Bis hierhin ist Mass Effect Andromeda daher wenig mehr als ein Mass Effect 1.5, genauso wie Episode 7 eigentlich kaum mehr als ein Episode 4.5 war. Man hat hier sogar einen „Han-Solo“-Effekt, wenn die Wissenschaftlerin Liara T’Soni aus der ersten Trilogie über Audiologs Gastauftritte feiert. Doch ich hatte mit Rey, Finn, Kylo Ren und BB-8 eine Menge Spaß – und hatte ihn auch hier. Etwa 40 Stunden, bis ich den Antagonisten in einem epischen Finalkampf besiegt hatte, wobei ich davon ausgehe, dass man ihn auch nach etwa 25 bis 30 Stunden knacken kann. Weitere 20 Stunden habe ich danach investiert, um noch offene Quests zu erledigen oder mit entsprechenden Spielständen neue Entscheidungen auszuprobieren. Und ich werde noch einige weitere Stunden versenken, da ich noch einige interessante Quests auf der „To-do“-Liste habe.
Sehr viel Licht, nicht wenig Schatten
Doch nicht jede Stunde war ein reines Vergnügen, nicht alles in Mass Effect: Andromeda ist gelungen bzw. auf einem einheitlichen Niveau. Weder technisch, erzählerisch, hinsichtlich der Dramaturgie oder der Dialogqualität – vor allem hinsichtlich der Dialogqualität: Überall bleibt das Gefühl, dass zu viele Köche versucht haben, die Zutaten schmackhaft zu vermengen, aber sich keiner die Kappe des Chefkochs aufsetzen wollte. Laut der Credits waren zwölf Autoren am Skript beteiligt, davon drei vermeintlich als „Lead“, also führende Kreativköpfe – doch alle hatten offensichtlich eine andere Vorstellung davon, wie die Tonalität sein und in welche Richtung sich die Figuren entwickeln sollten. Denn anders lässt sich der qualitative Unterschied der Dialoge nicht erklären. Es gibt zahlreiche gelungene Szenen, vor allem im Hinblick auf die Hauptgeschichte der Bedrohung durch die Kett unter der Führung des gnadenlosen Archon sowie die neuen alliierten Wesen Angara, von denen ein Abgesandter auch auf der Tempest mitreist und im Kampf eingesetzt werden kann. Diese vom Aussehen irgendwo zwischen der Sphinx und den Gungan aus Star Wars liegenden Wesen sind die naturverbundenen, spirituellen sowie emotionalen Ureinwohner des Heleus-Clusters, in dem sich auch die von den Arche-Reisenden zu besiedelnden Planeten befinden. Mit der gemeinsamen Bedrohung der Kett kommt es hier nicht nur zu spannenden Missionen, sondern auch interessanten Gesprächen.
Wenn sich Ryder und der Angara Jaal darüber unterhalten, wer jetzt für wen das „Alien“ ist oder man Zeuge wird, wie sich Jaal und Liam gegenseitig Schimpfworte an den Kopf werfen, um auszuloten, was als Beleidigung gilt und was nicht, hat das etwas sehr Sympathisches und wirkt in seiner Naivität natürlich. Doch dabei hätte man es belassen können. Denn wieso Letzteres im Halbnackten (Liam) bzw. komplett blank gezogenen Zustand (Jaal) passieren muss, erschließt sich nicht nur mir nicht: Auch Ryder kommentiert dies mit einem „Jungs. Wirklich?“ Und wenn die weibliche Ryder und Co-Pilotin Suvi unbeholfen flirten und dies vom Hauptpiloten Kallo mit „Tötet mich jetzt!“ kommentiert wird, weil der dorthin führende Dialog hochnotpeinlich ist, entspricht dies auch den Gedanken des Spielers vor dem Bildschirm. Und damit habe ich ein Problem: Denn wenn wie hier (und dies ist kein Einzelfall) gerade in den unpassenden Dialogen von einem Gesprächsteilnehmer ein als „Comic Relief“, also witzige Auflösung, geplanter Spruch kommt, müssen die Schreiber doch gewusst haben, was sie hier mitunter an unpassenden Gesprächen abliefern – und hätten entsprechend nachbessern können. So aber zeigt sich immer wieder eine uneinheitliche Dialogqualität von „annähernd so wie man es von Bioware kennt“ bis hin zum deutschen Soap-Niveau mit platten Witzen. Es ist bezeichnend, dass die KI SAM, die ähnlich wie Jarvis bei Marvel’s Avengern zu mehr als einem Stichwortgeber wird, eigentlich der interessanteste und geheimnisvollste Charakter ist. Schade auch, dass man bei den Entscheidungen, die man zu treffen hat, zwar beim Abwägen schwer schlucken muss und die Konsequenzen auch spürbar sind, aber man die Begleiter dennoch nie komplett abspenstig machen kann. Das sind andere Rollenspiele wie Wasteland 2 oder Torment weiter.0
