Ganz in seinem Element ist der Agent zum Glück, wenn er heimlich durch Verbrecherlager schleicht, streng bewachte Forschungskomplexe infiltriert oder in eine Bank eindringt und diese Momente machen immerhin den Großteil des Spiels aus. Wer mit Deus Ex liebäugelt, sollte sich im Klaren darüber sein, dass er es guten Gewissens wie einen herkömmlichen Shooter nehmen kann. Besser zurechtgeschnitten ist es aber auf Spieler, die sich Zeit lassen, um Computer und Sicherheitsschlösser hacken, anstatt durch streng bewachte Säle zu marschieren und sich zumindest über weite Strecken von Deckung zu Deckung bewegen, anstatt den aufmerksamen Gegnern ins offene Messer zu laufen.
Spannende Situationen entstehen, wenn Jensen z.B. eine Sicherheitskamera vorübergehend abschaltet und deshalb binnen kurzer Zeit an den nächsten Wachen vorbei muss. Die blicken schließlich nicht stur geradeaus, sondern drehen sich gelegentlich auch um oder sehen zur Seite. Mit einem Blick durch Wände erkennt Adam dabei nahe Patrouillen, selbst voll ausgebaut kann er diese Fähigkeit aber nur wenige Sekunden nutzen, bevor sich der Akku
erholen muss. Mit diesem Zeitfenster schafft Dugas einen hervorragenden Kompromiss aus notwendiger Aufklärung und spielerischem Anspruch.
Niemand lauert hinter dieser Ecke!
Trotzdem liegen auch im Heimlichtun Schwächen, die Mankind Divided zum Teil von seinem Vorgänger geerbt hat. Dazu zählen Wachen, die nicht hartnäckig genug suchen, wenn sie etwas Verdächtiges entdeckt haben: Oft laufen sie nicht um die entscheidende Ecke, verzichten auf Augmentationen u.a. zum schnellen Fortbewegen und laufen fast ausschließlich auf sehr vorhersehbaren Linien. So wie Deus Ex weder ein waschechtes Rollenspiel noch pure Action ist, gehört es auch nicht komplett in den Bereich der Stealth-Action, wie Metal Gear Solid sie z.B. inszeniert. Mit diesem Genre ist das Spiel allerdings am engsten verwandt und so fallen die Unterschiede, etwa zu dem in diesem Bereich herausragenden The Phantom Pain, vor allem im Verhalten der Gegner auf.
Ärgerlich sind unlogische Entwicklungen, durch die Jensen aus unerkennbaren Gründen plötzlich entdeckt wird oder Zivilisten grundlos in Panik ausbrechen. Ob es sich dabei um Programmfehler oder einen eigenen Fehltritt handelt, lässt sich schwer erkennen – mindestens das fehlende Anzeigen des spielerischen Fehlers wäre aber ein Versäumnis der Entwickler. Eidos hätte außerdem dafür sorgen sollen, dass während des Hackens deutlich hörbar ist, ob sich eine Wache nähert. Stattdessen werden die Umgebungsgeräusche fast komplett ausgeblendet, obwohl alternative Informationen fehlen. Besser wäre, wenn man Adams Aufmerksamkeit während des Hackens auf die Umgebung lenken könnte, um sich gelegentlich umzusehen oder umzuhören.
Nicht zuletzt leidet die Steuerung auch beim Schleichen und Erkunden unter kleinen Stolpersteinen: Jensen sprintet auf Treppen z.B. nicht und zieht sich nicht an allen Kanten hoch, die er mühelos erreicht. Selbst niedrige Kisten erklimmt er mitunter nicht, was sein Vorankommen nicht verhindert, aber gelegentlich seltsam ungelenk erscheinen lässt. Dass sich Kisten und Müllcontainer wie auf Federn gelagerte Papierkartons verhalten, macht das Stapeln übrigens zur mühseligen Tortur.
Ich hatte es mir bereits vor längerer Zeit günstig gekauft.