Veröffentlicht inTests

The Witcher 3: Wild Hunt im Test – Krönender Abschluss der Hexersaga?

Knapp drei Jahre haben Rollenspieler auf The Witcher 3: Wild Hunt gewartet. Die Saga um den Hexer Geralt hat das Genre nicht nur aufgrund des literarischen Helden aus der Feder Andrzej Sapkowskis, sondern vor allem mit seiner Erzählweise, der Questqualität und der Inszenierung einer erwachsenen Fantasywelt bereichert. Wie wird CD Project RED die Trilogie abschließen? Können sie die Herausforderungen der neuen offenen Welt meistern? Mehr dazu im Test.

© CD Projekt RED / Bandai Namco Entertainment

Die Qual der Neutralität

Und Geralt? Er muss sich keiner Fraktion anschließen, muss den temerischen Lilien also keine Treue erweisen, es gibt auch keinerlei Statistik oder Fortschrittsleisten für seine Dienste am Kaiser, für die Rebellen oder die anderen Parteien wie die Scoia’tel, die als kämpfende Organisation der Anderlinge im zweiten Teil noch sehr wichtig waren, aber hier etwas im Hintergrund der Story verblassen. Aber er kann in den Quests sowohl den eiskalten Handlanger der Nilfgaarder als auch den Unterstützer der Einheimischen geben – was durchaus schwer fällt, denn in den sehr guten Dialogen wirken die Erklärungen beider Seiten immer irgendwie plausibel.

Einem Zwerg wird z.B. die Hütte abgefackelt, weil er für die Besatzer aus Nilfgaard schmiedet. Geralt findet den betrunkenen Brandstifter, der natürlich seine eigenen Motive hat. Er kann ihn ziehen lassen, an die Wachen ausliefern

[GUI_STATICIMAGE(setid=78054,id=92504521)]
In den Dialogen hat man mehrere Antworten zur Wahl, manchmal tickt auch die Zeit oder man kann Magie wirken. © 4P/Screenshot

oder zum richtig schlecht gelaunten Zwerg bringen. Und was macht man mit einem temerischen Rebellen, der einen belügt und einen hinterhältigen Mord begangen hat, um an wichtige Medizin für verwundete Kameraden zu kommen? Man kann ihn an Nilfgaard übergeben, die Medizin behalten oder ihn mit besten Wünschen ziehen lassen. Ob sich das später auszahlt oder rächt? Es fällt nicht immer leicht, die hexertypische Neutralität zu wahren und in erster Linie an seine Bezahlung zu denken. Wie auch immer wirken sich manche Aktionen nicht nur auf verfügbare Folgequests aus – es kann also auch sein, dass mögliche Aufgaben nicht verfügbar sind, weil der Hexer jede weitere Kooperation mit seinen Taten zunichte macht.

Die spürbaren Folgen

Es gibt direkt sichtbare Folgen, wenn man z.B. ein verlassenes Dorf von einem Fluch oder einen Tempel von Monstern befreit und die Leute danach wieder alles aufbauen – inklusive Händler & Co. Man kann nicht nur sehen, wie sich die kriegsgebeutelte Umgebung wieder zur Normalität entwickelt, man kann es auch hören, wenn die Dörfler einen dafür loben.

[GUI_STATICIMAGE(setid=78054,id=92504491)]
Ihr habt in einem Dorf mal ein Blutbad angerichtet? Vorsicht: Das kann euch Stunden später in der Stadt wieder einholen! © 4P/Screenshot

Hinzu kommen indirekte Spätfolgen: Als ich in einer Taverne ein (gut gemeintes) Blutbad anrichte, flieht die verzweifelte Wirtin. Erst dachte ich es sei ein Bug, weil sie nicht mehr im Schankraum auftauchte und damit auch als Händlerin nicht mehr verfügbar war. Aber viele, viele Stunden später sitze ich im weit entfernten Novigrad in einer anderen Taverne und will einer Bardin lauschen, als die alte Wirtin plötzlich unter den Zuschauern aufspringt und mich als Mörder beschimpft – eine sehr schöne Spätreaktion! Man hat also immer das Gefühl, dass sich die eigenen Taten auswirken, zumal man mit seinen wesentlichen Entscheidungen auch drei mögliche Enden einleiten kann.

Knackige Dialoge mit Entscheidungen

Wie laufen die Gespräche ab? Geralt redet als Hexer nicht viel. Man hat zwar meist die Wahl zwischen freundlichen, schroffen oder aggressiven Antworten, muss in einigen Situationen auch mal gegen die Zeit antworten oder reagieren (soll man sich wirklich vor dem Kaiser verbeugen?), aber das Dialogsystem beschränkt sich auf das Wesentliche. Das heißt, dass es weder besonders viele noch verschachtelte Gespräche gibt, in denen man sich rhetorisch beweisen muss – dafür gibt es ja auch keine Charakterwerte. Das heißt nicht, dass die Dialoge schlecht geschrieben sind. Im Gegenteil: sie wirken meist angenehm authentisch und leben vom derben Witz oder

[GUI_STATICIMAGE(setid=78054,id=92504512)]
Was ist das für ein Kauz? In Novigrad kämpfen einige Verbrecherbanden um die Vorherrschaft. Könnt ihr eingreifen? Ja! © 4P/Screenshot

bitteren Sarkasmus. Und der Hexer kann immerhin eines seiner arkanen Zeichen nutzen, um all zu aggressive Gesprächspartner zu beruhigen oder andere zum Reden zu bewegen.

