Der unberechenbare Westen
Wenn ich irgendwo in der Steppe auf einen Planwagen zugehe, vor dem ein Kerl seine Suppe schlürft, sind Freund oder Feind nicht per Icon oder roter Leiste klar definiert. Kaum komme ich auf Sprechweite heran, steht der Typ auf und fordert mich auf stehen zu bleiben. Als ich noch einen Schritt weiter gehe, wird er sichtlich aggressiver, hat die Hand an der Waffe. Ab jetzt kann ich über L2 die Kommunikation starten und ihn z.B. weiter provozieren oder beschwichtigen. Ich versuche Letzteres, aber der Hillbilly lässt sich davon nicht beeindrucken und ich schau in die Mündung seines Colts. Nur der sofortige Rückzug sorgt für eine Deeskalation. Er ruft mir zwar noch ein paar deftige Schimpfworte hinterher, aber kümmert sich wieder um seine Suppe. Jetzt hab ich fast wieder Lust, mich mit ihm anzulegen…
Wir erkunden in Spielen meist Kulissen, Ausrüstung und Statistiken, aber viel zu selten das weite Feld der Psyche. Zwar
gewöhnt man sich nach ein paar Stunden daran, und auch dieses Red Dead Redemption 2 kratzt letztlich nur an der Oberfläche der Möglichkeiten, aber Situationen werden zumindest offener ausgespielt und es gibt ja keine visuellen Spoiler zu Freund und Feind. Hinzu kommen subtile Reaktionen auf mein Verhalten: Reitet man den falschen Leuten zu lange und zu lange hinterher, gibt es Ärger. Selbst ein Sheriff war irgendwann genervt davon, dass ich ihm hinterher laufe. Obwohl ich ihn immer freundlich grüßte, wurde er mit mir als „Stalker“ im Nacken ungehalten. Als ich dann etwas pampig erwiderte, blieb er stehen, ebenfalls die Hand am Revolver.
Warnschüsse und kommunikative Statik
Sehr schön ist auch die Funktion des Warnschusses, der mit erhobener Waffe sichtbar anders ausgeführt wird als gewöhnliche Ballerei: Man kann sein Gewehr also nicht nur auf Bewohner richten, die dann natürlich aggressiv werden oder fliehen. Man kann auch einen Schuss in die Luft abfeuern, der als explizite Warnung dient und nicht nur Kojoten, sondern auch so manchen besoffenen Rüpel in die Flucht schlägt. Als ich das beim Vorbeireiten zweier fluchender Cowboys mal ausprobierte, waren die allerdings weniger eingeschüchtert, drehten um und ballerten mich fast umgehend aus dem Sattel. So entsteht situative Spannung durch unberechenbare Reaktionen. Das ist innerhalb des Spieldesigns von Rockstar ein großer Fortschritt in der Kommunikation.
Ansonsten bleibt es bei der konsequenten Verfolgung von Straftaten à la GTA: Wird man bei einem Diebstahl oder einer Gewalttat beobachtet, ohne dass man vermummt ist, rennt der Zeuge zum Sheriff und man wird gejagt – entweder man
schnappt sich den Zeugen vorher, schüchtert ihn ein oder bringt ihn um. Dann sollte man ihn aber auch abseits der Pfade in einem Gebüsch oder Fluss entsorgen. Oder man flieht aus dem roten Verfolgungsbereich, bis die Jagd eingestellt wird. Dann ist ein Kopfgeld ausgesetzt, das man bei einer Poststation begleichen kann.
Was mir sehr gut gefällt, sind auch die kontextsensitiven Kommentare der normalen Bürger oder fremder Reisender – man muss also nicht immer selbst die Initiative ergreifen, sondern wird auch einfach mal angesprochen oder bedroht. Trotzdem bleibt es im Vergleich zu Rollenspielen mit verzweigten Dialogbäumen natürlich bei einer künstlichen Verknappung der Dialoge: Manchmal will man etwas Spezielles fragen, kann aber lediglich grüßen oder provozieren, obwohl man weiß, dass das Gegenüber als Barkeeper, Sherriff oder Händler natürlich mehr Informationen hat. Ich kann also den Händler nicht nach der von Dutch gesuchten Pfeife, den Barkeeper nicht nach Leuten und den Sherriff nicht Verbrechen fragen. Das führt dazu, dass die meisten Begegnungen mit „normalen“ Nebencharakteren in den Shops auf lange Sicht oberflächlich bleiben – die große Leistung der Regie ist dennoch, dass man die Illusion einer jederzeit kommunikativen oder zumindest reaktiven Bevölkerung so oft an anderer Stelle aufrecht erhalten kann.
Heute ist wieder mal einer der Abende, an denen ich dasitze und über das Spiel nachdenke, obwohl ich es seit Sommer letzten Jahres nicht mehr gespielt habe. Ich habe damals nach Ende der Story monatelang gar nichts mehr spielen können, weil mir im Vergleich dazu alles schal vorkam... Shit, ich habe sogar nicht einmal den Epilog beendet damals
Ich sitze manchmal da und denke über Arthur nach, als ob er eine reale Person wäre - ich vermisse ihn dann sehr ^^
Daher nochmals danke an ihn für diese unvergessliche Reise und danke an Rockstar, auch wenn ihr in der letzten Zeit viel Bullshit abzieht, was ihr hier geschaffen habt, sucht imho seinesgleichen!
Die Frames sind leider nur 30, stimmt.
Dennoch sieht das Spiel auch heute noch einfach super aus, alleine das Licht.
Außerdem sind die Ladezeiten auf der PS5 sehr angenehm.
Unglaublich aber wahr: Ich habe in über einem halben Jahr noch kein PS4-Spiel in meine PS5 gepackt. Von Haus aus wird RDR2 nicht auf 60fps geboostet, oder? Gibt ja Listen, die beschreiben, welche PS4-Spiele auf der PS5 profitieren. Leider gehört RDR2 offensichtlich bisher nicht dazu. OK, kürzere Ladezeiten sind auch was.