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Ghost of Tsushima (Action-Adventure) – Blut im Sommergras

Im Jahr 1274 wird die Insel Tsushima von den Mongolen angegriffen. Im Auftrag von Kublai Khan sollen sie ganz Japan erobern. Als sie zu Zehntausenden am Strand landen, stellen sich ihnen 80 berittene Samurai entgegen. Genau an diesem Punkt der historischen Überlieferung beginnt Ghost of Tsushima. Danach öffnet sich eines der schönsten und elegantesten Abenteuer, die man in offener Welt erleben kann.

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Die Magie der Kleinigkeiten

Dass mich Ghost of Tsushima trotz der schwachen Gegner-KI sowie einiger repetitiver Sammelmechaniken sehr gut unterhalten hat, liegt auch an den vielen Kleinigkeiten, wie etwa der Angst der Feinde im Kampf oder dass man für heilige Rehe keine Felle bekommt, die verdeutlichen, dass sich Sucker Punch kreative Gedanken gemacht hat. Oder dass man vor einem Gefecht die taktische Lage inspizieren kann, indem man optimale Stellen erkundet. Zwar hat man immer das Gefühl, dass der letzte konsequente Schritt fehlt, dass man mehr Fehler machen und mehr Konsequenzen spüren kann. Aber im Gegensatz zu anderen Spielen gibt es einfach viele liebevolle Details. Übrigens: Achtet mal im schwarzweißen Kurosawa-Modus auf den veränderten Sound, ihr Freunde der historischen Akustik!

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Wer Flöte spielt, ändert das Wetter. © 4P/Screenshot

Damit meine ich auch, dass z.B. die Pfeile im Köcher exakt der aktuellen Anzahl entsprechen, dass man Kurz- und Langbogen anders einsetzt oder die Art und Weise, wie Jin sein Katana wegsteckt. Auch dass die Feinde tatsächlich Mongolisch sprechen oder dass man ihre Anführer beim Trainieren beobachten kann, um ebenso wie für ihre Tötung an Erfahrung zu gewinnen: findet man eine erhöhte Position im Lager, muss man eine gewisse Zeit R2 drücken. Oder dass man in einem Gespräch mit einem Nebencharakter mal eben auf den chinesischen Philosophen Sun Tzu zu sprechen kommt, den damals alle japanischen Samurai gelesen haben. Das Wetter ist mies? Oder zu schön? Spielt auf der Flöte ein kleines Lied und es ändert sich!

Die Toten ehren und Haikus dichten

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Das ist einfach ein wunderschönes Spiel. © 4P/Screenshot

Es gibt zudem magische Momente, wenn man sich z.B. an den richtigen Stellen verbeugt – also nicht nur an den (plump) markierten: Mit einem Wischer nach unten kann Jin ja diese typisch japanische Respektbekundung zeigen. Macht er das an bestimmten Orten, reagiert die Luft um ihn herum vielleicht mit einem Wirbel oder einem Insektenschwarm. Wenn Jin das vor einem der Toten macht, die man überall in der Landschaft finden kann, meist aufgespießt oder hingerichtet, spricht er nicht nur eine, sondern eine von mehreren Grußformeln wie „Ich hoffe, du findest Frieden.“ Es sind diese spielerisch vollkommen irrelevanten, aber für die Atmosphäre wichtigen Details, die ich sehr schätze! Und als ich mich auf dem Weg zu einem Kami-Tempel vor einer Frosch-Statue verbeugte, regnete es tatsächlich… Frösche! Das war einfach nur verdammt cool.

