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Ghost of Tsushima (Action-Adventure) – Blut im Sommergras

Im Jahr 1274 wird die Insel Tsushima von den Mongolen angegriffen. Im Auftrag von Kublai Khan sollen sie ganz Japan erobern. Als sie zu Zehntausenden am Strand landen, stellen sich ihnen 80 berittene Samurai entgegen. Genau an diesem Punkt der historischen Überlieferung beginnt Ghost of Tsushima. Danach öffnet sich eines der schönsten und elegantesten Abenteuer, die man in offener Welt erleben kann.

© Sucker Punch / Sony

Vernunft gegen Besessenheit

Das Spiel beginnt genau an jener tragischen Stelle, als die 80 Samurai am Komoda-Strand in den Tod reiten: Man übernimmt Jin Sakai auf seinem galoppierenden Pferd, der zwar mit seinem Onkel, Fürst Shimura, noch einige Mongolen töten kann, doch dann von Pfeilen getroffen fällt. Aber er hat Glück, denn er wird von einer FRau namens Yuna schwer verwundet gefunden. Als Gegenleistung für ihre Hilfe soll er ihren Bruder, einen Schmied, vor den Mongolen retten. Aber Jin hat nur eines im Sinn: Erst seinen Onkel und dann ganz Tsushima befreien!

Yuna schlägt sich als Diebin durch, kann selbst kämpfen und sorgt für einen vernünftigen Gegenpol zum allzu heroischen Jin und seiner Besessenheit, wie ein ehrenhafter Samurai zu handeln. Auch wenn seine Haltung aus moderner Sicht töricht wirken mag, bleibt Sucker Punch damit dem überlieferten Zeitgeist samt der Vorstellung von Ehre angenehm treu. Warum Jin dem Ideal des Bushido, dem Weg des Kriegers, derart selbstmörderisch folgen will, verdeutlichen schöne Rückblicke in seine Kindheit, die auch seine Unsicherheit zeigen.

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In schönen spielbaren Rückblicken erfährt man etwas über Jins Jugend. © 4P/Screenshot
Es sind vor allem Schuldgefühle, die ihn antreiben, denn er konnte den Tod seines Vaters nicht verhindern. Er fühlt sich schwach, nicht wie ein Samurai. Gerade als Fürstensohn lastet das schwer auf ihm: Sein Gang hin zum Grab wirkt zwar idyllisch, aber alle Augen der Familie ruhen auf ihm. In dieser wunderbaren Szene zeigt ein Spiel quasi im Vorbeigehen nicht nur die beruhigende Weisheit, die in der Beseeltheit der Dinge und Natur liegen kann, sondern auch den sozialen Druck der Ehre. In den Blicken der Trauerenden liegt auch die Erwartung, sie aufrecht zu erhalten.

Unterdrückte Schönheit

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Die Beerdigung des Vaters gehört zu den stimmungsvollen Szenen des Einstiegs. © 4P/Screenshot

Aber Jin wirkt zu Beginn wie ein übereifriger und überaus dummer Mann, der nicht etwa – wie die clevere Yuna es empfiehlt – zur Festung der Mongolen schleicht, um seinen Onkel zu befreien, sondern tatsächlich zum Haupttor geht und Zweikämpfe sucht. Zwar kann er einige Mongolen töten und sogar den Khan auf sich aufmerksam machen, aber dann muss er gegen den überlegenen Feind Lehrgeld zahlen. Erst als er dem Tod nach einem Sturz ein zweites Mal knapp entrinnt, schmiedet er einen besseren Plan samt hinterhältiger Taktiken sowie wichtiger Verbündeter. Hier erkennt er, dass er einigen Idealen des Bushido sowie Lektionen des Onkels zuwider handeln muss. Und erst hier, nach diesem stimmungsvollen Prolog, öffnet sich das Abenteuer.