Trotzdem vermisse ich des Öfteren die Möglichkeit, mich etwas genauer zu informieren oder weiter mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Und es gibt nur einige wenige, aber dennoch ärgerlich eingleisige Situationen, in denen mir als Geralt gar keine Wahl gelassen wird, obwohl man die Szene offener hätte ausspielen können: Als Geralt und Vesemir zu Beginn in einem Gasthaus eine Schlägerei befürchten und der ältere den jüngeren Hexer noch extra davor warnt, beide da mit reinzuziehen, kann man das anschließende Gemetzel nicht verhindern – hier gab es nicht mal einen Dialog oder eine Szene für eine Reaktion. Und Vesemir rüffelt Geralt auch noch für die Eskalation. Gerade weil die schwierige Neutralität auch ein erzählerisches Leitmotiv ist, gerade weil dem Hexer so oft in kleinen Situationen eine Entscheidung für oder gegen den Kaiser oder die Rebellen abverlangt wird, fühlt man sich in dieser Szene von der Regie gezwungen. Aber wie gesagt: Die Leine ist selten so straff.

  1. Finde es unreal The Last of Us 2 über The Witcher 3 zu erheben und zu sagen, Witcher 3 war gar nicht so gut damals wie angenommen, ein überschätztes Game. Technisch sowieso nicht vergleichbar mit The Last of Us 2 (Witcher 3 war übrigens nicht PS4 Exklusiv, da speilen also auch andere Faktoren mit was die Engine betrifft), weil da einige Jahre und Entwicklungszeit dazwischenliegen.
    Jetzt fehlt nur noch das behauptet wird The last of Us 2 hat in seiner Quantität und Qualität genauso viele gute Charaktere zu bieten wie ein Witcher...
    Habe selten so eine weltfremde Meinung gehört. Es ist Dein gutes recht The Last Of us 2 als ewiges Meisterwerk anzuloben, aber besinne Dich evtl. doch ein bißchen auf Objektivität und Neutralität. Balance mein Freund ist das wichtigste im Leben!

  2. Nuracus hat geschrieben: 21.07.2020 14:33 MAAANN ich weiß, jetzt kommen wieder "ABER THE LAST OF US IST KEINE LASAGNE SONDERN EIEN DOSE RAVIOLI!!!111".
    Dann ersetz das Essen in den Sätzen davor durch den üblichen Nudelauflauf. Der ja auch sehr geil sein kann (oder auch nicht) und durchaus Gemeinsamkeiten mit Lasagne hat (in diesem Beispiel: Die Storylastigkeit, mit vielen Cutscenes - das ist der Käse).
    Nö beide Spiele sind ein wahrer Festschmaus für die Genießer da draußen, man muss sie nicht gleichzeitig reinwürgen, sonst kommen keine solche amüsante Kommentare wie hier zustande :mrgreen:
    "Ellie"
    "was ist Dina"
    "wie schmeckt dir Witcher 3"
    "alt und zäh, wie schmeckt dir The Last of Us 2 Geralt"
    "ziemlich blutig Ellie"
    "eine Prise Rache verfeinert den Geschmack"
    Yay

  3. Ich hole ja gerade Hellblade nach. Und hier habe ich den Artstyle und vor allem die Farbpalette nun gefunden, die ich mir mal für Witcher 3 gewünscht habe und nach der es zu Beginn ja auch aussah, bevor CDP dann in die Bonbonkiste gegriffen haben.

  4. Nuracus hat geschrieben: 21.07.2020 13:40 Die Unterschiede sind mir völlig klar, ändern aber rein gar nichts an der echt schon fast unterdurchschnittlichen Umsetzung mit den Ladezeiten.
    Abgesehen davon, nehmen wir das Beispiel Taverne.
    Manchmal betritt man eine Taverne und wenn man einen bestimmten Punkt überschreitet, geht das Spiel (per Blackscreen) in eine Cutscene über.
    Diesen Blackscreen, der zum Teil nicht mal ne Sekunde dauert, kann man nicht anders lösen?
    Natürlich kann man das, der Blackscreen ist lediglich die einfachste Lösung, und leider auch die, die den Spielfluss am heftigsten unterbricht.
    Das fällt eben besonders auf, wenn TW3 mehrere teils kurze Cutscenes aneinander reiht und diese jeweils mit einem Blackscreen + Ladezeit unterbricht.
    Bevor ihr euch gegenseitig zerfleischt (oh immer diese Beißreflexe bei Kritik), ich finde as Spiel grundsätzlich sehr gut, obwohl es zahlreiche Kritikpunkte hat.
    Die Problematik des stotternden Erzählens fällt mir nur einfach jetzt besonders auf, da ich mit TLoU 2 das krasse Gegenteil erlebt habe.
    Es sieht aus, als hätte sich CDP da schlicht gnadenlos überschätzt.
    Nein, kann man eben nicht. Selbst wenn es Beispiele gibt, die direkt eine Szene triggern, muss die Engine so funktionieren, dass alle Fälle abgedeckt sind. In TW3 kann der Ausgang eines kurzen Dialogs schon dafür sorgen, dass die darauffolgende Szene komplett anders verlaufen wird. Die Engine muss also so aufgebaut werden, dass sie grundsätzlich immer bereit ist entweder Fall A oder Fall B zu laden, selbst wenn nach einem Dialog es kein unterschiedlicher Ausgang gibt. Auch muss immer Geralt mit dem Equipment geladen werden, das man sich auch angezogen hat, während die Ausrüstung in TLOU2 fest vorgeschrieben ist.
    Die Engines sind auf komplett unterschiedliche Anforderungen ausgelegt.
    TLOU2-Scripts sind deswegen so flüssig, weil sie komplett linear durchgescriptet sind und sogar von Schauspielern gemotioncaptured. Da spielt quasi nur ein Film mit festen Skript...

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Seite 1