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Auch die Waffen wurden klasse modelliert. © 4P/Screenshot

Abschließen möchte ich diesen Abschnitt über die Magie der Kleinigkeiten mit dem poetischen Flair, das natürlich sehr gut zu diesem Spiel passt: Wenn Jin in einer heißen Quelle entspannt, um seine maximale Gesundheit ein wenig zu erhöhen, kann er z.B. über seinen Vater, den Kampf oder die Ehre „sinnieren“ – man darf immer aus zwei Themen wählen. Noch interessanter wird es mit den Haiku, einer japanischen Gedichtform: Findet Jin einen Platz dafür, kann man einen dreiteiligen Vers dichten, indem man selbst zwischen jeweils drei Worten wählt – das Ergebnis ziert dann ein Stirnband, das man anlegen kann. Bevor ich einen holprigen Vers von mir aus dem Spiel zitiere, lasse ich lieber den berühmten Haiku-Dichter Matsuo Basho (1644-1694) sprechen:

Nur Sommergras
Ist von den Träumen
Der Krieger geblieben



Kommentare

525 Kommentare

  1. Markhelm hat geschrieben: 04.01.2021 10:49 Es geht nicht um Erfahrungspunkte und das man alle Naselang was freischalten kann, sondern um interessante Orte, Charaktere oder Quests. Da ist eben nix.
    Das Windfeature ist ganz nett, nutzt sich aber auch schnell ab. Genau wie die überzeichnete Grafik.
    Finde eigentlich schon, dass sich zb die Shinto Schreine oder die Quests für die legendären Techniken abheben. Das Windfeature ist wie gesagt nichts großes, aber trägt halt zu den Flow bei, den mir vergleichbare Open World Titel einfach nicht geboten haben. Ich bin beim spielen einfach "in the Zone" und werde nicht durch Menü, Maps, etc. abgelenkt.
    Die Strohhutbande, der Schnappsbrenner oder die Adachi Mutter sind jetzt drei Sachen, die mir aus Nebenquests noch in Erinnerung geblieben sind.
    Bin wie gesagt noch nicht durch und es ist gut möglich, dass auch bei mir noch diese Ermüdungserscheinungen eintreten. Aber scheint ja auch für dich ein paar unterhaltsame Stunden gegeben zu haben. (oder du bist einfach ein sehr positiv eingestellter Mensch und du dachtest, es wird noch ^^)
    Edit: Sorry, du warst das nicht mit den 20 Stunden. :Blauesauge:

  2. Ich verstehe das Argument von Mark und Ahti sehr gut. Genau das hält mich bis zum heutigen Tag vom Kauf des Spiels ab. Dabei habe ich sogar immer wieder phasenweise Bock drauf gehabt, weil eben der Markt an Samurai Games eher dünn gesät ist. Dann schaue ich mir Gameplay Let's Plays an und lese nochmal rein, komme aber letztlich immer zu dem Entschluss Finger davon zu lassen, weil ich den Hype bei diesem Spiel, wie bei den meisten OW Titeln nicht mehr nachvollziehen kann.
    Repetitives Open World Gameplay wird für mich auch durch RPG Elemente nicht attraktiver, wenn ich effektiv immer das gleiche tue und dadurch sehr schnell bei mir Abnutzung eintritt. In diesem Punkt wirkt Tsushima auf mich nach wie vor abseits vom großartigen Szenario zu austauschbar und beliebig. Würde hier genau wie mit jedem AC einfach mitten drin die Lust verlieren. In dem Punkt finde ich übrigens 90% aller OW Spiele komplett überbewertet und kann den Hype nur selten nachvollziehen. Wenn dahinter intelligentes Spieldesign wie bei MGSV steckt, trägt sowas für mich über die gesamte Dauer, da man immer wieder neuen Herausforderungen und Gameplay Momenten ins Auge blickt, die wieder einen Reiz entfachen.
    Scheinbar trifft man mit dem eher oberflächlichen, auf Wiederholung ausgelegten Gameplay und Missionsdesign aber den üblichen Massengeschmack.

  3. Es geht nicht um Erfahrungspunkte und das man alle Naselang was freischalten kann, sondern um interessante Orte, Charaktere oder Quests. Da ist eben nix.
    Das Windfeature ist ganz nett, nutzt sich aber auch schnell ab. Genau wie die überzeichnete Grafik.

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