Fazit
Ich mag diese klassischen Rollenspiele. Sie sind zwar visuell nicht so beeindruckend wie die großen Welten in Fallout 4 oder The Witcher 3, aber es entsteht eine angenehm gemütliche Art des Spielens. Und Tyranny zitiert nicht nur Altbekanntes à la Baldur’s Gate, sondern ist angenehm kreativ. Es bereichert das Genre um einen politischen Fokus, bei dem sich die Reputation gegenüber Gruppen und Gefährten spürbar auswirkt. Es entsteht ein spannendes Vabanque-Spiel, in dem man trotz der scheinbar klaren Ausgangslage als Todesbote eines Tyrannen sehr viele Möglichkeiten hat, seinen Charakter und das Schicksal der Welt zu prägen. Obsidian Entertainment gelingt es, das Spiel und damit das Wesen des eigenen Charakters so offen zu gestalten, dass man vom brutalen Schlächter über den gnadenlosen Unterdrücker, den listigen Intriganten bis hin zum Retter der Rebellen alle Facetten ausleben kann. Es ist im besten Sinne ein Spiel mit der eigenen Rolle. Wer auf erzählerische Qualität Wert legt, kommt dank sehr guter Dialoge, lebendiger Gefährten und dichter Dramaturgie voll auf seine Kosten. Allerdings ist die Spielwelt von Terratus selbst weniger exotisch, die Erkundungsreize halten sich in Grenzen und trotz lobenswertem Magiebaukasten wirken das Sammeln, Schleichen und Entdecken manchmal überflüssig. Die Kämpfe sind fokussierter und aufgrund der Gefährtenkombos spektakulärer als in Pillars of Eternity, aber lassen einiges an taktischem Potenzial liegen. Der Kern der Faszination liegt hier nicht in den Gefechten, dem Auskundschaften im Gelände oder gefährlichen Dungeons, sondern im tollen politischen Ränkespiel. Das Drehbuch ist spürbar auf Konflikt ausgelegt und die Story wächst nicht so harmonisch mit den eigenen Entscheidungen wie etwa in The Age of Decadence, aber dafür spitzt sich die Lage so zu, dass man nach etwa sechs bis acht Stunden schon fast glaubt, das Finale würde eingeläutet – nur um dann erfreut festzustellen, dass sich die Welt erneut öffnet und der politische Druck eine ganz andere Dimension einnimmt. Wer Entscheidungen mit Konsequenzen und Abenteuer à la Planescape Torment mag, wird von Tyranny sehr gut unterhalten.Wertung
Wer Entscheidungen mit Konsequenzen und Abenteuer à la Planescape Torment mag, wird von Tyranny sehr gut unterhalten.
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Ich hole Tyranny gerade nach und finde es zutiefst bedauerlich, dass es vergleichsweise untergegangen ist.
Normalerweise spiele ich in solchen Titeln eher den 0815 chaotisch guten Dude von nebenan, aber hier setze ich Kyros' gottverdammtes Gesetz durch, teilweise sogar mit völliger Überzeugung und maximaler Inbrunst, denn irgendjemand muss diese starrsinnigen, von vermeintlicher Ehre besessenen Stufenbewohner ja vor der endgültigen Auslöschung bewahren.
Dass ich, um den Krieg zügig zu beenden, dabei mit noch starrsinnigeren, recht faschistoiden Fanatikern paktiere (und mir insgeheim die Option offen halte, dieses Bündnis bei Bedarf zu brechen), ist nur Mittel zum größeren Zweck.
Grandios! Mehr davon!
Da sind mir die recht lahmen Kämpfe und die Loot-Langeweile auch relativ wumpe. Man stelle sich nur vor, mehr Budget würde in Entscheidungsfreiheit bei Dialogen und daraus resultierende Konsequenzen gepumpt anstatt in raytracing und ähnlichen Klimbim...
Ich habe Tyranny durchgespielt und fand die Geschichte meisterhaft. Tatsächlich ist es meiner Meinung nach gar nicht möglich, eine so fesselnde Geschichte zu erzählen, wenn ausufernde Nebenquests oder endloses Schlachtgetümmel den Faden ständig wieder abreißen lassen. Wo vielleicht noch etwas mehr gegangen wäre, sind die Zwiegespräche der Party. So etwas wie: "Nicht so laut Du wandelndes Belagerungsgerät. Es besteht überhaupt kein Grund sich übereilt in den Kampf zu stürzen." Lyra zu Barik. Davon hätte ruhig mehr kommen können, Mit anderen Worten, ich hätte gern noch mehr Text gehabt. Gerade weil Obsidian diesen Punkt bei NWN2 zum Beispiel sehr gut hinbekommen hat. (Dafür war der Plot dort nur gut verpackter Standard).
Die Kämpfe waren tatsächlich weniger spannend und immer etwas hölzern. Am Anfang sind es immer 4 Gegner, später 5 und noch später auch mal 6. Schöner wäre es gewesen wenn mal richtig viele (aber dafür schwächere Gegner aufgetaucht wären) oder anderweitig mehr Abwechslung geherrscht hätte. Z.B. durch die Einbeziehung von Sichtlinien. Lediglich die Geister haben eine kurze Veränderung der Angriffstaktik erfordert. Im allgemeinen kommt man sonst mit ein und der selben Taktik durch. Ich habe bei Halbzeit auf schwer umgestellt, das hat auch keine wirkliche Herausforderung gebracht. Naja, spannende Kämpfe und spannende Story in einem Spiel sind vielleicht zu viel erwartet.
Nach dieser Erfahrung und dem vollständigen Lesen dieses Threads werde ich mir wohl planescape torment bei gog kaufen müssen,
Ist halt komisch, mit vielem was du schreibst über IE hast du vollkommen recht, trotzdem machen die Kämpfe mehr Spass. Hast sogar vergessen, dass man sich als Magier unverwundbar machen konnte wenn ich mich recht erinnere (in BG2 ohne mods). Super toll war die IE wirklich nicht. Wünsche mir immer noch ein Spiel wie PoE oder Tyranny mit den Kampfmechaniken von PoEE.
Danke, ich werde dann White March definitiv mal versuchen.