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Was für eine Landschaft! © 4P/Screenshot

Als sich die Landschaft das erste Mal zeigt, hat mich ihre Schönheit einfach nur verblüfft. Ich wusste ja von den Trailern, dass Ghost of Tsushima malerisch inszeniert wird. Aber wenn man selber die Kamera drehen und durch dieses Land wandern oder reiten kann, ist die Wirkung viel intensiver. Es ist eindrucksvoll, wenn der Wind durch die Gräser jagt, wenn sich tausende weiße Blüten von Chinaschilf im Sonnenlicht wiegen und Nebelfetzen über Wiesen wabern. Es gibt verwunschene Täler in einem Meer aus lila Blumen, Sturm umtoste Steilklippen und goldene Wälder mit riesigen Ginko-Bäumen. Selbst nach 30 Stunden hatte ich mich nicht sattgesehen und musste immer wieder den Fotomodus aktivieren. Wenn diese 700 Quadratkilometer große pazifische Insel tatsächlich so aussieht und so viel Abwechslung bietet, muss ich da mal hin…

  1. Markhelm hat geschrieben: 04.01.2021 10:49 Es geht nicht um Erfahrungspunkte und das man alle Naselang was freischalten kann, sondern um interessante Orte, Charaktere oder Quests. Da ist eben nix.
    Das Windfeature ist ganz nett, nutzt sich aber auch schnell ab. Genau wie die überzeichnete Grafik.
    Finde eigentlich schon, dass sich zb die Shinto Schreine oder die Quests für die legendären Techniken abheben. Das Windfeature ist wie gesagt nichts großes, aber trägt halt zu den Flow bei, den mir vergleichbare Open World Titel einfach nicht geboten haben. Ich bin beim spielen einfach "in the Zone" und werde nicht durch Menü, Maps, etc. abgelenkt.
    Die Strohhutbande, der Schnappsbrenner oder die Adachi Mutter sind jetzt drei Sachen, die mir aus Nebenquests noch in Erinnerung geblieben sind.
    Bin wie gesagt noch nicht durch und es ist gut möglich, dass auch bei mir noch diese Ermüdungserscheinungen eintreten. Aber scheint ja auch für dich ein paar unterhaltsame Stunden gegeben zu haben. (oder du bist einfach ein sehr positiv eingestellter Mensch und du dachtest, es wird noch ^^)
    Edit: Sorry, du warst das nicht mit den 20 Stunden. :Blauesauge:

  2. Ich verstehe das Argument von Mark und Ahti sehr gut. Genau das hält mich bis zum heutigen Tag vom Kauf des Spiels ab. Dabei habe ich sogar immer wieder phasenweise Bock drauf gehabt, weil eben der Markt an Samurai Games eher dünn gesät ist. Dann schaue ich mir Gameplay Let's Plays an und lese nochmal rein, komme aber letztlich immer zu dem Entschluss Finger davon zu lassen, weil ich den Hype bei diesem Spiel, wie bei den meisten OW Titeln nicht mehr nachvollziehen kann.
    Repetitives Open World Gameplay wird für mich auch durch RPG Elemente nicht attraktiver, wenn ich effektiv immer das gleiche tue und dadurch sehr schnell bei mir Abnutzung eintritt. In diesem Punkt wirkt Tsushima auf mich nach wie vor abseits vom großartigen Szenario zu austauschbar und beliebig. Würde hier genau wie mit jedem AC einfach mitten drin die Lust verlieren. In dem Punkt finde ich übrigens 90% aller OW Spiele komplett überbewertet und kann den Hype nur selten nachvollziehen. Wenn dahinter intelligentes Spieldesign wie bei MGSV steckt, trägt sowas für mich über die gesamte Dauer, da man immer wieder neuen Herausforderungen und Gameplay Momenten ins Auge blickt, die wieder einen Reiz entfachen.
    Scheinbar trifft man mit dem eher oberflächlichen, auf Wiederholung ausgelegten Gameplay und Missionsdesign aber den üblichen Massengeschmack.

  3. Es geht nicht um Erfahrungspunkte und das man alle Naselang was freischalten kann, sondern um interessante Orte, Charaktere oder Quests. Da ist eben nix.
    Das Windfeature ist ganz nett, nutzt sich aber auch schnell ab. Genau wie die überzeichnete Grafik.

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