Lebendige Welt
Dass man sich bei der Zeichnung der Hauptcharaktere (sprich: den möglichen Kampfkameraden) ebenfalls von der ersten Trilogie inspirieren ließ und mit der Söldnerin Cora ein Abziehbild von Miranda Lawson oder mit der Asari Peebee (richtiger Name: Pelesseria B‘Sayle) eine leicht abgeschwächte, aber dafür hyperaktive Version der außerhalb der Gesellschaft stehenden Jack bietet, macht es nicht leichter, für Andromeda und die Protagonisten eine eigene Identität zu finden. Dennoch sorgen die Gespräche innerhalb der Gruppe, auf der Nexus und auf allen Planeten für ein sehr lebendiges Bild in der Andromeda-Galaxie. Man hat immer irgendwelche Textfetzen im Ohr und kann auch über einen längeren Zeitraum lauschen, ohne das Interesse zu verlieren. Mal unterhalten sich die NPCs über die Ereignisse in der Galaxie. Dann wiederum sprechen sie über die Probleme, die sie beschäftigen. Noch cooler wäre es allerdings, wenn man darüber auch Missionen aufschnappen oder Hinweise für die Lösung bereits vorhandener Aufgaben bekäme, wie es z.B. bei Fallout 4 oder Witcher 3 der Fall ist. Doch so weit geht Bioware hier nicht. Dass die Gespräche, die man mit den NPC führen kann, sich auch abhängig von den Begleitern anders entwickeln, ist hingegen eine klassische Bioware-Tugend, die hier herausgekramt wird und ebenfalls dazu beiträgt, die Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit der Welt zu erhöhen. Allerdings setzt man dabei für meinen Geschmack viel Kenntnis der soziodemographischen Strukturen der Milchstraßen-Rassen voraus – die man natürlich nur hat, wenn man die Original-Trilogie gespielt hat. Denn erst mit der Kenntnis, was sich hinter der Krogan-Genophage verbirgt und welche politischen Auswirkungen diese hatte, werden einem einige der Ränkespiele auf der Nexus klar.
Viele der Nebenaufgaben erzählen ähnlich der Szenen abseits der Hauptstory im dritten Witcher-Abenteuer eine interessante, und in sich abgeschlossene, aber hier nur selten in den Gesamtkontext eingebundene Geschichte. Wie z.B. das traurige Geheimnis der vergifteten Angara-Familie, das wie einiges andere mit den Verbannten zu tun hat. Das sind ins Exil geschickte Söldner, die unter der resoluten Führung der Ex-Soldatin Sloane Kelly stehen – die wiederum an Aria T’Loak aus Mass Effect 2 erinnert. Oder der im Rahmen der Kolonisierung aus dem Cryo-Schlaf geholte hochmotivierte Rekrut, der einen um einen Karrierevorschlag bittet, den man aber immer wieder aus allerlei gefährlichen Situationen retten muss. Es ist vor allem die Qualität vieler optionaler Aufträge, die mich neben der Hauptaufgabe des Kampfes gegen den Kett-Archon immer wieder in den Heleus-Cluster gezogen hat. Selbst im Rahmen der Kolonialisierung erklärbare Sammelaufgaben, die einen über alle begehbaren Planeten führen, haben mich hier nicht großartig gestört. Zum einen kann man sie bei den Ausflügen mehr oder weniger im Vorbeigehen mitnehmen. Zum anderen muss man nicht zehn Viecher hier töten oder 20 Blumen dort sammeln, sondern meist nur verschiedene Spezies scannen. Abseits dessen kann man sich u.a. darum kümmern, die anderen vermissten Archen zu finden, Sender zu platzieren und natürlich Loyalitäts-Aufträge seiner Begleiter zu erledigen, die aber letztlich nur dazu dienen, die sechste Fähigkeitserweiterung bei ihnen freizuschalten. Dennoch hat man viel zu tun und im Rahmen eines Action-Rollenspiels sind die Aufgaben zu großen Teilen abwechslungsreich.
ich habe für meinen einzigen Durchgang 87 Spielstunden reingebuttert, keine Ahnung wie ich das geschafft habe.
Es gab wohl zuviel Einfluß von der obrigen Etage, wie das Spiel zugeschnitten werden soll auf eine wesentlich jüngere Zielgruppe, anstatt grünes Licht zu geben und den Entwicklern Freiheiten zu gewähren um eine fließende Entwicklung seit Teil 3 nicht komplett abzuwürgen.
Wir alle wissen wie es geendet hat. Eine typische Auftragsarbeit wo an vielen essenziellen Baustücken gespart wurde.
Fehlen in Zukunft nur noch News zu Kinderarbeit in der Spieleindustrie. Zum Glück stellen die keine Klamotten her!