Es wird wieder geisterhaft unterm Headset: Während sich der Maschinenknobler Twilight Path (zum Test) gleich komplett ins Jenseits begab, bleibt es im Konkurrenzprodukt The Room VR: A Dark Matter etwas klassischer. Ähnlich wie auf dem iPad knobelt man an hübsch modellierten Maschinen voller geheimnisvoller Schalter, Rädchen und versteckter Mechanismen herum. Der unterhaltsam präsentierte erzählerische Rahmen verpasst dem Puzzle-Adventure trotzdem einen übersinnlichen Einschlag. Im Jahr 1908 führt das Verschwinden eines renommierten Ägyptologen im British Institute of Archaeology zu einer polizeilichen Ermittlung ins Unbekannte. Hatte es etwas mit der „großen Entdeckung“ zu tun, vor der er laut der Fall-Akten stand?
Als sich dämonische Ranken über das Schloss eines Safes legen und sich ein blau schimmernder Geist der Vergangenheit zeigt, wird klar, dass es sich um keinen gewöhnlichen Fall handelt. Stattdessen versetzt eine unbekannte Macht den Detective ins „Reich des Null-Elements“ und an mystische Orte wie das Institut, die Wache oder eine Kirche. In letztgenannter z.B. wartet ein wichtiges Artefakt auf seine Entdeckung – sofern man den geisterhaften Visionen Glauben schenkt.
Faszinierende Haptik
Grund genug, im typischen Stil der Reihe an massenhaft obskuren Apparaturen zu ziehen und zu drehen. Oder man wirft mit einem Okular einen Blick durch verspiegelte Oberflächen – auf geheimnisvoll verzahnte und verdrehte Mechanismen. Auch in der neuen Geschichte des VR-Ablegers wechselt man nach und nach zwischen immer mehr Standorten. Mit Hilfe des Teleport-Cursors landet man vor mit Rädchen versehenen Truhen, Tempelritter-Statuen mit auffälligen Aussparungen oder sinnbildlich formulierten Hinweisen auf Steintafeln. Freie Bewegung wird leider nicht angeboten, doch auch so herrscht ein starkes Gefühl der Präsenz beim entschleunigten Knobeln.
Vorm Aufzug der Asservatenkammer müssen lediglich logische Zahlenfolgen weitergedacht werden, im Institut wird es dagegen schon angenehm komplex. Die Visionen geben geschickt Hinweise auf den nächsten interessanten Ort. Man kann die hübsch ausgearbeiteten Materialien beinahe fühlen, wenn man an den knatschenden, verstaubten Seilzügen zerrt, lange Metallriegel auch in unerwarteten Winkeln wegdreht oder feine Haken mit einem Griff durch eine filigrane Spieluhr führt. Eine herrlich haptische Art des Knobelns, die sich noch eine Spur authentischer anfühlt als in
Form
(zum Test),
Statik
(zum Test) oder A Fisherman’s Tale (zum Test)! Schön auch, dass aufgehobene Objekte wie glänzende Medaillons ähnlich elegant im übersichtlichen Inventar verschwinden wie in Half-Life: Alyx (zum Test). Zudem sind die liebevoll ausgetüftelten Gerätschaften eine echte Augenweide – inklusive hübschem Glanz, stimmungsvoll schummriger Beleuchtung, fein angelaufenem Metall und anderen, sehr „griffig“ wirkenden Materialien, die spontan die Lust aufs Anfassen und ausprobieren wecken!
Nicht immer ausgefeilt
Eine zentrale Mechanik hat sich das Team offenbar bei Asgard’s Wrath (zum Test) abgeschaut: Mit Hilfe eines Okulars inspiziert man das Innere der filigranen mechanischen Kisten – und zwar, indem man sich praktisch schrumpft und hinein teleportiert. Eine schöne Idee, da man so allen Ecken der vielschichtigen Puzzles kennenlernt. Hier noch zwei durchscheinende Buntglasfenster rotieren und dort einen Spiegelstein einsetzen, der den Lichtstrahl umleitet. Dabei geht es wieder und wieder hin und her. Zwei eben noch mit Zahnrädern umgedrehte Miniaturbalken lassen sich schon Sekunden später persönlich als Brücke überschreiten. Leider übertreiben es die Entwickler damit ein Bisschen: Die Aufmerksamkeit in der ungewohnten VR-Situation wird nicht immer gut genug auf den nächsten wichtigen Schritt gelenkt, so dass man sich schon mal als Miniaturfigur inmitten der rotierbaren Orgelpfeifen verlieren kann. Kurze Zeit später muss man sich sogar durch ein nervtötend fummelig geratenes Minispiel mit einer rollenden Kugel quälen. Wer während des rund fünfstundigen Rätseltrips partout nicht weiter weiß, kann immerhin wieder mit dem sinnvollen dreistufigen Hinweis-System nachhelfen. Mit seinem automatischen Timer wirkt es allerdings nicht ganz so ausgefeilt wirkt wie bei Professor Layton.
Die Unterschiede zwischen den VR-Plattformen fallen erfreulich klein aus. Mit dem großen Sichtfeld der Index und einem flotten Rechner wirken die Ermittlungen am schärfsten und übersichtlichsten, da große technische Reserven für Supersampling und eine flüssige Bildrate von 144 Hertz bleiben. Doch auch mit der Rift S oder der PlayStation VR an einer PS4 Pro muss man nur mit minimalen Abstrichen leben. PSVR-Spieler können hier jederzeit frei zwischen Move-Controllern oder DualShock wechseln – im Gegensatz zum umständlich gelösten Wechsel in Paper Beast (zum Test). Beide Varianten verrichten ihren Dienst verhältnismäßig gut, kommen aber im schmalen Tracking-Kegel nicht ganz an die Genauigkeit und Immersion der übrigen Fassungen heran. Überraschend gut gelungen ist die Quest-Umsetzung: Texturen und Materialien wirken unter der einfacheren Beleuchtung zwar ein wenig stumpfer, doch trotzdem bleibt selbst feine Handschrift auf Briefen prima lesbar – und auch der stets flüssige, nach wie vor urige Gesamteindruck kann überzeugen!
Klasse Test. Überleg es mir zuzulegen!