachlässigt werden: Wird in der ersten Stunde noch durch ein kleines Farbenspiel der Appetit angeregt, muss man tatsächlich satte sechs bis sieben Stunden auf das nächste Rätsel warten, das euch mit Licht und Statuen spielen lässt. Aber dafür gibt es später endlich wieder interessante Kopfnüsse, die zum Knobeln animieren: Ihr findet überall bizarre Konstruktionsanleitungen, die ihr in einer Art alchemistischer Parallelwelt an Maschinen in Fähigkeiten umwandeln könnt. Aber wenn ihr hier die falsche Kombination von Kuhmagen, Zahnrad und Tigerstatue verwendet, kann etwas Unverhofftes passieren: Z.B. könnte statt des erhofften Chi-Schubs ein Dämon vom Himmel fallen…
Fernöstliche Zauberwelt
Zu den optischen Delikatessen gehören auch die Figuren: Egal ob Kind oder Greis, Mann oder Frau – alle Charaktere wirken aufgrund markanter Mimik und Gestik sehr natürlich. Und wo die Figuren in KotOR teilweise noch wie Fremdkörper wirkten, scheinen sie hier aufgrund der gold schimmernden Konturen nicht nur plastischer, sondern fast schon mit der Umgebung zu verschmelzen. Das letzte Mal habe ich in Shenmue so fein skizzierte Gesichter gesehen. Außerdem bietet Jade Empire hier wesentlich mehr Vielfalt; ganz selten blickt man in gleiche Visagen. Und die eleganten Kämpfe erinnern in ihrer Choreographie stellenweise an asiatische Leinwandepen – allerdings ohne überzeichnete Wandlaufsperenzchen oder Senkrechtsprünge auf Dächer. Und wenn maskenhafte Wesen plötzlich aus dem Unterholz auftauchen, fühlt man sich sogar an das bizarre Flair des japanischen Animationsmeisters Hayao Miyazaki erinnert: Ein Hauch von Prinzessin Mononoke und Chihiro weht dann über den Bildschirm.
Der Preis der Kulisse
Trotz all dieser Pracht gibt es auch Schwachstellen: Wer sich in der Weite umschaut, wird z.B. selten mehr als fade Andeutungen von Bergen oder Flüssen sehen. Der Himmel wirkt an einigen Stellen recht unspektakulär und die famosen Lippenbewegungen setzen selbst bei Protagonisten manchmal aus. Außerdem wird der Glanz teuer erkauft: Erstens kommt es immer wieder zu Rucklern, wenn man die Kamera in der optionalen Egoperspektive schwenkt oder die Landschaft in der Schultersicht erkundet. Zweitens gibt es sehr oft ärgerlich lange Ladezeiten, die den Spielfluss hemmen.
Pompöse Statuen, imperialer Glanz: die Architektur ist ebenso grandios wie das Figurendesign. |
Das erinnert genau so an die technischen Mängel von KotOR wie das recht lineare Leveldesign: Vor allem zu Beginn kann man seinem Entdeckerdrang aufgrund unsichtbarer Grenzen selten freien Lauf lassen. Die Welt von Jade Empire sieht wunderbar aus, ist aber alles andere als offen. Man bewegt sich meist durch ein enges Korsett, das erst später in der Hauptstadt etwas lockerer sitzt. Hier hat man endlich die Wahl der Reihenfolge und kann mal freier erkunden. Aber konnte man im Star Wars-Universum ab einer bestimmten Stelle noch von Planet zu Planet reisen, gibt es hier auf der Weltkarte lediglich ein Dorf, das man später noch mal aufsuchen kann, falls man dort nicht alle Quests erledigt hat. Warum hat man hier nicht noch ein paar alternative Schauplätze eingebaut?
Last but not least kann auch die zauberhafte Landschaft nicht verschleiern, dass es erschreckend wenig Interaktionsmöglichkeiten gibt: Hier mal eine Vase, da mal eine Kiste oder ein Schriftrollenständer – das war`s. In KotOR gab es dank all der Terminals, Türen und Truhen noch etwas mehr zum Experimentieren. Diebesfähigkeiten kommen z.B. gar nicht zum Einsatz: Ob euch eine Falle verletzt, wird automatisch berechnet; Schlösser müssen nicht geknackt werden.
Vollkommen unverständlich sind zudem böse Grafikfehler: Manchmal wird eine Verwandlung zwar spielerisch, aber nicht optisch rückgängig gemacht. D.h., dass man immer noch in der Haut eines Dämons steckt, obwohl das nötige Chi bereits abgelaufen ist. Sehr peinlich ist, dass man in dieser Gestalt auch noch verkrümmt über dem Boden schwebt und bereits Kampfstile anwendet, die eigentlich zur normalen, zurückverwandelten Figur gehören. Es gab sogar eine Sackgasse in der Schule des Schwarzen Leoparden, an der ein Kampf einfach weiter geführt wurde und unser Held nicht mehr aus einem Raum kam; hier mussten wir eine Stelle früher nachladen – diese Bugs verschwinden zwar meist nach einem Kampf, aber solche Fehler ist man auf Konsolen und von Bioware nicht gewöhnt. Das Schöne ist, dass man überall speichern kann.
Jade Empire war (leider) nicht gerade ein erfolgreiches Spiel.
Hingegen hat BioWare aber alle Hände voll zu tun mit Mass Effect 3, Dragon Age 3 und natürlich TOR, allesamt Melkmaschinen.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich da allzu viel Zeit für JE nehmen wird, daher würde ich auf solche Gerüchte nicht allzu viel geben. :wink:
Edit:
Du beziehst Dich vermutlich auf diese Aussage von Muzyka: Aber im Endeffekt heißt das auch nur:
"Ja, wir mögen JE, aber andere Spiele sind momentan wichtiger. An JE2 arbeiten tun wir jedenfalls gerade nicht, aber vielleicht irgendwann in Zukunft."
Soll mir aber auch recht sein. ME und DA sind mindestens genauso interessant.
Edit 2:
Oh, da gibt's ja auch nen ganzen Thread drüber..
Inzwischen sind ein paar Jährchen vergangen, wir schreiben 2011, und es gehen Gerüchte von einem JE- Sequel um- Grund genug sich noch mal Jörgs alten Test vorzunehmen.
Und, Jungejunge, nur etwas über dreissig Kommentare für einen Jörg-testet-ein-dolles-Rollenspiel-Test ?
DAS waren noch Zeiten.
Aber Gnade dir, Jörg, wenn du es WAGEN solltest ein eventuelles Sequel unter 80 zu bewerten- jetzt KENNEN wir das Ding
Ich hab die Spiele auf dem PC durchgespielt und kann beide für Leute, die auf Action-RPGs stehen, empfehlen. Gute Story, gute Action. Wer reinrassige Rollenspiele erwartet, wird aber enttäuscht. Ist eher was für zwischendurch.
Ich hab es auf dem PC gespielt. Ist wirklich ein gutes Spiel. Die 10 Euro, die es mittlerweile kostet, ist es auf jeden Fall wert.